Tuberculose
TB stellt Indien vor eine vielschichtige Herausforderung
Weltweit sterben alle drei Minuten 2,5 Menschen an Tuberkulose (TB). Indien hat eine der weltweit höchsten Raten von TB und arzneimittelresistenter TB. Die Coronapandemie hat das seit Langem erkannte Problem verschärft. Für 2021 meldete die WHO in Indien 18 % mehr Tuberkulosefälle als im Vorjahr.
Das Land braucht eine mehrgleisige Strategie, um die TB zu bekämpfen, da die Krankheitslast hoch ist und Arzneimittelresistenzen verbreitet sind. Neben der eigentlichen Therapie braucht es Präventivmaßnahmen – dazu gehören Impfungen, bessere Ernährung und umfassende Tests.
Medikamentöse Behandlung
Schon eine normale TB-Infektion zu therapieren ist schwierig, da die Patient*innen monatelang starke Antibiotika einnehmen müssen. Eine arzneimittelresistente TB zu therapieren ist hingegen manchmal kaum möglich. Sprechen die Bakterien auf die Standardmedikamente nicht an, brauchen die Patient*innen eine Zweitlinientherapie aus meist teuren und toxischen Medikamenten. Manchmal sprechen die Bakterien auch darauf nicht an, und dann gibt es kaum noch Behandlungsmöglichkeiten.
Im August 2024 kündigte die indische Regierung eine neue Standardmedikation – BpaL – für die Therapie von Patient*innen mit arzneimittelresistenter Tuberkulose an. Sie soll vieles verbessen. Bisher konnten nur 56 % der TB-Fälle mit multipler Resistenz und nur 48 % der extrem resistenten TB-Fälle geheilt werden. Das neue BPaL-Programm macht die Zweitlinientherapie erschwinglicher und kann die Therapiedauer deutlich verkürzen.
Das neue Programm läuft noch nicht und hundertprozentiger Erfolg ist nicht garantiert. Und selbst wenn er das wäre, wäre nicht gewährleistet, dass alle infizierten Personen rechtzeitig diagnostiziert und behandelt werden. TB-Prävention bleibt also unverzichtbar.
TB-Prävention
Indien verfolgt mehrere Präventionsstrategien. Dazu gehört die TB Mukt Panchayat Abhiyan, eine Kampagne zur Ausrottung der TB auf Dorfebene. Sie befähigt lokale Gemeinschaften, in Eigenverantwortung nationale Politik zu implementieren. Das Bewusstsein in örtlichem Beamtentum und Gesundheitswesen soll geschärft werden, damit Verdachtsfälle getestet und aufgespürt werden und Patient*innen dann auch die Erstbehandlung bekommen. Diese Initiative fördert einen gesunden Wettbewerb zwischen den Dörfern und motiviert die Menschen, TB in ihrem Umfeld zu eliminieren.
Für die Prävention sind auch Impfstoffe wichtig. Für Kinder ist der Bacillus-Calmette-Guérin (BCG)-Impfstoff der wichtigste. Er gehört seit 1985 zum allgemeinen indischen Immunisierungsprogramm. Jüngsten Zahlen zufolge liegt die Durchimpfungsrate inzwischen bei 91 %. Leider hat der BCG-Impfstoff jedoch nur begrenzte Wirkung. Er beugt zwar schweren Formen von TB bei Kindern vor, schützt aber nur begrenzt vor den bei Erwachsenen häufigen TB-Formen.
Seit einigen Jahren testet die Forschung in Indien zwei neue Impfstoffe, die besser wirken könnten. Die klinischen Versuche dauern jedoch an. In absehbarer Zeit werden sie der breiten Masse also nicht verabreicht werden können.
Sozioökonomische und ökologische Dimensionen
Selbst mit einem besseren Impfstoff bleiben große Herausforderungen. TB ist eine komplexe Krankheit. Besonders gefährlich ist sie in einem sozioökonomischen und ökologischen Umfeld, in dem Bakterien gut gedeihen. Besonders betroffen sind deshalb arme Menschen.
In Indien ist die Prävalenz der von Patient*innen selbst berichteten TB unter den 20 % der ärmsten Menschen sechsmal höher als unter den 20 % der reichsten. Das liegt an dem unterschiedlichen Status und den damit verbundenen Risikofaktoren. Beengte Wohnverhältnisse und unsaubere Umgebungen sind besonders gefährlich. Laut WHO sind auch Luftverschmutzung und Rauchen relevant. In eng besiedelten Armutsvierteln und schlecht belüfteten Räumen breitet sich die Infektion schneller aus.
Entsprechend sind Stadtplanung und Abwasserentsorgung ebenfalls wichtig. Viele Inder*innen leben in informellen Siedlungen ohne angemessene Sanitäranlagen. Unzureichende Müllabfuhr und mangelnder Zugang zu sauberem Wasser belasten die Gesundheit ebenfalls. Die betroffenen Gemeinschaften sind anfälliger für Infektionen wie TB. Ohne bessere Stadtplanung werden sich Wohnverhältnisse und Sanitärversorgung nicht ändern. Sozioökonomische Faktoren sind für die TB-Prävention wesentlich.
Entscheidend ist auch die Ernährung. Laut Expertenmeinung sind bis zu 61 % der weiblichen und 57 % der männlichen TB-Kranken in Indien unterernährt. Dass ein niedriger Body-Mass-Index zu den wichtigsten TB-Risikofaktoren gehört, liegt nahe, denn Unterernährung schwächt das Immunsystem. Infektionen werden also häufiger, und Krankheiten schreiten schnell voran. Kontakt mit Bakterien führt dann eher zu Ansteckung. Weil die Fähigkeit des Körpers, schwere Krankheiten zu bekämpfen, geschwächt ist, kann die Genesung selbst bei passender Behandlung schwierig sein.
Wenn Indien TB loswerden soll, muss auch die Unterernährung angegangen werden. Die Regierung führt hierzu einschlägige Programme wie die Nationale Ernährungsmission durch, die parallel zum nationalen TB-Eliminierungsprogramm weiterlaufen müssen.
Fazit
Das jüngste Vorgehen der indischen Regierung ist löblich. TB bleibt jedoch eine Krankheit, die eng mit gesellschaftlichen Faktoren wie Hunger, Armut und Sanitärversorgung zusammenhängt. Um die komplexen Probleme in den Griff zu bekommen, muss Indien gegen alle Risikofaktoren angehen. Nötig ist ein ganzheitlicher Ansatz, um das ehrgeizige Ziel der Regierung zu erreichen, die Lungentuberkulose bis 2025 auszurotten – oder wenigstens das von der WHO empfohlene Ziel zu erreichen und die TB-Inzidenz bis 2030 um 80 Prozent zu senken.
Chahat Rana ist eine indische Journalistin mit Schwerpunkt Gesundheit.
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