Übermäßige Staatsverschuldung
Was die G7 mit Blick auf Schuldenkrisen tun sollten
Anders als in früheren Schuldenkrisen können die etablierten Wirtschaftsmächte heute nicht mehr allein über Lösungen entscheiden. Es bedarf der Zusammenarbeit ihres Pariser Clubs mit China und anderen aufstrebenden Schwellenländern. Die G7 könnten einiges tun, um die Weiterentwicklung des Common Framework for Debt Treatments (CF) voranzutreiben.
Lehren aus den 1980er-Jahren
Die Vergangenheit zeigt: Private Gläubigerinstitutionen sind bereit, Verluste hinzunehmen, wenn sie sicher sein können, dass die verschuldeten Staaten dann wieder in die Lage kommen, die verbleibenden Kredite zu bedienen. So war das bei dem sogenannten Brady-Plan in den 1980er- und 1990er-Jahren. Er war benannt nach dem damaligen US-Finanzminister Nicholas Brady, der Lateinamerikas Schuldenprobleme anging. Sein Konzept bewies: Großzügigkeit zahlt sich aus, wenn sie mit stimmigen Anreizen verbunden ist.
Von 1989 bis 1994 erließen private Gläubigerinstitutionen Schulden im Umfang von 61 Milliarden Dollar. Das war rund ein Drittel der ausstehenden Gesamtschulden. Die Volkswirtschaften erholten sich und zahlten die verbleibenden zwei Drittel zurück.
Es dauerte fast zehn Jahre, den Brady-Plan umzusetzen. Damals waren Geschäftsbanken die wichtigsten Kreditgeber. Bevor sie bereit waren, Verluste zu akzeptieren, mussten sie ihren Kapitalstock auffüllen, um nicht selbst in Finanzprobleme zu geraten.
Die 18 verschuldeten Länder, die am Brady-Plan teilnahmen, verpflichteten sich zu Wirtschaftsreformen, um ihre verbleibenden Schulden dann wirklich begleichen zu können. Die ausstehenden Anleihen wurden in „Brady Bonds“ umgewandelt, deren Rückzahlung die USA und in geringerem Maße andere Staaten mit Unterstützung der internationalen Finanzinstitutionen garantierten. Das war ein starker Anreiz für die Teilnahme der Banken. Dass die USA Verantwortung übernahmen, war erfolgsentscheidend.
Ein ähnlicher Ansatz könnte bei der Bewältigung aktueller Schuldenprobleme helfen. Wieder wäre internationale Zusammenarbeit nötig, aber ebenso ambitionierte Reformen der verschuldeten Länder. Jedes Maßnahmenpaket muss helfen, mehr Steuern einzutreiben (was im Fachjargon „Mobilisierung inländischer Ressourcen“ heißt). Nötig sind zudem strukturelle Reformen zur Schaffung von Flexibilität und Haushaltsspielräumen.
Ohne starke Finanzhilfen und kompetente Beratung sind hochverschuldete Entwicklungsländer zu solchen Reformen jedoch nicht fähig. Ihre Volkswirtschaften stagnieren dann weiter.
Was die G7 jetzt tun sollten
Die G7 sollten deshalb nun mit Unterstützung von IWF und Weltbank auf neue Regeln drängen. Sie sollten auch großzügige Klimafinanzierung anbieten. Derlei würde helfen, China und andere große bilaterale Gläubiger, die nicht zum Pariser Club gehören, einzubinden.
Sinnvoll wären auch Gesetzesreformen in Großbritannien und im US-Bundesstaat New York. New York City und London sind die wichtigsten globalen Finanzzentren. 2020 unterlagen deshalb schätzungsweise 52 Prozent der international gehandelten Staatsanleihen New Yorker Recht und weitere 45 Prozent britischem Recht. In beiden Rechtsräumen könnten Reformen starke Gläubigermehrheiten dazu befähigen, verbindliche Vereinbarungen zu treffen, die dann für die ablehnende Minderheit gelten würden. Sinnvoll wären beispielsweise Zwei-Drittel-Mehrheiten.
Zwei kürzlich geschlossene Schuldenabkommen – für Sri Lanka und Surinam – enthalten dagegen Klauseln, die Privatanleger den Ort für mögliche Gerichtsverfahren wechseln lassen. Das ist offensichtlich kontraproduktiv. Deshalb sollte eine internationale Vereinbarung solche Fluchtoptionen unterbinden. Das kann der Pariser Club aber nicht allein umsetzen.
Generell gilt: Die Rechtssysteme müssen aufeinander abgestimmt werden und mit einheitlichen Regeln arbeiten. Ein neues Rechtssystem sollte Gläubigerinstitutionen weltweit zur Zusammenarbeit bei der Umstrukturierung von Staatsschulden verpflichten. Bislang bedeutet für manche Geschäftsbanken die Teilnahme daran nämlich noch das Risiko, treuhänderische Pflichten gegenüber Kund*innen, die in Anleihen investiert haben, zu verletzen. Internationale Regeln sollten zudem verhindern, dass Staatsvermögen beschlagnahmt wird, während sich eine Regierung ernsthaft um Umstrukturierung bemüht.
Westliche Entscheidungsträger*innen sollten zudem bedenken, dass sich chinesische Banken heute vielleicht in einer ähnlichen Lage befinden wie US-Banken in der frühen Phase des Brady-Plans. Letztere wollten zum Schutz ihrer Kapitalbasis damals keine Verluste akzeptieren. Sollte es heute chinesischen Banken so gehen, würde dies erklären, warum China sich in jüngsten Umstrukturierungsgesprächen gegen Schuldenerlasse gewehrt hat, aber bei der Vertagung von Zahlungen großzügig war.
Viele Länder benötigen Schuldenerleichterungen. Folglich ist faire Lastenteilung nötig, um das CF so weiterzuentwickeln, dass es seinen Zweck voll erfüllt.
José Siaba Serrate ist Ökonom an der Universität Buenos Aires und an der Universität für Makroökonomische Studien (UCEMA). Er ist außerdem Mitglied des argentinischen Rates für Internationale Beziehungen (CARI).
josesiaba@hotmail.com