Pressefreiheit
Libyen – ein „schwarzes Loch“ der Information

Seit März 2022 konkurrieren in Libyen zwei Regierungen um die Macht: das international anerkannte Government of National Unity (GNU) mit Sitz in Tripolis, das Teile Westlibyens kontrolliert, und das Government of National Stability (GNS) in Bengasi im Osten des Landes. Die tiefe politische Spaltung Libyens wirkt sich erheblich auf die Pressefreiheit in dem Land aus. Viele Medienschaffende haben Libyen verlassen. Wer geblieben ist, hat in dem Konflikt entweder Partei ergriffen oder steht unter der Kontrolle eines der beiden Lager. Es mangelt an freier, unabhängiger Berichterstattung.
Die zivilgesellschaftliche Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) nennt Libyen ein „wahres schwarzes Loch“, was Informationen angeht, und führt das Land im aktuellen World Press Freedom Index auf Platz 137 von 180. Journalist*innen seien seit Jahren Ziel von Einschüchterungen und körperlicher Gewalt, auch wenn sich die Lage seit dem Ende des Bürgerkriegs offenbar verbessert habe, heißt es bei RSF. Sowohl im Osten als auch im Westen des Landes sei es den Machthabern gelungen, mithilfe ihrer bewaffneten Gruppen Angst unter Medienschaffenden zu schüren und sie letztlich ihrer Unabhängigkeit zu berauben.
Medien als Instrument der Mächtigen
„Als libysche Journalistin bin ich sehr besorgt über die anhaltende Verschlechterung der Medienlage im Land“, sagt die Freiberuflerin Eman Ben Amer. Inmitten der instabilen politischen Lage seien die Medien zu einem Instrument der Reichen und Mächtigen geworden, meint sie. Die Menschen in Libyen hätten das Vertrauen in die Medien verloren – aufgrund der grassierenden Desinformation und auch, weil es kein Gesetz gebe, das Journalist*innen und die Unabhängigkeit der Medien schütze.
Auch RSF analysiert, dass keine Behörde und kein Gesetz in Libyen Medienpluralismus, Transparenz oder den Zugang zu Informationen gewährleiste. Gesellschaftlich relevante Themen kämen in den libyschen Medien zu kurz, insbesondere auch Perspektiven der jungen Bevölkerung. Diese wendeten sich Social-Media-Plattformen zu, die Radikalisierung und Hass begünstigen.
Verbreitung von Falschinformationen
Verbreitung von Falschinformationen
Es sei auffällig, dass die politischen Seiten in ihren Medienkämpfen zunehmend auf „Blogger und Söldner elektronischer Armeen“ setzen statt auf traditionelle Medien, sagt der freiberufliche Journalist Majd Gannud. Viele Blogger*innen in den sozialen Medien verbreiteten falsche Informationen, die den Interessen der Konfliktparteien dienten und in keiner Weise ethischen Standards im Journalismus entsprächen, meint Gannud.
Auch die freiberufliche Journalistin Rabiha Habas sagt, libysche Journalist*innen seien zwar im Besitz ihrer Presseausweise, könnten aber ihrer Arbeit vor Ort nicht nachgehen. „Das liegt nicht an einem Mangel an Leidenschaft oder Produktivität“, sagt sie. Vielmehr würden sie von einflussreichen Personen für deren kurzfristige Interessen missbraucht. Immerhin würden zumindest ausländische Journalist*innen oder libysche Medienschaffende im Ausland wichtige politische Themen aufgreifen.
Eine echte Besserung der Situation ist kurzfristig nicht in Sicht. Die politische, wirtschaftliche und Sicherheitslage bleibt für die Bevölkerung kritisch. Immer wieder bricht lokal Gewalt aus. Obwohl klar ist, dass es Wahlen geben soll, besteht noch keine Einigung über die genaueren Umstände.
Die internationale Gemeinschaft müsse gemeinsam einen Plan zur Unterstützung eines demokratischen Staates ausarbeiten, der den Bedürfnissen der libyschen Bevölkerung gerecht wird und Wirtschaftswachstum sowie eine gerechte Entwicklung fördert, erklärte Hanna Tetteh, Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Libyen. Sie betont, dass in dem ölreichen Land eigentlich genügend Ressourcen vorhanden seien, um die Sicherheit und das Wohl der Bevölkerung zu gewährleisten.
Links
Reporter ohne Grenzen (RSF), 2025: World Press Freedom Index.
https://rsf.org/en/index
RSF, Libyen:
https://rsf.org/en/country/libya
Moutaz Ali ist Journalist und lebt in Tripolis, Libyen.
ali.moutaz77@gmail.com