Covid-19

EU sollte Patentaussetzung für Coronaimpfstoffe unterstützen

In der Pandemie darf Impfschutz kein Luxus sein, er muss allen zur Verfügung stehen. Wenn EU-Politiker früheren Aussagen gerecht werden wollen, müssen sie nun die Aussetzung der Patente für Coronavakzine unterstützen.
In Afrika haben allzu wenige ihre erste Spritze bekommen: Impfung in Dakar im Sommer 2021. picture-alliance/ASSOCIATED PRESS/Leo Correa In Afrika haben allzu wenige ihre erste Spritze bekommen: Impfung in Dakar im Sommer 2021.

Aktuelle Impfquoten belegen eklatante Ungleichheit weltweit. Mitte November hatten gut 52 Prozent der Weltbevölkerung ihre erste Spritze bekommen, dagegen waren es in Ländern mit niedrigen Einkommen den Statistiken von ourworldindata.org zufolge erst 4,6 Prozent.

Laut Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) sind bislang 5 Millionen Menschen wegen Covid-19 gestorben. Die Zahl steigt weiter. Experten weisen darauf hin, dass manche Staaten wohl nicht das ganze Ausmaß des Desasters amtlich dokumentieren. Die Pandemie tobt weiter. Wir werden die Gesamtmortalität noch lange nicht kennen.

Sie wird ohnehin nicht den gesamten Schrecken wiedergeben. Vielerorts sind die Intensivstationen überfüllt, sodass auch Patienten mit anderen Leiden nicht wie nötig versorgt werden. Routineprogramme sind ausgesetzt – und das betrifft auch die Bekämpfung von HIV/Aids, TB und Malaria (siehe Aenne Frankenberger auf unserer E+Z/D+C-Plattfom).

Beim Weltgesundheitsgipfel im Mai 2020 versprachen europäische Politiker Partnern aus Afrika, Asien und Lateinamerika, Vakzine würden – sobald erhältlich – als globales öffentliches Gut behandelt. Impfschutz dürfe kein Luxus sein, sondern müsse allen zur Verfügung stehen.

Es kam anders. Britannien, USA, Kanada und die EU begannen so schnell wie möglich ihre gesamte Bevölkerung zu immunisieren. Sie gaben viel Geld aus, sicherten sich massenhaft Impfdosen und monopolisierten dabei den Zugriff. Sie achteten nicht auf WHO-Konzepte für die weltweite Verteilung. Folglich konnte die internationale Initiative COVAX armen Ländern nicht wie versprochen 2 Milliarden Impfdosen bis Mitte 2021 zur Verfügung stellen.

Mittlerweile laufen in reichen Ländern Booster-Programme. Obendrein werden dort auch Kinder, die nur sehr selten einen schweren Covid-Verlauf erleiden, geimpft. In benachteiligten Weltregionen dagegen warten Hochrisikogruppen, einschließlich des Krankenhauspersonals, noch immer auf die erste Impfung. Das gilt besonders für Afrika. Die WHO hat mehrere Appelle lanciert, das zu ändern. Sie wird dabei von zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt, von denen sich viele dem internationalen Bündnis „The People’s Vaccine“ angeschlossen haben.

Es muss nun endlich Impfstoffproduktion in Entwicklungsländern aufgebaut werden. Das kann auch schnell geschehen, wenn intellektuelle Eigentumsrechte ausgesetzt und technisches Know-how geteilt wird. Sowohl die USA als auch Europa versprechen zwar, mehr Impfdosen zu spenden. Bisher war das aber immer zu wenig und kam zu spät. Obendrein ist ihre eigene Impfnachfrage jetzt auch größer als erwartet, während die Vorräte begrenzt bleiben. Reiche Länder mit hochentwickelten Pharmaindustrien müssen ärmeren Ländern jetzt helfen, dringend benötigte Kapazitäten zu schaffen.

Der erste Schritt dorthin ist die Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte, wie sie die Welthandelsorganisation (World Trade Organization – WTO) im TRIPS-Abkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) verankert hat. Der WTO-Gipfel vom 30. November bis 3. Dezember kann und muss entsprechende Entscheidungen fällen (siehe Achal Prabhala auf unserer E+Z/D+C-Plattform).

US-Präsident Joe Biden hat sich längst dafür ausgesprochen, und wenn die EU zustimmt, dürfte es auch geschehen. Politiker dürfen die Profite privater Unternehmen nicht über Menschenleben stellen. Da Staaten die Forschung, die zu Impfstoffen geführt hat, großzügig subventioniert haben, können sie die Industrie jetzt auch mit gutem Gewissen drängen, relevantes Wissen mit Partnern in Entwicklungsländern zu teilen.


Mirza Alas ist Doktorandin am University College Dublin (UCD) und berät das South Centre, den Thinktank in Genf, der Entwicklungs- und Schwellenländern gehört. Hier äußert sie ihre persönliche Meinung, die nicht mit der des South Centre oder seiner Mitgliedsländer übereinstimmen muss.       
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