Klimakonferenz
„Wenn nur privilegierte Stimmen Gehör finden, bleiben Maßnahmen häufig einseitig“

Joyce Koech im Interview mit Leon Kirschgens
Wie engagieren Sie sich in Kenia für Klimaschutz?
Ich habe 2019 in meiner Heimatstadt Mombasa in Kenia begonnen, Fridays-for-Future-Demos zu organisieren. Schnell habe ich mich dann gefragt, wie ich mich darüber hinaus für den Klimaschutz einsetzen kann und habe gemerkt, wie wichtig und gleichzeitig bedroht unsere Mangrovenwälder sind. Die flachwurzligen Bäume wachsen nur in warmem Salzwasser an der Küste. Ihre Ökosysteme haben ein großes Potenzial für den Klimaschutz, weil sie rund zehnmal mehr CO2 speichern als andere Wälder. Aber sie sind bedroht, da sie entweder zur Holzgewinnung oder für Infrastrukturprojekte wie den Straßenbau abgeholzt werden und allgemein unter Biodiversitätsverlust leiden.
Dagegen habe ich mich mit einer Handvoll weiterer Frauen starkgemacht, und irgendwann ist daraus die „Blue Earth Organization“ entstanden. Wir arbeiten heute vor allem an der Wiederaufforstung von Mangrovenwäldern. Davon profitieren nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch die Menschen in den Küstengemeinden. Wir möchten sie alle, insbesondere Frauen, dazu befähigen, Mangrovenwälder als nachhaltige Ressource zu nutzen. Der Mangrovenschutz stärkt so auch die Lebensgrundlagen von Küstengemeinschaften – sozial und wirtschaftlich.
Wie haben Sie die UN-Zwischenkonferenz in Bonn erlebt?
Ich war bereits auf mehreren Klimakonferenzen, und auch dieses Mal war ich enttäuscht von der fehlenden Entschlossenheit. Seit Jahren fordern wir mehr Klimafinanzierung, konkrete Unterstützung und die Umsetzung des „Loss and Damage“-Mechanismus. Damit ist der vereinbarte Verlust- und Schadensfonds gemeint, der Länder und gefährdete Gemeinschaften finanziell unterstützen soll, die durch extreme Wetterereignisse, steigende Meeresspiegel und andere klimabedingte Katastrophen besonders stark betroffen sind oder sein werden. Der wurde zwar bereits auf der COP27 im Jahr 2022 beschlossen, doch noch immer wird über den Umfang und die Finanzierung gestritten.
Vor allem, wenn es um die Verantwortung der Industrieländer geht, ist der Widerstand weiterhin groß. Dabei leiden viele Gemeinschaften wie unsere bereits jetzt unter den Folgen der Klimakrise: Ernten fallen häufiger aus, Menschen verlieren ihre Existenzgrundlage oder sogar ihr Leben durch Hunger und Dürre. Und das, obwohl wir selbst kaum zum Problem beigetragen haben.
Trotzdem war es wichtig, vor Ort auf der Konferenz in Bonn zu sein. Es war gut, gesehen zu werden und in unserem Fall die Küstengemeinschaften Kenias repräsentieren zu können. Wenn wir Aktivist*innen unsere Erfahrungen nicht einbringen, bleiben viele Diskussionen abstrakt und realitätsfern. Leider gibt es viele Hürden für uns aus dem Globalen Süden, etwa bei der Vergabe von Visa. Ich war nur eine von wenigen Aktivist*innen, die teilnehmen konnten. Das sorgt dafür, dass genau jene Stimmen fehlen, die am dringendsten gehört werden müssen.
Was müsste sich also bei künftigen internationalen Klimaverhandlungen ändern?
Es braucht endlich echte Solidarität. Der strukturelle Egoismus einiger Industrienationen verhindert, dass wir im Klimaschutz wirklich vorankommen. Während wir ums Überleben kämpfen, machen Unternehmen wie Shell weiterhin Milliardenprofite mit fossilen Energien. Das ist nicht nur ungerecht, es ist auch gefährlich für alle. Denn wenn wir jetzt nicht handeln, werden auch jene Regionen betroffen sein, die sich heute noch in Sicherheit wähnen. Und wir brauchen endlich einen gleichberechtigten Zugang zu Entscheidungsprozessen. Wenn nur privilegierte Stimmen Gehör finden – wie es auf Konferenzen oft der Fall ist –, bleiben die Maßnahmen häufig einseitig.
Joyce Koech ist kenianische Umwelt- und Klimaschützerin und Mitgründerin der Blue Earth Organization, die sich für die Wiederaufforstung von Mangrovenwäldern einsetzt.
koechchero7@gmail.com
Dieser Beitrag ist Teil des „89 Percent Project“, einer Initiative der globalen Journalismus-Kooperation „Covering Climate Now“.