Staatsschulden
Wie Sri Lanka bei der Umstrukturierung von Staatsschulden vorankommt
Sri Lankas Regierung wurde im April 2022 zahlungsunfähig. Aus mehreren Gründen konnte sie ihre Schulden nicht mehr bedienen. Das lag zum Beispiel an der Covid-19-Pandemie, die den wichtigen Tourismus einbrechen ließ und die Inflation antrieb, weil Energie- und andere wichtige Importe teurer wurden. Zugleich zeigte sich, dass verschiedene Regierungen unter Mitgliedern der Rajapaksa-Familie ausländisches Kreditgeld mit ökonomisch sinnlosen Projekten zum Ruhm der Staatschefs vergeudet hatten.
Die Staatspleite vertiefte die Rezession und löste einen politischen Aufstand aus. Präsident Gotabaya Rajapaksa floh ins Ausland, kehrte später aber zurück. Das Parlament machte Ranil Wickremesinghe zu seinem Nachfolger. Die Armut wurde dennoch schlimmer. Lebenswichtige Importe wurden für viele Menschen unerschwinglich. Auch wer noch über genug Kaufkraft verfügte, musste oft lange Schlange stehen – und zwar manchmal umsonst, wenn Vorräte ausliefen.
Die wichtigste Aufgabe des neuen Staatschefs war also die Stabilisierung der Wirtschaft. Schwierig war das unter anderem, weil Sri Lanka Kredite von sehr unterschiedlichen Institutionen bezogen hatte. Bei Schuldenkrisen vieler Länder um die Jahrtausendwende waren die Dinge weniger kompliziert. Damals waren die wichtigsten Kreditgeber multilaterale und bilaterale Geberinstitutionen. Als westliche Regierungen endlich einsahen, dass Schuldenerlass unvermeidlich war, sorgten sie dafür, dass er geschah. Heute sind aber noch andere Parteien in Sri Lankas und ähnliche Schuldenkrisen anderer Länder involviert.
Viele verschiedene Interessen
Sri Lankas Auslandsschulden belaufen sich derzeit auf mehr als 37 Milliarden Dollar. Dazu gehören international verkaufte Staatsanleihen im Nennwert von 12 Milliarden. Gegenüber multilateralen Banken ist das Land mit 11 Milliarden Dollar verschuldet, gegenüber chinesischen Institutionen mit 9 Milliarden und mit über 5 Milliarden bei bilateralen Einrichtungen anderer Länder.
Sri Lanka braucht mit all diesen Parteien Verhandlungsergebnisse, hat dafür aber kein einheitliches Forum. Die Gespräche sind schwierig, weil jeder Kreditgeber sicherstellen will, das andere nicht von seinen Konzessionen profitieren. Sri Lankas Regierung kann die verschiedenen Parteien auch schwerlich gegeneinander ausspielen.
Ende 2020 einigte sich die Wickremesinghe-Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf ein Rettungspaket. Es war mit harten Sparmaßnahmen verbunden, welche die sozioökonomischen Hoffnungen, die den Volksaufstand angetrieben hatten, zunichtemachten. Andererseits ermöglichte das frische Geld der Regierung, wieder normal zu funktionieren. Es erneuerte auch in gewissem Umfang das Vertrauen der Finanzmärkte.
Eine weitere IWF-Auflage ist, dass Sri Lanka Schuldenumstrukturierung erreichen muss. Die Auszahlung verschiedener Tranchen des Rettungspakets hängt vom Fortschritt ab, der dabei gemacht wird. Weil alle Kreditgeber wissen, dass sie ihr Geld nie vollständig zurückbekommen werden, gibt es Anreize zu Kompromissen. Zugleich wollen aber private Anleger, westliche Regierungen und die Regierung großer Schwellenländer sicherstellen, dass sie selbst möglichst wenig verlieren und andere den Hauptteil der Last übernehmen.
China ist ein besonders schwieriger Partner
Die Volksrepublik China erweist sich in diesem Zusammenhang als besonders schwieriger Partner. Indien ist ebenfalls ein wichtiger bilateraler Kreditgeber, hat sich aber mit Japan, Frankreich und anderen Ländern im Official Creditor Consortium (OCC) zusammengetan. Ende Juni einigte sich das OCC mit Sri Lanka auf ein Umschuldungsabkommen.
