UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung
UNDP meldete wachsende Ungleichheit
Der Index der menschlichen Entwicklung (HDI – Human Development Index), den das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP – United Nations Development Programme) jährlich ermittelt, ist aktuell auf dem höchsten globalen Wert aller Zeiten. Er liegt aber unter dem Niveau, das vor der Coronapandemie vorhergesagt wurde. Außerdem moniert die UN-Organisation die partielle und ungleiche Entwicklung.
Der diesjährige Human Development Report des UNDP trägt den Titel: „Breaking the gridlock: Reimagining cooperation in a polarized world“. Er belegt, dass sich die Welt nicht vollständig von den zahlreichen Krisen der letzten Jahre erholt hat. 18 von 35 der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs – Least Developed Countries), deren HDIs Rückschläge erlitten, haben noch nicht wieder ihre Werte von vor 2020 erreicht. Dagegen liegen alle Mitglieder der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development), der Länder mit hohen und hohen mittleren Einkommen angehören, mittlerweile über den Vergleichswerten von vor der Pandemie.
Die beträchtlichen Entwicklungsunterschiede verschärfen laut UNDP Ungleichheiten zwischen den Ländern. Die Ärmsten blieben zurück. Kriege im Gazastreifen, in der Ukraine und im Jemen machten über Generationen hinweg erzielte Fortschritte in der menschlichen Entwicklung zunichte, für deren Beurteilung das UNDP nicht nur Einkommensdaten auswertet, sondern sich auch auf Bildungs- und Gesundheitsstatistiken stützt.
Rückschläge in Afghanistan und der Ukraine
Die Rückschläge sind in Afghanistan und der Ukraine besonders deutlich, wie das UNDP berichtet. Der HDI Afghanistans ist um zehn Jahre gesunken. Die Ukraine wurde auf den Stand von 2004 zurückversetzt.
Bis 2019 war die Welt laut UNDP auf dem Weg, 2030 einen durchschnittlich „sehr hohen“ HDI-Wert zu erzielen und damit die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) zu erreichen. Das Ziel liege nun in weiter Ferne. Der globale HDI-Wert ist zwar wieder höher als vor der Pandemie, aber die Fortschritte sind geringer, als der Trend vor der Pandemie erwarten ließ.
Unzureichende Reaktionen auf die Coronapandemie, zaghafte Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels und zunehmende geopolitische Spannungen: Das Scheitern kollektiver Maßnahmen behindert aus Sicht der UNDP-Fachleute nicht nur die menschliche Entwicklung, sondern verschärft auch Polarisierung.
Demokratieparadoxon
Der Bericht argumentiert, ein „Demokratieparadoxon“ hemme internationale Zusammenarbeit: 90 Prozent der Menschen weltweit befürworteten Demokratie, jedoch unterstützten mehr als die Hälfte der Befragten Regierungen, die Demokratie und Multilateralismus bedrohen. Diese Entwicklung zeichne sich in Nord und Süd ab. Weltweit gewännen in immer mehr Ländern politische Parteien Unterstützung, die die Grundpfeiler der Demokratie unterminieren und schwächen. Politische Polarisierung sei ein kurzfristiger Reflex auf Spannungen. Auf lange Sicht führe sie zu Stillstand und Dysfunktionalität.
Politische Polarisierung steht im Widerspruch zur globalen Zusammenarbeit, wie der Report festhält. Menschen betrachteten Personen mit abweichenden Meinungen zunehmend als Feinde. Diese konfliktorientierte Haltung lege nahe, Ziele seien nur durch den Ausschluss anderer erreichbar, wo eigentlich Kooperation nötig sei.
Unterschiede zwischen den Ländern werden nicht verschwinden, so Pedro Conceição, der das Fachbüro des UNDP leitet und als Hauptautor des aktuellen Berichts fungiert. Internationale Zusammenarbeit müsse aber mehr sein als finanzielle Unterstützung armer Länder. Multilateralismus spiele eine fundamentale Rolle, um globale öffentliche Güter bereitzustellen und die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.
Der Bericht plädiert dafür, multilaterale Zusammenarbeit neu zu konzipieren, und schlägt eine Konzentration auf globale öffentliche Güter in vier Schlüsselbereichen vor: planetarische Stabilität, digitale Gerechtigkeit, Finanzmechanismen und Governance-Reformen. Hohe menschliche Entwicklung sei nur zu erreichen, wenn politische Polarisierung und Fehlinformationen überwunden würden.
Anna Sophie Schmitz ist Volontärin für Öffentlichkeitsarbeit bei Engagement Global. Dieser Artikel entstand während ihrer Stage in der E+Z/D+C-Redaktion.
annasophie.schmitz@engagement-global.de