Entwicklung und
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Eingeschränktes Wachstum

Schuldenkrisen erfordern schnelleres multilaterales Handeln

Das Common Framework for Debt Treatments der der G20 ist sinnvoll, aber noch nicht voll funktionstüchtig. Erdrückende Schuldenlasten plagen weiterhin zu viele Länder mit niedrigen und mittleren Durchschnittseinkommen.
2020 vereinbarte der G20-Gipfel während der Corona-Pandemie das Common Framework for Debt Treatments. picture alliance / Xinhua News Agency / Rao Aimin 2020 vereinbarte der G20-Gipfel während der Corona-Pandemie das Common Framework for Debt Treatments.

Nach der Corona-Pandemie standen viele Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen vor Finanzkrisen. Schuldenberge wuchsen, während Zinssätze international stiegen. Staatspleiten schienen wahrscheinlich.

Die befürchtete Pleitenwelle blieb aus, und Renditenaufschläge für Anleihen aus Entwicklungsländern sind auf das Niveau von vor der Pandemie zurückgekehrt. Das heißt, ihre Zinssätze liegen nicht viel höher als die der Industrieländer, was für wachsendes Vertrauen von Investor*innen spricht. Länder wie Benin, die Elfenbeinküste, Kenia und Senegal konnten in den vergangenen Monaten sogar neue Anleihen ausgeben. Seit 2022 gibt es auch wieder weniger Staatspleiten und Anträge auf Schuldenumstrukturierungen. Die letzte schwere Krise erfasste 2023 Ghana.

Ein weiterer Lichtblick: Seit März 2024 senken die US-Notenbank und andere führende Zentralbanken ihre Zinssätze allmählich. Sie verbessern so die finanziellen Bedingungen für Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Dennoch bleibt die Lage in einigen Staaten mit gravierenden Schuldenproblemen schwierig. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) stecken rund 15 Prozent der Länder mit niedrigen Einkommen in Schuldenkrisen, und für weitere 40 Prozent war das Krisenrisiko hoch. Schuldenerlass oder zumindest Liquiditätssicherung schienen oft unausweichlich.

Entwicklungsbremse

Hohe Verschuldung bremst auch die wirtschaftliche Entwicklung zahlungsfähiger Staaten. Hohe Zinskosten und schwankende Wechselkurse belasten nationale Haushalte selbst dann, wenn die Wirtschaft wächst. Auch solventen Ländern drohen Pleiten, sollten sie vorübergehend illiquide werden und deshalb Verpflichtungen nicht pünktlich erfüllen, die sie mit etwas Verzögerung leicht erfüllen könnten.

Vorrangig unterstützt werden müssen deshalb jetzt Länder, die kurz vor solch einer Liquiditätskrise stehen, aber ihre Schulden durchaus noch tragen können. Wird jetzt nicht schnell und wirksam gehandelt, werden später schwierigere und teurere Schritte notwendig sein. Rasches Handeln kann zusätzliche Investitionen und Wachstum auslösen. Wenn sich aber wiederholte Schuldenumstrukturierungen über Jahre hinziehen, ist das mit hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten verbunden.

Laut IWF wendeten im Jahr 2023 Länder mit niedrigen Durchschnittseinkommen im Schnitt mehr als 14 Prozent ihrer Staatseinnahmen für die Bedienung von Auslandsschulden auf. Zehn Jahre zuvor waren es nur sechs Prozent. Der IWF erwartet, dass die betroffenen Länder jährlich nun rund 60 Milliarden Dollar für den Schuldendienst aufwenden müssen. Von 2010 bis 2020 lag der Vergleichswert bei nur 20 Milliarden Dollar. Angesichts dieser Entwicklung scheinen Nachhaltigkeitsziele für Armutsbekämpfung und Klimaresilienz vielerorts utopisch.

Wachstumsorientierte Schuldenpolitik ist nötig. Länder mit niedrigen Einkommen können sich nämlich nicht auf dieselbe Weise gegen Krisen wappnen wie Industrieländer. Während der Finanzkrise von 2008 und der Covid-19-Pandemie nahmen Länder mit hohen Einkommen massiv Schulden auf und betrieben zeitweise eine expansive Haushaltspolitik, die später wieder umgekehrt wurde. Zugleich halfen Sozialleistungen, die Folgen von Arbeitslosigkeit abzufedern. Ärmeren Ländern fehlen dafür aber die Mittel.