Die beiden wichtigsten chinesischen Kreditgeber sind die China Exim-Bank und die China Development Bank. Sie verhandeln jeweils einzeln mit der Regierung in Colombo. Es handelt sich um staatliche Institutionen, aber das Regime in Peking will sie als eigenständig behandelt sehen. Die Exim-Bank hat dem OCC-Beispiel folgend ein eigenes Abkommen mit Sri Lanka geschlossen, aber die Verhandlungen mit der Development Bank laufen weiter.
Der Hambantota Port zeigt exemplarisch, wie dramatisch Staatsschulden fehlschlagen können. Diese Geschichte ist alt. Der Hafen und die umliegende Infrastruktur wurden mit Geld von der Exim-Bank gebaut und 2010 eingeweiht. Der Containerverkehr blieb aber hinter den Erwartungen zurück, sodass Sri Lankas staatliche Hafengesellschaft schon bald die Kredite nicht mehr bedienen konnte. Daraufhin wurde die staatliche China Merchants Port Holding Company Limited (CMPort) zum Mehrheitseigner des Hafens und entscheidet nun 99 Jahre lang über Nutzung und Ausbau.
Andere Vorhaben schlugen ebenfalls fehl, darunter ein Flughafen und ein Kricketstadium. Fatal war, dass China sich bei der Kreditvergabe nicht für Fragen der Regierungsführung interessiert. Chinesische Staatsbanken finanzieren bereitwillig, was nationale Regierungen vorschlagen. Manche Protzprojekte der Rajapaksa waren ökonomisch sinnlos. Sie tragen nichts zum Gemeinwohl bei, sehr wohl aber zu dem Schuldenberg, der heute den Menschen das Leben schwer macht.
Dank der aktuellen Abkommen mit der OCC und der Exim-Bank muss Sri Lanka Kredite im Wert von 10 Milliarden Dollar nun später und zu niedrigeren Zinsen zurückzahlen als ursprünglich vereinbart. Nachdem diese bilateralen Kreditgeber Konzessionen gemacht hatten, zeigte sich auch die private Finanzanlegergruppe zu Kompromissen bereit. Anfang Juli schloss sie einen Vertrag mit Sri Lanka, der Fristen verlängert, Zinsen senkt und sogar 28 Prozent der ausstehenden Schuld streicht. Sollte aber das Wirtschaftswachstum stärker ausfallen als erwartet, müsste die Regierung doch 85 Prozent des Nennwerts der Anleihen und nicht nur die gerade vereinbarten 72 Prozent erstatten.
Die verschiedenen Abkommen verschaffen Sri Lankas Regierung neuen Finanzspielraum. Sie ermöglichen aber nicht den Neustart, den ein Schuldenerlass bringen könnte. Besonders das Abkommen über die Staatsanleihen ist ambivalent, weil sein tatsächlicher Umfang sich erst noch erweisen muss.
Es wird besser, aber nicht unbedingt gut
Es bleibt zwar noch viel zu tun, aber Wickremesinghes Regierung hat ohne Zweifel einiges erreicht. Jedenfalls zahlt der IWF die nächste Tranche aus. Im Oktober stehen Wahlen an, und der Präsident kann den Wähler*innen sagen, es werde besser. Ihm zufolge musste Sri Lanka 2022 neun Prozent der Wirtschaftsleistung für den Schuldendienst aufbringen, aber diese Quote soll allein wegen der bilateralen Abkommen von 2027 bis 2032 unter 4,5 Prozent fallen.
Ob die Dinge wirklich gut werden, statt nur besser, steht auf einem anderen Blatt. Dieses Jahr wird der Schuldendienst jedenfalls mehr als die Hälfte der Staatsausgaben Sri Lankas aufzehren. Manche Beobachter warnen, Schuldenprobleme seien nicht so sehr beendet wie vertagt. Offensichtlich steht auch jede Rupie, die aufgrund der Schulden ins Ausland fließt, für heimische Politik zur Erreichung der Entwicklungsziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development) nicht zur Verfügung.
Die aktuellen Entwicklungen Sri Lankas zeigen, dass ein Internationales Insolvenzverfahren für souveräne Staaten nützlich wäre. Es würde alle Kreditgeber in kohärente Verhandlung mit festen Regeln einbinden.
Solch einen Mechanismus zu schaffen würde aber globalen Konsens erfordern – und der ist wenig wahrscheinlich in einer Zeit, in der China und westliche Länder sich zunehmend als systemische Gegner wahrnehmen (siehe Interview mit Vannessa Wannicke).
Arjuna Ranavana ist ein Wirtschaftsjournalist aus Sri Lanka.
arjuna.ranawana@outlook.com