Entwicklungspolitik

Gleichberechtigte Entwicklungszusammenarbeit im Dreieck

Dreieckskooperation verdient entwicklungspolitische Aufmerksamkeit. Sie hat nicht zuletzt das Potenzial, neokoloniale Strukturen in Institutionen zugunsten der Förderung globaler öffentlicher Güter aufzubrechen. Unter anderem nutzt Brasilien seine G20-Präsidentschaft, um mehr Partner für diese Form der Zusammenarbeit zu gewinnen.
G20-Finanzministertreffen im Februar in São Paulo. picture alliance / Kyodo G20-Finanzministertreffen im Februar in São Paulo.

Brasilien hat im Jahr 2024 die rotierende Präsidentschaft der Gruppe der 20 (bestehend aus 19 Industrie- und Schwellenländern sowie der Europäischen und seit 2023 der Afrikanischen Union) in einer Zeit großer geopolitischer Herausforderungen übernommen. Die Klimakrise spitzt sich weiter zu, zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine kamen die Kriege zwischen Hamas und Israel und im Sudan hinzu, die sich jeweils zu humanitären Katastrophen entwickelt haben, und die Konkurrenz zwischen China und westlichen Ländern, allen voran den USA, verschärft sich. Diese Liste ist nicht vollständig.

Es wird dabei immer deutlicher, wie unterschiedlich Perspektiven der Industrieländer der G7 und der Länder des sogenannten globalen Südens auf diese Herausforderungen sind. Die Dialogfähigkeit zwischen den Blöcken schwindet, multilaterales Handeln und gemeinsame Werteorientierungen werden schwieriger. Einige ältere Allianzen werden in Frage gestellt, neue gebildet, und in diesem Zusammenhang stehen das koloniale Erbe und seine Rückstände in bestehenden Institutionen zu Recht zunehmend in der Kritik.

Genau in diesen Umständen sieht die brasilianische Präsidentschaft eine Chance. Anders als im Rahmen der UN mit den ständigen Blockaden ihres Sicherheitsrates kann der informelle Club der G20 einen offeneren Raum der Verständigung und der Vertrauensbildung bieten.

Abseits der Gipfeldiplomatie, die mit dem Treffen der Gruppe im November 2024 in Rio de Janeiro ihren Höhepunkt erreichen wird, bietet der G20-Prozess zahlreiche Gelegenheiten des Austauschs durch fachliche Arbeitsgruppen und Ministertreffen. Hinzu kommen die sogenannten Engagementgruppen: Organisationen der Zivilgesellschaft (C20), der internationalen Frauenbewegung (W20), der Gewerkschaften (L20), der Thinktanks (T20) und viele mehr. Die brasilianische Präsidentschaft legt großen Wert auf die Partizipation aller Interessenvertretungen und wird unter anderem im Vorfeld des Gipfels in Rio zusätzlich einen Sozialgipfel organisieren.

Auch für die Development Working Group (DWG) der G20 ist die Gelegenheit günstig. Gendergerechtigkeit und Antirassismus sowie die Bekämpfung von Hunger und sozialer Ungleichheit stehen als vom brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva entwicklungspolitisch besonders priorisierte Themen im Vordergrund und gewinnen mit der Mitgliedschaft der Afrikanischen Union bei der G20 zusätzlich an Bedeutung.

Internationale Zusammenarbeit im Dreieck

Zur Arbeit an diesen Themen rücken neue Formen der internationalen Zusammenarbeit ohne koloniale Vorgeschichte und -prägung in den Fokus, insbesondere die Süd-Süd- und Dreieckskooperation.

Eine Dreieckskooperation ist ein von drei oder mehr Partnern gemeinsam geplantes, finanziertes und durchgeführtes Entwicklungsprojekt. Diese nehmen dabei drei Rollen ein als begünstigte Partner, Hauptpartner und unterstützende Partner. Die Erfahrung zeigt, dass im Laufe eines Projekts jeder der beteiligten Partner sowohl Begünstigter als auch Wissensträger oder Unterstützer sein kann. Alle lernen, bringen ihre Erfahrungen und Kenntnisse ein und übernehmen Verantwortung.

André de Mello e Souza, Wirtschaftswissenschaftler bei der staatlichen brasilianischen Denkfabrik Instituto de Pesquisa Econômica Aplicada (IPEA) und regelmäßiger Autor bei E+Z/D+C, betont, dass Brasilien jede Art von Hierarchie in entwicklungspolitischen Vorhaben, die mehr als einen Partner umfassen, ablehnt. Entsprechend hebt die brasilianische Seite in einem G20-Papier hervor, dass durch trilaterale Kooperation Vertrauen entstehe und traditionelle Geber-Empfänger-Dynamiken durch innovative Partnerschaften und gemeinsames Lernen ersetzt werden. Insofern diene Dreieckskooperation zugleich der Überwindung kolonialer Erblasten und der Lokalisierung von Entwicklungshilfe (ODA – Official Development Assistance). Brasilien unterscheidet die Begriffe trilaterale und trianguläre Kooperation, wobei erstere eine horizontale und zweitere eine vertikalere Beziehung der Partner ausdrückt. Deutschland und andere Länder nutzen beide Begriffe synonym für eine horizontale Beziehung zwischen den Partnern.
 

Brasilien nutzt die Chance des G20-Vorsitzes, um weitere mächtige Staaten für dieses Instrument zu gewinnen. Es sollen Best-Practice-Beispiele aufbereitet werden, die zeigen, dass und wie trilaterale Kooperation funktioniert. Eine internationale Fachkonferenz, von Deutschland und Brasilien Ende Mai in Salvador da Bahia organisiert, bot dafür kurz vor dem dritten DWG-Treffen unter brasilianischer G20-Präsidentschaft eine ideale Bühne und sandte ein starkes Signal. Die DWG hat das Thema einhellig unterstützt und ausdrücklich begrüßt.

