Tuberkulose

Wenn neue Medikamente direkt ihre Wirkung verlieren

Bei der Bekämpfung der Tuberkulose sind Resistenzen gegen Antibiotika ein großes Problem. Um sie in den Griff zu bekommen, muss die Gesundheitsinfrastruktur in betroffenen Ländern gestärkt werden.
Abtransport eines an Tuberkulose Verstorbenen in Port-au-Prince, Haiti. Tuberkulose ist grundsätzlich behandel- und heilbar. picture-alliance/ZUMAPRESS.com/Hector Adolfo Quintanar Perez Abtransport eines an Tuberkulose Verstorbenen in Port-au-Prince, Haiti. Tuberkulose ist grundsätzlich behandel- und heilbar.

Die Tuberkulose (TB) ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die sich hauptsächlich in der Lunge, aber auch in anderen Organen manifestieren kann. Sie wird durch Erreger des Mycobacterium tuberculosis-Komplex (Mtbk, Tuberkulosebakterien) verursacht und war früher als „Schwindsucht“ bekannt, da zu den Symptomen neben starkem Husten auch Fieber und Gewichtsabnahme zählen. Die WHO schätzt, dass etwa ein Viertel der Weltbevölkerung mit dem Erreger der TB infiziert ist. Die TB wird über Aerosole von aktiv erkrankten Personen übertragen, aber nur etwa fünf bis zehn Prozent der Infizierten entwickeln im Laufe ihres Lebens eine aktive TB. Bei den Übrigen bricht die Krankheit nicht aus, da das Immunsystem die Erreger in Schach halten kann.

Laut Global TB Report der WHO erkranken weltweit jährlich mehr als 10 Millionen Menschen an einer TB. Außerdem war die TB im Jahr 2022 hinter Covid-19 die zweithäufigste Todesursache durch einen einzelnen Infektionserreger. Im Jahr 2018 hielten die UN ihre erste hochrangige Tagung zur TB ab; das politische Engagement für die Beendigung der TB-Epidemie ist seither weiter gestiegen. Ein zweites Treffen der UN fand 2023 statt, nachdem es weltweit einige Fortschritte bei der TB-Bekämpfung gegeben hatte – aber auch Rückschläge, etwa durch die Coronapandemie.

Grundsätzlich ist eine TB behandel- und heilbar, allerdings beinhaltet die Therapie die Einnahme von Antibiotika über mindestens sechs Monate. Die Behandlung einer antibiotikaresistenten TB bedeutet für Patient*innen je nach vorliegenden Resistenzen eine noch längere Therapie – sechs bis 18 Monate oder länger – mit Medikamenten, die teils starke Nebenwirkungen haben, etwa irreversiblen Hörverlust oder Erblindung. Die Therapie kostet zudem deutlich mehr.

Resistenzen als Globales Problem

Resistenzbildung ist eine Kombination aus äußeren Einflüssen und der Anpassung des Erregers. Zu äußeren Einflüssen zählen zum Beispiel die Therapie mit nur einem Wirkstoff (sogenannte Monotherapie), fehlende Compliance von Patient*innen und schlechte Medikamentenqualität. Anders als bei anderen Bakterien entstehen bei Tuberkulosebakterien Resistenzen hauptsächlich durch spontane Mutationen im Genom des Erregers. Durch eine Monotherapie wird beispielsweise die ursprüngliche Bakterienpopulation abgetötet, und die spontan entstandenen, resistenten Erregerzellen vermehren sich. Nach einer Weile besteht dann die gesamte Population aus resistenten Bakterien, und das Medikament hat seine Wirkung verloren. Wichtig ist, dass resistente und multiresistente Tuberkulosebakterienstämme übertragen werden können, was zu einer Vervielfachung des Resistenzproblems in verschiedenen Regionen führt, etwa in Osteuropa.

