Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Agrarforschung

Revolutionäres Konzept für bessere Ernährungssicherheit

Bislang kümmert sich die internationale Agrarforschung vor allem um Fragen, die Länder mit hohen Einkommen betreffen. Nationale Forschungssysteme (NARS – Na­tional Agricultural Research System) in Entwicklungsländern brauchen mehr Einfluss. Ein neues Konsortium wird bald dafür sorgen. Ravi Khetarpal, der Initiator der neuen Initiative, erläutert den Paradigmenwechsel im E+Z/D+C-Interview.
Afrikanische Agrarforschung ist wichtig. iStockphoto/LENblR Afrikanische Agrarforschung ist wichtig.

Was ist das Global NARS Consortium (GNC)?

Die Agrarforschung muss auf die Erreichung der Entwicklungsziele für Nachhaltigkeit (SDGs – Sustainable Development Goals) ausgerichtet werden, aber sie wird zu oft als Selbstzweck betrieben. Es gibt zwar Fortschritt, aber Projekte sind oft weit weg von praktischer Anwendung. Das muss anders werden – mit Priorität für die Erreichung von SDG1 (Keine Armut) und SDG2 (Kein Hunger) in praxisrelevanter, handlungsorientierter internationaler Zusammenarbeit (SDG17). Wir müssen akademische Silos knacken und auf Menschen im globalen Süden zugehen. Dafür richten wir das Global NARS Consortium (GNC) ein, eine kooperative Initiative im Rahmen des Global Forum on Agricultural Research and Innovation (GFAiR), das selbst ein Netzwerk von nationalen Agrarforschungssystemen (NARS – National Agricultural Research System) ist.

Was wird das GNC tun?

Das Ziel ist Ernährungssicherheit durch globale Partnerschaften in einer von Unsicherheit geprägten Zeit. Das GNC wird als Schaltzentrale dienen, die nationale Systeme mit internationalen Forschungseinrichtungen, Geberinstitutionen und UN-Stellen verbindet. Wir wollen Forschungslücken schließen und dabei auf Chancen achten, die bäuerliche Kapazitäten stärken – und zwar nicht nur im technischen Sinne, sondern auch bei der Umsetzung von Innovationen und durch staatliche Förderung. Wir wollen bestehende Strukturen nutzen, statt nur eine weitere zu schaffen. Forschung muss zu innovativem Denken, innovativen Prozessen und innovativen Produkten führen. Ihre Ergebnisse sollen sozioökonomisch wertvoller werden. Innovationsfähigkeit ist wichtig, und sie hängt davon ab, dass Forschende auf die Menschen vor Ort hören, ihr Handeln untereinander abstimmen und auch politische Konzepte stärken. So können wir ländlichen Gemeinschaften helfen. Forschung, die in ihrem Land läuft, wird voraussichtlich innovativer sein und global unterstützt werden. In einem Satz formuliert: Das GNC will die Ernährungssicherheit durch angewandte Forschung und Entwicklung zugunsten der Bedürftigsten verbessern.

Warum sind nationale Forschungssysteme wichtig?

Leider spiegelt die internationale Agrarforschung die Welt nicht wider. Die einschlägigen multilateralen Organisationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, haben viel erreicht, aber es mangelt noch immer an handlungsorientierter Agrarforschung zu den spezifischen Herausforderungen von Ländern mit niedrigen Einkommen. Die einflussreiche Consulta­tive Group on International Agricultural Research (CGIAR) hat sich meist auf Themen des Nordens konzentriert…

…wo aber Ernährungssicherheit heute weitgehend gewährleistet ist.

Genau, und entsprechend liefern Labore im Norden mit Spezialisierung auf dort übliche Nutzpflanzen nicht die Lösungen, die für Ernährungssicherheit überall nötig sind. Die kleinbäuerliche Produktion im globalen Süden muss steigen. Dafür muss die Wissenschaft die dortigen Nutzpflanzen sowie die Bedürfnisse der Menschen vor Ort in den Blick nehmen. Das gilt angesichts nie da gewesener Probleme wie dem Klimawandel oder dem Bevölkerungswachstum besonders. Nationale Forschungssysteme müssen von Anfang an einbezogen werden. Sie müssen stärker, besser ausgestattet und effektiver werden.

