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Restitution

Die Rückkehr der Benin-Objekte

Mit einer Ausstellung verabschiedet sich das Hamburger Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) von Kunstwerken aus dem alten Königreich Benin, die in der Kolonialzeit geraubt wurden. Die ersten Artefakte sollen in diesem Jahr an Nigeria zurückgegeben werden.
: Gedenkköpfe von Königen des alten Benins, Gelbguss einer Werkstatt der Bronzegießergilde Igun Eronmwon. Schwarzer : Gedenkköpfe von Königen des alten Benins, Gelbguss einer Werkstatt der Bronzegießergilde Igun Eronmwon.

Die Ausstellung zeigt 179 historische Kunstwerke aus Bronze, Elfenbein und Holz, die aus der alten Stadt Benin stammen und der Königsfamilie gehörten. Noch in diesem Jahr sollen sie zusammen mit rund 1000 weiteren Objekten aus Beständen anderer deutscher Museen an Nigeria zurückgegeben werden (zur Restitutionsdebatte siehe Beitrag von Sabine Balk auf www.dandc.eu).

Wie in der Ausstellung in einer Chronik dokumentiert, fordern der Staat Nigeria und das heute noch existierende Königshaus Benin seit Jahrzehnten die gestohlenen Werke von Museen in Europa und den USA zurück. „Es ist höchste Zeit, dieses Unrecht wieder gut zu machen“, sagte der Generaldirektor der nigerianischen National Commission for Museums and Monuments, Abba Isa Tijani, bei der Eröffnung und fragte: „Warum sollten wir diesen großen Fehler der Kolonialzeit billigen?“ Er lobte die Ausstellung, sie sei der Beginn der Rückkehr der Benin-Bronzen nach Nigeria.

Die Rückgabeankündigung aus Hamburg wirkt laut Tijani wie ein Katalysator für Verhandlungen mit anderen Museen. Die Bedeutung könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er freue sich sehr auf die zukünftige Kooperation mit deutschen Museen und die neuen Formen der Zusammenarbeit, so Tijani.

Entstanden sind die Artefakte in verschiedenen Jahrhunderten am Hof von Benin. Die Adeligen bezahlten Kunsthandwerker für die Darstellung wichtiger Ereignisse in der Geschichte des Königreichs. In aufwändigen Bronzeskulpturen und Schnitzwerken aus Elfenbein und Holz hielten sie die Thronfolgen fest oder zeigten den Handel mit portugiesischen Seefahrern. Manillas, Armreifen aus Messing und Kupfer, waren Zahlungsmittel und wurden ebenfalls auf den Bronzeplatten, die meist aus der Zeit des 16. und 17. Jahrhundert stammen, dokumentiert. Die Direktorin des MARKK, Barbara Plankensteiner, stuft die Objekte als „herausragende Kunstwerke von weltgeschichtlichem Rang“ ein.

Ein Teil des Messings, so zeigt die Ausstellung anhand einiger Objekte, stammte auch aus zentraleuropäischen Förderstätten und gelangte im 16. Jahrhundert über Handelsfirmen aus deutschen Landen über Hamburg und Antwerpen nach Westafrika. Die Beniner Herrscher tauschten das kostbare Metall gegen Elfenbein und Gewürze – und auch gegen in Kriegen versklavte Menschen. Letztere wurden auf den Sklavenmarkt im portugiesischen Lagos und später auf die Plantagen in die Karibik verschleppt.

Die Hamburger Ausstellung zeigt Fotos, die den Raub der Kunstwerke aus Benin Ende des 19. Jahrhunderts dokumentieren. Mit Maschinengewehren griff 1897 eine Truppe britischer Soldaten die Stadt an. Schon lange war das britische Empire erpicht darauf, freien Zugang zur Stadt und zum Handel zu bekommen – und den König abzusetzen. Die Militärs wussten um die vorhandenen Schätze und planten das Raubgut zur Finanzierung des Angriffs ein. Kurze Zeit nach der britischen Invasion tauchten die Kunstwerke in London und Hamburg auf. Insgesamt sollen 3000 bis 5000 Objekte geplündert worden sein.

Erforschung der Handelsnetzwerke

Ein weiterer Aspekt der Ausstellung widmet sich den damaligen Handelsnetzen: Gaiser, Umlauff, Konietzko, Brinkmann – lauten einige Namen von Personen und Handelshäusern. Sie sind mit Pfeilen untereinander, aber vor allem mit dem Völkerkundemuseum, dem heutigen MARKK verbunden. Diese Installation sieht wie eine Polizei-Pinnwand aus, die Zielfahnder angelegt haben, um einem Hehlernetzwerk auf die Spur zu kommen.

Doch die Polizei hat nie in diesem Fall ermittelt. Unbehelligt haben sich Kapitäne, Kolonialbeamte und Kaufleute am Verkauf der gestohlenen Objekte bereichert. Erst heute beginnen Museen und Wissenschaft, diese Handelsnetzwerke zu erforschen. Alle Werke des weltweit verteilten Raubgutes will man zumindest digitalisieren und auf der neuen Online-Plattform „Digital Benin“ veröffentlichen. Diese Datenbank soll auch als eine Basis für eine Ausstellung des geplanten Edo Museum of West African Art (EMOWAA) in Benin-Stadt dienen.

Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda verbindet mit dieser Ausstellung, „das klare Versprechen, dass alle sich in Hamburg befindenden Benin-Objekte restituiert werden“. Allerdings könne Hamburg als Bundesland nicht allein über die Rückgabe entscheiden, da zwei Staaten an dem Verfahren beteiligt sind. Es könne aber Vorbereitungen treffen, wie etwa die Eigentumsübertragung in den Hamburger Stadthaushalt einzupflegen. Den Wert der Artefakte habe man auf 60 Millionen Euro taxiert. Die Ausstellung soll solange in Hamburg laufen, bis einzelne oder alle Objekte zurückgegeben sind.

Das MARKK beschäftigt sich intensiv mit Fragen rund um Herkunft, Urheberschaft und die Restitution von Objekten aus der Kolonialzeit (siehe dazu auch meinen Beitrag im Sommer Special auf www.dandc.eu).


Link
Digital Benin:
https://digital-benin.org/


Anke Schwarzer ist freiberufliche Redakteurin und arbeitet als Dozentin in der historisch-politischen Erwachsenenbildung.
hallo@ankeschwarzer.com