Dass wichtige Medikamente nicht anschlagen, ist ein erhebliches globales Problem. Besonders die Resistenz gegen Rifampicin, das effektivste Medikament, ist von größter Bedeutung. Sie wird mit „RR-TB“ abgekürzt. Besteht darüber hinaus mindestens gegen das Medikament Isoniazid eine Resistenz, spricht man von „MDR-TB“ („Multidrug-resistant tuberculosis“). Zusätzlich können Resistenzen gegenüber weiteren Antibiotika vorliegen.

Global erkranken jährlich schätzungsweise 410 000 Personen an einer RR-TB oder MDR-TB. Indien, die Philippinen und Russland sind allein für 42 Prozent dieser Fälle verantwortlich. Auch manche afrikanischen Länder zeigen besorgniserregende Entwicklungen, darunter Mosambik.

Die frühzeitige Diagnose und eine angepasste Therapie sind die Schlüssel, um die Übertragung resistenter Stämme einzudämmen und neue Resistenzentwicklungen zu verhindern. Als Goldstandard zur Resistenztestung gilt der phänotypische Test, bei dem das bakterielle Wachstum unter Einfluss von Antibiotika im Labor beobachtet wird. Da die TB-Erreger sich nur sehr langsam vermehren, dauert dies etwa sechs Wochen. Schneller sind molekularbiologische Tests, die teils innerhalb weniger Stunden nicht nur TB nachweisen, sondern auch eine RR-TB vorhersagen können. Generell können mit Hilfe dieser Tests immer nur stark begrenzte Bereiche des Genoms auf Mutationen untersucht werden. Aufschlussreicher ist eine Analyse des gesamten Genoms; sie ist allerdings sehr teuer und komplex und deshalb derzeit nicht flächendeckend umsetzbar.

Kampf gegen Krankheit und ­Stigmatisierung

Auf medizinischer Ebene ist es entscheidend, verbesserte Diagnoseverfahren sowie eine konsequente und korrekte Anwendung der Antibiotikatherapie sicherzustellen. Um Patient*innen hierzu Zugang zu gewähren, ist es nötig, lokale Gesundheitszentren zu stärken, insbesondere in ländlichen Gebieten. Da die Medikamente über einen längeren Zeitraum eingenommen werden müssen, ist ein enger Kontakt zwischen Gesundheitsfachkräften und Patient*innen essenziell für die Erfolgsaussichten der Behandlung. Darüber hinaus gilt es, Überwachungs- und Meldesysteme auszubauen, um TB-Fälle genau zu erfassen und frühzeitig Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionsketten einzuleiten.

Auf politischer Ebene sind Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur und die Überwindung von Armut eine unabdingbare Voraussetzung, um die Zahl der Neuinfektionen zu senken. Migration und Mobilität erfordern, die Ausbreitung der TB nicht nur auf nationaler Ebene zu überwachen, sondern auch grenzüberschreitend Ausbreitungswege zu analysieren und Infektionsketten zu unterbinden. Auch soziale Maßnahmen wie Sensibilisierungskampagnen gegen die Stigmatisierung der Erkrankten und ihrer Familien können Teil der Lösung sein. 

Das Unterziel 3.3 der 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) fordert, Epidemien wie HIV/Aids, TB, Malaria und vernachlässigte Tropenkrankheiten bis 2030 zu beenden. Dies ist nur durch eine ganzheitliche Strategie, die medizinische, gesundheitspolitische und ökonomische Aspekte verknüpft, zu erreichen.

Link
WHO, 2023: Global Tuberculosis Report 2023.
https://www.who.int/teams/global-tuberculosis-programme/tb-reports/global-tuberculosis-report-2023 

Viola Dreyer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum in der Forschungsgruppe Molekulare und Experimentelle Mykobakteriologie.
vdreyer@fz-borstel.de  

Christian Utpatel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in derselben Forschungsgruppe.
cutpatel@fz-borstel.de 

Christiane Gerlach ist wissenschaftliche Projektmanagerin und stellvertretende Gruppenleiterin in derselben Forschungsgruppe.
cgerlach@fz-borstel.de  

Stefan Niemann ist Gruppenleiter der genannten Forschungsgruppe und Direktor des Programmbereichs Infektion am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum.