Wiedergutmachung

Worte sind nicht genug

Vor einem Jahr reiste der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Tansania, um sich für die deutschen Gräueltaten während der Kolonialzeit zu entschuldigen. Das war ein Novum, aber genügt nicht.
Bundespräsident Steinmeier mit Nachfahren der Held*innen des Maji-Maji-Aufstandes in Songea. picture-alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka Bundespräsident Steinmeier mit Nachfahren der Held*innen des Maji-Maji-Aufstandes in Songea.

„Ich bitte Sie um Vergebung für das, was Deutsche Ihren Vorfahren angetan haben“, sagte Steinmeier bei einer Zeremonie im Oktober 2023 im Maji Maji Memorial Museum in Songea im Süden Tansanias. Songea ist nach Chief Songea Mbano benannt – einem der 60 Oberhäupter der Ngoni, die sich gegen die Fremdherrschaft widersetzt hatten und 1906 an einem einzigen Tag von deutschen Kolonisten hingerichtet wurden.

Steinmeier stand vor ihren Gräbern, als er sich entschuldigte. Die Oberhäupter waren im Zuge des sogenannten Maji-Maji-Aufstands zwischen 1905 und 1907 hingerichtet worden. Dabei starben bis zu 300 000 Menschen. Die meisten verhungerten, denn die Deutschen gingen mit „verbrannter Erde“ gegen den Widerstand vor – sie brannten Felder und Ernten nieder, sodass die Menschen nichts mehr zu essen hatten. Der Maji-Maji-Aufstand ist auch heute noch ein wichtiger Teil des historischen Selbstverständnisses Ostafrikas und gehört zum Geschichtsunterricht schon in der Grundschule.

Mit Steinmeier bekannte sich erstmals ein deutsches Staatsoberhaupt öffentlich zu den kolonialen Gräueltaten seines Landes. Die Entschuldigung blieb jedoch hinter den Forderungen nach Wiedergutmachung, Entschädigung und vor allem Rückgabe der sterblichen Überreste der ethnischen Führungsfiguren zurück, von denen sich die meisten noch in Deutschland befinden.

Der Schädel von Häuptling Songea ist einer von zahlreichen Köpfen, die die Deutschen abgetrennt und nach Deutschland verschifft haben (siehe Kasten). Steinmeiers Rede legte dar, dass dieser noch nicht gefunden wurde – die Identifizierung von „vielleicht Tausenden von Schädeln“ in Museen und anthropologischen Sammlungen ist selbst für Fachleute eine Herausforderung.

Wiedergutmachung und Rückführung

Die Nachkommen der Opfer der Kolonialherrschaft wollen heute ganz klar mehr als Worte. Sie fordern Entschädigungen und die Rückführung der sterblichen Überreste ihrer Oberhäupter und Vorfahren.

Der 90-jährige Haji Abdulkarim ist ein Enkel Chief Songeas. „Sie sollten alle Schädel und sterblichen Überreste zurückgeben, damit wir unsere Vorfahren mit dem gebührenden Respekt und unserer Kultur gemäß bestatten können“, sagt er.

Die Nachfahren fordern auch finanzielle Entschädigung für den Kolonialismus und die damit verbundenen Grausamkeiten. Abdulkarim sagt: „Die Entschuldigung ist bedeutungslos, wenn die Familien nicht finanziell für das von den Kolonisten verursachte Leid entschädigt werden.“

Die Kolonisten waren Leute wie Carl Peters, ein rücksichtsloser und brutaler Kolonialverwalter, der für die Kolonisierung des damaligen Deutsch-Ostafrikas und der heutigen Länder Tansania, Burundi und Ruanda verantwortlich war. Wegen seiner Grausamkeit gegenüber der einheimischen Bevölkerung erhielt Carl Peters den Namen „mkono wa damu“ – Kiswahili für blutbefleckte Hände. Dass sein Name in Ostafrika bis heute unvergessen ist, unterstreicht die allgemeine Ansicht, dass Deutschland mehr tun muss, um seine kolonialen Verbrechen aufzuarbeiten.

Jene, die finanzielle Entschädigung für Tansania und andere afrikanische Länder fordern, verweisen auch auf deutsche Zahlungen nach dem Holocaust. Es ist dokumentiert, dass sich Deutschland 1952 mit Israel auf die Zahlung von rund 714 Millionen Dollar einigte, nachdem Israel eine Forderung im Zusammenhang mit der Umsiedlung von 500 000 Jüdinnen und Juden, die aus von den Nazis kontrollierten Ländern geflohen waren, gestellt hatte.

Zwischen 1904 und 1908 begingen deutsche Kolonisten einen Genozid an 24 000 bis 100 000 Ovaherero und 10 000 Nama im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia). Ovaherero und Nama kämpfen noch immer um eine angemessene Entschädigung für die getöteten Menschen.

Lawrence Kilimwiko ist Journalist in Daressalam.
lkilimwiko@yahoo.com