Schritte in die richtige Richtung

Gut ist jedenfalls, dass die internationale Gemeinschaft Fortschritte bei der Schuldenbewältigung macht. Im November 2020 verabschiedeten die G20 das Common Framework for Debt Treatments (CF), ein multilaterales Instrument zur Umstrukturierung und zum Erlass übermäßiger Staatsschulden. Das CF reicht nicht aus, um alle akuten Probleme zu lösen, aber es hat große Stärken:

  • Unsere geopolitisch zunehmend fragmentierte Welt hat nun ein koordiniertes multilaterales Verhandlungsverfahren für Schuldenumstrukturierungen.
  • Es bezieht alle relevanten Gläubigerkategorien ein – privat, staatlich und multilateral – und nicht nur den Pariser Club, der ausschließlich die etablierten Wirtschaftsmächte wie etwa die G7 vertritt. Auch China und andere Schwellenländer machen mit. Das ist wichtig, selbst wenn es Zeit erfordert, Vertrauen und gemeinsame Regeln zu schaffen.
  • Da sich die internationale Gemeinschaft nicht auf ein gemeinsames, rechtsverbindliches System zur Bewältigung von Staatsschuldenproblemen eingelassen hat, ist das CF ein alternativlos pragmatischer Lösungsansatz.
  • Das CF kann – und sollte – weiterentwickelt werden. Derzeit gilt es nur für Länder mit niedrigen Einkommen, obwohl auch einige mittlere Einkommensländer mit Schulden ringen. Ein zusätzlicher Mechanismus, um Not leidenden Ländern vorübergehende Liquiditätshilfen zu bieten, wäre sinnvoll. Denn schneller und transparenter Zugang zu Liquidität könnte das Stigma von Umschuldungsverhandlungen mindern und zur Beantragung ermutigen. Der Erfolg des CF hängt von der Zusammenarbeit des Pariser Clubs mit den Schwellenländern – und besonders China – ab. Das sieht in der aktuellen geopolitischen Lage schwierig aus, ist aber, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, durchaus möglich.

Das Tempo muss steigen

Bisher verlaufen Verhandlungen noch schleppend, doch das Tempo erhöht sich allmählich. Die Verhandlungen mit Ghana über Umstrukturierung dauerten nur noch etwa halb so lange wie zuvor die mit dem Tschad (2021) und Sambia (2022).

Auch die Fälle von zwei Ländern mit mittleren Einkommen – Surinam und Sri Lanka – wurden nach CF-Regeln angegangen. Dabei gelten sie eigentlich nicht für sie. Sri Lanka war der zweite Fall, und die Gespräche kamen schneller voran als zuvor bei Surinam.

Die beteiligten Parteien gewinnen eine gewisse Routine. Sie wissen zunehmend, was sie erwartet, und gehen Hürden gemeinsam an. Sie einigen sich auf Maßnahmenpakete, ohne sofort alle Details zu klären, und befähigen so den IWF, Liquiditätshilfen einzuleiten. Es steht ja fest, dass es zu Zugeständnissen bei der Schuldenlast oder dem Schuldendienst kommen wird.

Wichtig war auch die Gründung des Global Sovereign Debt Roundtable (GSDR) im Jahr 2023 als gemeinsame Initiative von G20, IWF und Weltbank. Der GSDR dient dazu, Fachfragen und Methodik zu besprechen. Wie beim CF sind alle relevanten Gläubigerkategorien involviert.

Ein zentrales Thema bleibt jedoch die „vergleichbare Behandlung“ privater und staatlicher Gläubigerinstitutionen. Während der CF diese grundsätzlich in Aussicht stellt, gibt es noch keine klare und für alle Umstrukturierungsmodelle passende Definition von „Vergleichbarkeit“.

Private Gläubiger*innen spielen mittlerweile eine zunehmend wichtige Rolle. Bislang wurde dieser Sektor erst am Ende von Verhandlungen einbezogen. Das Problem ist aber, dass niemand bereit ist, Zugeständnisse zu machen, ohne zu wissen, welche Bedingungen für die anderen Parteien gelten. Der GSDR sollte sich darum kümmern, dass über bilaterale und private Schulden parallel verhandelt wird.

Es gibt insgesamt gute Fortschritte. Es muss aber noch mehr geschehen – je schneller, desto besser. In seiner jetzigen Form ist das CF noch nicht voll funktionstüchtig. Viele Länder bräuchten eine Garantie, dass sie auf diesem Weg tatsächlich eine signifikante Schuldenumstrukturierung oder neuen Zugang zu Finanzmärkten bekommen. Zudem ist es leider noch immer mit einem Stigma behaftet, um bessere Schuldendienstbedingungen zu bitten.

José Siaba Serrate ist Ökonom an der Universität Buenos Aires und an der Universität für Makroökonomische Studien (UCEMA). Er ist außerdem Mitglied des argentinischen Rates für Internationale Beziehungen (CARI). 
josesiaba@hotmail.com