Unsere Sicht

Die Entwicklungspolitik ist besser als ihr Ruf

In Ländern mit hohen Einkommen hat die Entwicklungspolitik oft keinen guten Ruf. Konservative und marktliberale Kräfte behaupten, sie verschwende Geld, wirke nicht und sei dysfunktional. Entwicklungshilfe (ODA – Official Development Assistance) führe nur zu Korruption und Abhängigkeit. Das ist empirisch falsch.
Gesundheit und Bildung sind wichtig: Erste-Hilfe-Kurs für Jugendliche in Kenia. NGUVU Edu SPORT Gesundheit und Bildung sind wichtig: Erste-Hilfe-Kurs für Jugendliche in Kenia.

Tatsächlich gibt es Korruption und Diskontinuität in Empfängerstaaten, aber beides kommt auch in reichen Nationen vor. Die gängige ODA-Kritik übersieht zudem, dass viele Entwicklungsländer dieses Geld in der Vergangenheit klug genutzt haben. Südkorea ist vielleicht das beste Beispiel. Es bekam umfassende Fördermittel, entwickelte sich dynamisch und wurde dann auch Mitglied der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development), des Verbunds von Ländern mit hohen Einkommen.

In jüngerer Vergangenheit hat Bangladesch ODA geschickt verwendet. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit galt es als  hoffnungsloser Fall, liegt aber heute bei allen wichtigen Entwicklungsindikatoren vor Indien und Pakistan.

Solche Erfolgsgeschichten werden als nationale Leistung gelesen, wobei ODA-Mittel vergessen werden. Dort, wo Erfolg ausbleibt, wird dagegen die Entwicklungspolitik der Geber verantwortlich gemacht. Auch das verzerrt die Wirklichkeit, denn wo globale Trends ganze Weltregionen destabilisieren, geht es um viel mehr als um mangelhaft konzipierte Projekte und Programme. In der Sahelzone etwa verschärft die Klimakrise ohnehin großen Wassermangel. Obendrein wurden nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes in Libyen Waffen in großer Zahl verfügbar, sodass islamistische Gewalt deutlich zunehmen konnte. Dass in der Region nachhaltige Entwicklung ausblieb, liegt wirklich nicht nur an fehlgeleiteter ODA. Die Sahelzone wurde in vielen Hinsichten im Stich gelassen.

Globale öffentliche Güter

Die ODA-Kritik in Hocheinkommensländern übersieht besonders gern, dass es nicht darum geht, armen Menschen wohltätig zu helfen. Globale öffentliche Güter wie Klimaschutz und Sicherheit gewinnen ständig an Bedeutung, und ODA-Geld wird dafür verwendet. Es dient oft mehreren Zwecken, etwa wenn Investitionen in erneuerbare Energie die Umwelt schützen und die Armut reduzieren.

Die UN-Ziele für Nachhaltigkeit (SDGs – Sustainable Development Goals) sind stimmig. Sie betonen sowohl das globale Gemeinwohl als auch das Recht aller Menschen auf individuelle Chancen, was marktorthodoxe Kräfte normalerweise gut finden. Um Wähler*innen zu beeindrucken, suggerieren verantwortungslose Kampagnen dagegen, Steuermittel würden systematisch verschwendet.

Finanzstarke Nationen tragen aber besondere Verantwortung für globale öffentliche Güter. Sie verfügen über die meisten Mittel – und ihr heutiger Wohlstand beruht historisch auf brutaler Ausbeutung von Kolonien.

Leider haben OECD-Mitglieder viele Versprechen in der Vergangenheit nicht erfüllt. Im Wettbewerb mit China und Russland ist es das falsche Signal, sich jetzt von globalen Aufgaben zurückzuziehen.

Übrigens gab es weltweit in den vergangenen Jahrzehnten riesige Fortschritte. In den 1970er-Jahren litt rund 1 Milliarde von knapp 4 Milliarden Menschen Hunger. Heute sind es weniger als 1 Milliarde, obwohl mittlerweile 8 Milliarden Menschen den Planeten bevölkern. Auch ist die Lebenserwartung weltweit um rund 20 Jahre gestiegen. Das hat nicht ODA allein bewirkt, sie hat aber geholfen – und zwar besonders dort, wo Entwicklungsländer sie gut nutzten.

Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

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