Unsere Sicht
COP27 verpasst wichtige Chance
Sie sehen den Fonds als Schritt zu mehr Klimagerechtigkeit. Reiche Staaten, die historisch den Großteil der klimaschädlichen Emissionen verursacht haben, sollen einzahlen. Ärmere Staaten, die kaum zur Klimakrise beigetragen haben, aber hart getroffen werden, sollen daraus Geld erhalten, um Schäden zu reparieren. Das ist ein Erfolg für Entwicklungs- und Schwellenländer, die solch einen Fonds schon lange fordern. Viele von ihnen leiden bereits massiv unter extremen Wetterereignissen. Die Flutkatastrophe in Pakistan im Sommer traf mehr als 33 Millionen Menschen, die Schäden gehen in die zweistellige Milliardenhöhe (siehe Imran Mukhtar auf www.dandc.eu). Der Fonds soll helfen, auf solche Desaster schnell und ausreichend zu reagieren. Allerdings bleibt das Vorhaben vage.
Es ist etwa unklar, wer wie viel einzahlt. China, das Land mit den höchsten CO2-Emissionen pro Jahr und den historisch betrachtet zweithöchsten nach den USA, will sich nicht beteiligen. Westliche Staaten argumentieren dagegen, es könne sich nicht länger hinter seinem traditionellen Status als Entwicklungsland wegducken. Chinas Kooperationsbereitschaft wird über den Erfolg globaler Klimafinanzierung mitentscheiden.
Derzeit kann von fairer Lastenverteilung keine Rede sein. Reiche Länder halten ihr altes Versprechen, Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden Dollar zu unterstützen, bisher nicht ein. Die hohe Verschuldung vieler Entwicklungsländer macht es ihnen kaum möglich, zur Bewältigung von Klimaschäden Kredite aufzunehmen – und falls sie es noch können, rutschen sie mit jeder Flut und jeder Dürre tiefer in die Schuldenfalle. Wer über Klimafinanzierung spricht, muss deshalb auch über Schuldenpolitik reden (siehe Kathrin Berensmann auf www.dandc.eu).
Dass reiche Länder für Klimaschäden aufkommen, ist wichtig. Noch wichtiger wäre es, die Erderwärmung zu bremsen, damit die Schäden nicht noch schlimmer werden. Hier hat der Gipfel in Ägypten versagt. Zwar bekräftigten die Staaten das 2015 im Pariser Abkommen formulierte Ziel, die Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad zu begrenzen. Näher gekommen ist die Menschheit diesem Ziel in Scharm el-Scheich aber nicht. Dafür müsste die Nutzung fossiler Energie radikal reduziert werden. Die Abschlusserklärung erwähnt jedoch nur die Reduktion von Kohle, nicht aber von Öl und Gas. Der Widerstand der Fossil-Lobby und Förderstaaten wie Saudi-Arabien und Russland war zu groß. Ebenso mangelte es an ehrgeizigen neuen Reduktionszielen auf nationalstaatlicher Ebene.
Die Zeit wird derweil immer knapper. Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre wächst. Die Wissenschaft warnt, mit der derzeitigen Politik würden die Temperaturen bis Ende des Jahrhunderts um 2,8 Grad steigen (siehe Suparna Banerjee auf www.dandc.eu). Aber schon zwischen 1,5 und zwei Grad droht die Überschreitung unumkehrbarer Kipppunkte, etwa der Kollaps wichtiger Eisflächen in Arktis und Antarktis. Die Folgen wären unkontrollierbar und verheerender als alle bisherigen Klimaschäden.
Um das Schlimmste zu verhindern, müssen möglichst viele Staaten – einschließlich EU und USA – jenseits von Weltgipfeln ihre Klimaanstrengungen schnell verstärken. Die Energiewende ist auch ökonomisch sinnvoll. Energie aus Sonne und Wind zu erzeugen, ist günstig wie nie. Zudem zeigt die jüngste Energiekrise, hervorgerufen durch den russischen Angriff auf die Ukraine, wie verheerend die Abhängigkeit von Importen aus Autokratien sein kann. Klimapolitik erfordert internationale Kooperation – und unser gemeinsames Schicksal hängt davon ab, dass nationalistische Alleingänge wie die Russlands nicht alles unterminieren. Wie heiß der Planet im Jahr 2100 sein wird, hängt letztlich davon ab, ob die „Wende der Willigen“ gelingt. Und ja, auch die Glaubwürdigkeit des Westens steht mit auf dem Spiel.
Jörg Döbereiner ist Redakteur bei E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit/D+C Development and Cooperation.
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