Analyse

Ein problematischer Verbündeter

Saudi-Arabien ist ein wichtiger, wenn auch umstrittener Wirtschaftspartner des Westens. Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, beschreibt in seinem neuen Buch faktenreich und spannend, wie das Land tickt, wo die politischen Probleme liegen und wie der Westen mit ihm umgehen sollte.
Tradition und Moderne: Kontrollcenter einer Ölraffinerie in der Stadt Dhahran in Saudi-Arabien. Montazeri/Lineair Tradition und Moderne: Kontrollcenter einer Ölraffinerie in der Stadt Dhahran in Saudi-Arabien.

Saudi-Arabien galt für den Westen jahrzehntelang als Stabilitätsanker im Mittleren Osten. Diese Rolle gerät jedoch ins Wanken, beschreibt Sons. Saudi-Arabien ist in die vielen Konflikte der Region in oft undurchsichtiger Weise verstrickt, was unser Misstrauen gegenüber dem Land verstärkt. Die Lebensweise der Saudis, geprägt durch ein erzkonservatives Islamverständnis, ist dem Westen fremd und wirkt archaisch. Der sunnitische Wahhabismus reglementiert das Leben in der Monarchie, die zugleich Gottesstaat ist, bis ins kleinste Detail.

Dabei bleibt uns aber verborgen, dass sich in der saudischen Gesellschaft seit einigen Jahren ein fundamentaler Wandel vollzieht, meint der Autor: Die Jugend, die zwei Drittel der Bevölkerung ausmacht, will Veränderung und sich aus dem engen Korsett der strengen Regeln befreien. Sie lotet in den sozialen Medien wie Facebook und WhatsApp die Grenzen aus. Wer jedoch Kritik am Königshaus oder am Klerus übt, überschreitet eine rote Linie und es drohen drakonische Strafen.

Nicht nur im Inneren, sondern vor allem von außen sieht sich das saudische Herrscherhaus seit der arabischen Revolution 2011 massiv bedroht. Mit dem Sturz der Diktatoren Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien und vor allem mit Hosni Mubarak in Ägypten verlor Saudi-Arabien seine wichtigsten Bündnispartner und musste den Aufstieg der verhassten Muslimbrüder mit ansehen. Die Muslimbrüder sind den Wahhabiten ideologisch ähnlich, doch sind sie republikanisch und somit antimonarchisch geprägt. Ägyptens Mubarak hatte die Muslimbrüder jahrzehntelang im saudischen Sinne bekämpft und war vom großen Bündnispartner mit finanziellen Hilfen und Investitionen reichlich belohnt worden.

Als der Muslimbruder Mohammed Mursi 2012 in Ägypten ins Amt gewählt wurde, stellten die Saudis alle finanziellen Hilfen für Ägypten ein. Der Putsch des ägyptischen Militärs gegen Mursi soll laut Sons „direkt vom saudischen Königshaus vorbereitet worden sein“. Viele halten den neuen Machthaber am Nil, General Abdel Fattah al-Sisi, deswegen auch für eine saudische Marionette.

Dass mit Syrien, dem Irak und dem Jemen die gesamte Region in die Krise gestürzt ist, dafür trägt in den Augen Saudi-Arabiens vor allem der ewige Rivale Iran Schuld. Sons’ Meinung nach führen die Saudis in Syrien und dem Jemen einen blutigen Krieg um die Vormachtstellung mit dem schiitischen Iran. Ihre Rolle im Bezug auf die Terrormiliz ISIS ist dabei zwiespältig. Zu Beginn des Syrienkriegs unterstützten sie die Dschihadisten gegen den syrischen Herrscher und Iran-Verbündeten Baschar al-Assad. Doch dann wendete sich die Terrormiliz auch gegen Saudi-Arabien, woraufhin sich die Monarchie der internationalen Anti-ISIS-Allianz anschloss. Für Sons gehört ISIS zum Hauptprofiteur des saudisch-iranischen Rivalitätskampfes, der sich durch das entstandene Machtvakuum ungehindert ausbreiten konnte.

Besonders fatal wirkt sich der Machtkampf im Jemen aus, beschreibt der Wissenschaftler. Die Saudis führen einen brutalen und vernichtenden Luftkrieg gegen die iranischen Verbündeten, die Huthis, der die jemenitische Bevölkerung in eine humanitäre Katastrophe stürzte, bilanziert Sons.

Wie soll und kann der Westen mit einem derartigen Partner umgehen? Sebastian Sons widmet dieser Frage ein ganzes Kapitel und gibt im Anschluss seine Strategieempfehlungen. Er stellt klar, dass die komplizierte „Zweckehe“ zwischen dem Westen und dem Ölstaat wirtschaftliche Interessen hat. Der Autor plädiert für eine „andere Politik“ Deutschlands gegenüber Saudi-Arabien und fordert eine „kohärente Strategie“. Zuerst gehe es darum, gemeinsame Interessen zu definieren wie etwa Stabilität im Mittleren Osten oder die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Diese sollte Deutschland intensivieren, anderswo aber eindeutig Position beziehen. Sons fordert etwa den diplomatischen Druck auf Saudi-Arabien wegen seiner Menschenrechtsverletzungen zu erhöhen. Dazu gehöre es Waffenlieferungen einzustellen. Zudem müsse sich Deutschland für politische Reformen und eine Annäherung an den Iran stark machen.

Sabine Balk

Literatur
Sons, S., 2016: Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien – ein problematischer Verbündeter, Propyläen-Verlag.