Die Zahl der durchgeführten und dokumentierten Projekte mit trilateraler Kooperation ist stark gewachsen. Deutschland führt mit inzwischen über 200 Projekten weltweit die meisten dieser Art durch. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt in Lateinamerika, doch Asien, die Pazifikregion und Afrika holen auf. Besonders stark steigt dabei das Interesse an regionenübergreifender Zusammenarbeit.

Zu den wachsenden Zahlen trägt auch bei, dass Dreieckskooperation, die häufig als Teilaktivität unter dem Dach globaler, regionaler und bilateraler Programme stattfindet, besser erfasst wird. Dafür hat Deutschland eine Kennung für Dreieckskooperation eingeführt.

Verstärkte Forschung und Evaluierung

Es ist wichtig, den Trend zunehmender Evaluierungen in diesem Bereich fortzuführen. Im regionalen Fonds für Dreieckskooperation mit Partnern in Lateinamerika und der Karibik werden seit 2015 alle abgeschlossenen Projekte unabhängig evaluiert. Dabei stützt sich der von Deutschland verwaltete Fonds auf lateinamerikanische unabhängige Evaluierungsinstitute. Hier ließ sich bei den Evidenzen zur Wirksamkeit der Dreieckskooperation ein kontinuierlicher Anstieg verzeichnen.

Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) hat 2020 eine Instrumentenevaluierung von Dreieckskooperation abgeschlossen. Dabei zeigte sich, dass diese eine politisch-strategische und eine programmatisch-thematische Dimension hat. Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangte bereits 2018 die OECD. Sie unterschied sechs Dimensionen: Aufbau von Vertrauen und Eigenverantwortung, Nutzung komplementärer Stärken der Partner, Wissensaustausch und gemeinsames Lernen, gemeinsames Schaffen innovativer Lösungen, Mobilisierung zusätzlicher Ressourcen und Beiträge zu globalen Nachhaltigkeitszielen.

Auch die wissenschaftliche Forschung interessiert sich verstärkt für Dreieckskooperation. Themenstellungen, die in Masterarbeiten und Promotionsvorhaben untersucht werden oder untersucht worden sind, sind zum Beispiel die Bedeutung von Dreieckskooperation als Modalität für postkoloniale Entwicklungspolitik, die Rolle Chinas in der Dreieckskooperation oder die Frage gemeinsamer Evaluierungen.

Rollenwechsel

Besonders die Durchführung solcher gemeinsamer Evaluierungen, wie sie beispielsweise 2023 im gemeinsamen Aktionsplan des BMZ mit der chinesischen Kooperationsagentur CIDCA vereinbart worden ist, ist eine Herausforderung. Für Dreieckskooperation als Brücke zwischen Süd-Süd- und Nord-Süd-Kooperation können nicht einfach die Evaluierungskriterien des Ausschusses für Entwicklungshilfe der OECD als Maßstab herangezogen werden. Auch die bereits auf die Konferenz von Bandung im Jahr 1955 zurückgehenden Prinzipien der Süd-Süd-Kooperation müssen Beachtung finden. Die Durchführung gemeinsamer Evaluierungen setzt das Finden einer gemeinsamen Sprache und eine Verständigung über die anzulegenden Kriterien voraus. Die dabei zu Tage tretenden Unterschiede können die Entwicklungsdiskussion bereichern und Perspektiven für die Zukunft aufzeigen.

Der Rollenwechsel in der trilateralen Kooperation bedeutet mitunter eine grundlegende Infragestellung bestehender Überzeugungen. Es zeigt sich, dass zum Beispiel Deutschland weniger geübt darin ist, selbst ein lernender Partner zu sein, wie es die BMZ-Strategie fordert. Hier gibt es viel zu tun, wenn Deutschland den Anschluss an die aktuellen Dynamiken in Partnerländern nicht verlieren und über Jahrzehnte aufgebautes Vertrauen nicht verspielen will. Es bleibt zu hoffen, dass die brasilianische G20-Initiative dazu Denkanstöße gibt, die von den übrigen Mitgliedsstaaten und nachfolgenden G20-Präsidentschaften (2025 Südafrika) aufgenommen werden.
 

LINKS

BMZ: Dreieckskooperation. https://www.bmz.de/de/ministerium/arbeitsweise/dreieckskooperation

GIZ, 2024: Bilanz der 7. Regionalkonferenz zu Dreieckskooperation mit Lateinamerika und der Karibik 2024. https://fondo-cooperacion-triangular.net/2024/06/06/mensajes-clave-de-la-vii-conferencia-regional-de-cooperacion-trilateral-con-america-latina-y-el-caribe-2024-superando-obstaculos-construyendo-puentes/

OECD, 2018: Toolkit for identifying, monitoring and evaluating the value added of triangular co-operation: https://www.effectivecooperation.org/system/files/2019-06/TOOLKIT_TrC_August_2018.pdf

Ulrich Müller ist Mitarbeiter der GIZ und berät Vorhaben der deutschen EZ zu den Themen Netzwerke, Knowledge Sharing, Dreieckskooperation und Kooperationsagenturen von Schwellenländern.
ulrich.mueller@giz.de

Luiz Ramalho ist unabhängiger Entwicklungsberater und ehemaliger leitender Angestellter der GIZ.
ramalho.berlin@gmail.com