Vor welchen Hindernissen stehen sie?

Das ist von Weltregion zu Weltregion und von Land zu Land verschieden. Manche lassen sich heute schon als nationale Agrarforschungs- und Beratungssysteme bezeichnen, einige sogar als Agrarforschungs-, Beratungs- und Bildungssysteme. Das hängt davon ab, wen sie alles ansprechen. Schwellenländer wie Indien, Malaysia, Marokko oder Brasilien haben recht starke Systeme, die auf Augenhöhe mit internationalen Institutionen kooperieren können. Dabei geht es etwa um Institutionen wie CGIAR, FAO (UN Food and Agriculture Organization), IFAD (International Fund for Agricultural Development), WFP (World Food Pro­gramme) oder UNDP (UN Development Programme). In weniger entwickelten Ländern oder solchen, deren Wirtschaft sich in Transformation befindet, gibt es aber große Probleme. Typisch sind:

  • unzureichende Mittel,
  • schlechte Kommunikationsmöglichkeiten,
  • begrenzter Zugang zu internationalem Wissen und
  • das Gefühl, vernachlässigt zu werden.

Oft fällt es den Verantwortlichen dann schwer, klar zu formulieren, was sie brauchen, oder überhaupt auf internationale Partner zuzugehen. So können sie nicht voll an der internationalen Entwicklung teilhaben.

Was bietet Abhilfe?

Es gibt zu wenig Süd-Süd-Kooperation. Es wäre gut, wenn Länder mit starken Systemen schwächere unterstützten. Das EU-Konzept der Dreieckskooperation ist gut – mit Geldgebern in einem Land mit hohen Einkommen, Know-how-Vermittlung aus einem Land mit mittleren Einkommen und Empfängern in einem Land mit niedrigen Einkommen. Es wird aber nicht breit angewendet, ist vielleicht auch nicht überall anwendbar. Verschiedene Weltregionen und Agrarforschungssysteme brauchen vermutlich auf die spezifischen Umstände zugeschnittene Unterstützung.

Wie wird das GNC global agieren?

Wir denken global, starten also keine regionalen Pilotprojekte. Es gibt ja bereits regionale Netzwerke der Agrarforschungssysteme. Sie arbeiten allerdings mit recht unterschiedlichem Erfolg. Wir wollen einen umfassenden Mechanismus schaffen, der jedes nationale System nach den jeweiligen Bedürfnissen unterstützt. Dafür brauchen wir unter anderem regelmäßige Diskussionen, Workshops und Onlineseminare. Wir arbeiten noch an den Details.

Was sind die nächsten Schritte?

Beim Treffen der sechs bestehenden regionalen Agrarforschungsnetzwerke wurde am 7. März 2023 die Gründungserklärung des GNG unterschrieben. Die sechs Netzwerke sind:

  • die Association of Agricultural Research Institutions in the Near East and North Africa (AARINENA),
  • die Asia-Pacific Association of Agricultural Research Institutions (APAARI),
  • die Central Asia and the Caucasus Association of Agricultural Research Institutions (CACAARI),
  • das European Forum on Agricultural Research for Development (EFARD),
  • das Forum for Agricultural Research in Africa (FARA) und
  • das Forum for the Americas on Agricultural Research and Technology Development (FORAGRO).

Wichtige internationale Institutionen wie die Europäische Kommission, IFAD und CGIAR unterstützen unser Konzept, weil sie wissen, dass ein GNC nötig ist. Gegründet wird es offiziell nächstes Jahr – und es ist dann mehr als eine weitere Initiative. Wir haben ein revolutionäres Konzept, um Ernährungssicherheit durch nachhaltige Entwicklung zu erreichen und dabei diejenigen aktiv einzubeziehen, die am bedürftigsten sind.

Ravi Khetarpal ist Exekutivdirektor der Asia-Pacific Association of Agricultural Research Institutions (APAARI), Vorsitzender des Global Forum on Agricultural Research and Innovation (GFAiR) und Initiator der GNC-Initiative.
ravi.khetarpal@apaari.org 

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.