Tuberkulose

Bloß nicht unterbrechen

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat der Kampf gegen die Tuberkulose (TB) an Schwung verloren. Zu den Gründen gehören antibiotikaresistente Erreger und die HIV/Aids-Krise. Um die Welt tuberkulosefrei zu machen, wird viel zusätzliches Geld benötigt.
In Assam wird eine Patientin abgehört. Nath/picture-alliance/AP Photo In Assam wird eine Patientin abgehört.

TB zählt heute zu den zehn wichtigsten Todesursachen weltweit. An ihr sterben mehr Menschen als an jeder anderen Infektionskrankheit. Laut Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization) tötete TB 2018 1,5 Millionen Patienten. Zudem habe es an die zehn Millionen Neuerkrankungen gegeben. Etwa ein Drittel werde aber nicht diagnostiziert, sodass auch keine kompetente Behandlung erfolge.

TB wird vor allem durch Tröpfcheninfektion übertragen, wenn Patienten husten, niesen oder sprechen. Das Mycobacterium tuberculosis greift arme ebenso wie reiche Menschen an, aber die, die sich medizinische Versorgung nicht leisten können, erleiden schlimmere Folgen.

Als der TB-Erreger 1882 entdeckt wurde, verursachte die Krankheit in Europa und Amerika noch einen von sieben Todesfällen. Im 20. Jahrhundert gab es aber rasante medizinische Fortschritte, und eine tuberkulosefreie Welt schien in Reichweite. In den späten neunziger Jahren geriet die Entwicklung aber ins Stocken.

Ein Grund war HIV/Aids. Wer ein geschwächtes Immunsystem hat, wird generell leichter infiziert – und zwar auch mit TB. Im Global Tuberculosis Report 2019 der WHO heißt es, 2018 seien 251 000 HIV-positive Menschen an TB gestorben. Erfreulicherweise ist es aber gelungen, die HIV/Aids-Epidemie zurückzudrängen. Die Zahl der wegen TB verschiedenen Aids-Patienten lag 2018 deshalb um 60 Prozent unter dem Vergleichswert von 2000.

Das größere Problem ist die Herausbildung von antibiotikaresistenten TB-Erregern. Die Hauptursachen sind menschliche Schlamperei und Ignoranz. Normalerweise müssen Patienten sechs bis neun Monate lang Antibiotika nehmen. Wird die Behandlung unterbrochen, können resistente Erreger entstehen. Wenn arme Patienten Medikamente nicht gratis bekommen, hören sie oft auf, diese zu nehmen, sobald sie keine Symptome mehr haben. Sie wissen nicht, dass sie die Krankheit noch nicht besiegt haben.

Erschwerend hinzu kommt, dass die Pharma-Gesetzgebung in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern weder stimmig ist noch stimmig durchgesetzt wird. Wichtige Antibiotika werden fast beliebig vermarktet, und so können sich Resistenzen auch gegen vergleichsweise neue Präparate schnell herausbilden. Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung trägt ebenfalls dazu bei, und das gilt auch für die unzureichende Abwasserbehandlung von Pharmafabriken.

Es gibt mittlerweile mehrere verschiedene resistente TB-Erreger. Die gefährlichsten widerstehen mehreren Arzneien. Fachleute sprechen von „Multidrug Resistance“ (MDR). Laut WHO waren 2018 etwa fünf Prozent der Neuinfektionen nicht mit herkömmlichen Antibiotika behandelbar.


Epizentrum Indien

Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen leiden heute am meisten unter TB. Typischerweise sind ihre Kapazitäten gerade auf der lokalen Ebene schwach, und es mangelt an Ressourcen. Über die Hälfte der TB-Infizierten lebt in nur fünf Ländern: Indien (27 Prozent), China (neun Prozent), Indonesien (acht Prozent), Philippinen (sechs Prozent) und Pakistan (sechs Prozent). Südostasien (44 Prozent) ist die am stärksten betroffene Weltregionen. Afrika kommt auf 24 Prozent.

Jährlich sterben 450 000 Inder an TB, und die Krankheit kostet staatliche Stellen den Gegenwert von etwa 580 Millionen Dollar. Den WHO-Statistiken zufolge gab es 2018 in Indien 2,7 Millionen Neuerkrankungen, von denen fast 2 Millionen amtlich erfasst wurden. Erstaunliche 130 000 Fälle erwiesen sich als antibiotikaresistent. Diese Daten machen Indien zum TB-Epizentrum.

Laut Fachleuten beruht die alte TB-Strategie des Landes auf falschen Voraussetzungen. Es wurde davon ausgegangen, dass infizierte Personen krank werden würden, dass kranke Menschen sich an professionelle Ärzte wenden würden, dass diese sie korrekt diagnostizieren und behandeln würden und dass sie dann nach sechs Monaten gesund werden würden. Leider bewährt sich keine dieser Annahmen in der Praxis zuverlässig. Indien muss mehr tun.

Premierminister Narendra Modi hat denn auch versprochen, der TB in Indien bis 2025 ein Ende zu setzen. Es gibt Konzepte, um Angehörige besonders gefährdeter Gemeinschaften zu untersuchen und alle Infektionen zu erfassen. Schnellere Diagnosemethoden werden genutzt und Infektionen auf Antibiotika-Resistenzen überprüft. Laut Regierungsangaben wurden 2018 190 Millionen Menschen zusätzlich untersucht, wobei 47 000 Erkrankungen diagnostiziert wurden. Von 2016 bis 2019 hat Indien die TB-Ausgaben vervierfacht, wie die WHO berichtet. Das sind Schritte in die richtige Richtung, aber es muss noch viel mehr passieren.


Revolutionäre Impfung

Auf einer internationalen Mediziner-Konferenz der indischen Stadt Hyderabad präsentierten 2018 Forscher eines internationalen Teams einen revolutionär neuen Ansatz und stellten einen langfristigen Impfschutz in Aussicht. Der Impfstoff wird aus Bakterienproteinen hergestellt und löst eine Reaktion des Immunsystems aus. Bisherige Tests weisen darauf hin, dass es dann langfristig TB abwehren kann.

Der Impfstoff ist nicht zugelassen und wird frühestens in ein paar Jahren erhältlich sein. Klinische Tests waren aber in Südafrika, Kenia und Sambia erfolgreich. Möglicherweise wird die neue Methode eine Trendwende einleiten.

2018 setzen sich die UN das Ziel, bis 2030 TB auszurotten. Das ist nun Teil der Entwicklungsziele für Nachhaltigkeit (Sus­tainable Development Goals – SDGs), und dafür müssen Ressourcen mobilisiert werden.

2019 kamen Mitglieder der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) mit eigenen Mitteln für etwa die Hälfte der rund 7 Milliarden Dollar auf, die für TB-Behandlung aufgewendet wurde. Die internationale Gebergemeinschaft stellte dagegen laut WHO nur 900 Millionen statt der benötigten 2,7 Milliarden bereit. Die multilaterale Organisation urteilt, 10 Milliarden seien jährlich für Behandlung nötig (3 Milliarden mehr, als bislang zur Verfügung stehen), und für Forschung der Entwicklung würden weitere 2 Milliarden gebraucht (1,3 Milliarden mehr als bislang). Auch die internationale zivilgesellschaftliche Organisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans Frontières – MSF) fordert, die Gebergemeinschaft müsse mehr tun (siehe Beitrag von Florian Gaisrucker im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/03).


Roli Mahajan ist freie Journalistin.
roli.mahajan@gmail.com