Kommentar

Zurück in der Kreditfalle

Ghana galt lange als Beispiel für erfolgreiche Entwicklung nach dem multilateralen Schuldenerlass der HIPC-Initiative. Zehn Jahre danach wachsen die Probleme aber wieder. Die Weltgemeinschaft braucht Regeln, um Schuldenkrisen zu lösen.
Fallende Goldpreise belasten Ghana. picture-alliance/dpa Fallende Goldpreise belasten Ghana.

2004 wurde Ghanas untragbar hohe Verschuldung im Rahmen der multilateralen HIPC-Initiative halbiert. Das Kürzel steht für „highly indebted poor countries“, die Entschuldungsinitiative wurde beim Kölner G7-Gipfel 1999 beschlossen. Freigewordene Mittel wurden in Armutsbekämpfung investiert. Die Armut konnte in Ghana im Vergleich zu den 1990er Jahren bald halbiert werden.

Leider ist das Land heute erneut kritisch verschuldet. Die Entwicklung verlief zunächst vielversprechend. 2007 konnte der westafrikanische Staat öffentliche Anleihen an den internationalen Kapitalmärkten platzieren. Die Seychellen waren der einzige andere Staat südlich der Sahara, dem das gelang. Ghana schien Investoren unter anderem wegen der Entdeckung des Jubilee-Ölfelds vor der Küste attraktiv. 2011 erreichte Ghanas Wachstum mit 14 Prozent die höchste Rate weltweit. Im Vertrauen auf dieses Wachstum konnte Ghana in großem Stile neue Kredite aufnehmen, um bestehenden Entwicklungsherausforderungen zu begegnen.

Das rächt sich nun. Die öffentlichen Schulden betragen rund 71 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – fast wie vor HIPC.

Dass es soweit gekommen ist, hat interne und externe Gründe. Intern sind hohe Lohnkosten im öffentlichen Dienst zu nennen, denn eine neue Entgeltstruktur hat sie seit der Jahrtausendwende um das Dreifache steigen lassen. Vor den Wahlen wurden zudem übermäßige Ausgaben getätigt, die das Defizit anschwellen ließen.

Extern sind die Weltmarktpreise für wichtige Exportgüter wie Gold und Öl gefallen, und das reduziert die Deviseneinahmen, die Ghana braucht, um Auslandskredite zu bedienen. Zugleich steigen die Preise wichtiger Importgüter. Lebensmittel und Treibstoff werden importiert, denn im Land wird nicht genug produziert. Dazu haben Billigexporte von Lebensmitteln aus der EU beigetragen, die heimische Anbieter verdrängt haben.

Wertmäßig übersteigt die Wareneinfuhr nun die Warenausfuhr. Zudem ist der Kurs der nationalen Währung Cedi gesunken, was den Schuldendienst in Dollar teurer macht. Wenn die Schuldenkrise zu weiterer Abwertung führt, droht ein Teufelskreis.  

Ghanas Regierung setzt weiter auf Kredite. Sie will neue Staatsanleihen emittieren, um die alten Schulden abzutragen. Der Haken an der Sache ist, dass sie nun höhere Zinsen zahlen muss, denn die Anleger beobachten die Lage.

Die Schulden- und Finanzkrise Ghanas hat mittlerweile das ganze Land erfasst. Heimische Banken stecken in einer Liquiditätskrise. Sie geben Privatunternehmen allenfalls noch zu sehr hohen Zinsen Darlehen. Folglich werden kaum noch privatwirtschaftliche Investitionen getätigt. Die Wirtschaft schrumpft, Arbeitsplätze werden gestrichen, und wegen der schwachen Währung steigen die Lebenshaltungskosten. Die Bevölkerung spürt die Krise bereits.   

Für zivilgesellschaftliche Organisationen wie SEND-Ghana ist die Verschuldung jetzt wieder ein Thema. Sie fordern von der Regierung mehr Rechenschaft und Transparenz. Sie stört, dass Geld aus Ghana abfließt, denn dieser Trend wird es unmöglich machen, die kürzlich beschlossenen Sustainable Development Goals der UN zu erreichen.  

HIPC war eine einmalige Initiative. Bis heute gibt es keine verlässlichen und geordneten Verfahren zur Lösung von Staatschuldenkrisen. Entwicklungs- und Schwellenländer wollten diese Lücke der internationalen Finanzarchitektur schließen und forderten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Schaffung eines rechtlichen Rahmenwerks. Sie setzten sich aber nicht durch.

Immerhin beschloss der Gipfel aber Prinzipien für eine effizientere Lösung von Schuldenkrisen. Deutschland gehörte zu den wenigen Ländern, die sowohl gegen das Rahmenwerk als auch die Prinzipien stimmten. Dieser Kurs ist gefährlich, denn wir brauchen internationale Kooperation. Sonst werden Schuldenkrisen wie die in Ghana wieder über Jahre hinweg verschleppt, und die Bevölkerung verarmt.    

 

Clara Osei-Boateng arbeitet für die zivilgesellschaftliche Organisation SEND-Ghana / SEND-West Africa.
http://www.sendwestafrica.org/

Kristina Rehbein ist politische Referentin beim ökumenischen Netzwerk erlassjahr.de.
k.rehbein@erlassjahr.de

 

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