Internationale Entwicklungsfinanzierung
Finanzierungslücken schließen
In internationalen Debatten ist klar: Die globale Entwicklungsfinanzierung muss besser werden, um den Krisen der Gegenwart gerecht zu werden. Erderwärmung, schwindende Biodiversität, die Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie und Kriege gehören zu den vielen Problemen, die nationale Grenzen überschreiten und oft weltweite Effekte haben. Dass die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit groß ist, zeigte in diesem Jahr die ernüchternde Halbzeitbilanz der 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals): Beispielsweise ist SDG1, die Beseitigung extremer Armut, bis 2030 voraussichtlich nicht mehr zu erreichen.
Um den SDGs so nahe wie möglich zu kommen, benötigen Länder mit niedrigen Einkommen Zuschüsse und vergünstigte Kredite multilateraler Entwicklungsbanken. Aus gutem Grund haben die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken sich kürzlich darauf geeinigt, ihre Zusammenarbeit zu verbessern, finanzielle Kapazitäten auszuweiten und insgesamt schneller und agiler zu werden.
Die Weltbank ist die größte dieser Banken und deshalb besonders wichtig. Ihren Reformprozess haben voriges Jahr verschiedene Anteilseigner angestoßen, darunter die USA und Deutschland. Gesicht des Wandels ist Ajay Banga, seit Juni dieses Jahres Präsident der Bank. Wohin die Reise gehen soll, legte Banga auf der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Marokko im Oktober dar. Die Hauptaufgabe bleibt, Armut zu bekämpfen und Wohlstand zu fördern – allerdings nun mit dem Zusatz „auf einem bewohnbaren Planeten“. Will heißen: Banga will globale Herausforderungen wie die oben genannten stärker berücksichtigen. Sie ließen sich ohnehin nicht sinnvoll voneinander trennen, sagt er.
Das stimmt. Die großen Krisen beeinflussen und verstärken sich gegenseitig. Die Klimakrise bedroht die Ernährungssicherheit; Umweltzerstörung macht Pandemien wahrscheinlicher; Kriege führen zu Flucht und können internationale Energie- und Lebensmittelmärkte erschüttern. Umgekehrt heißt das: Eine dieser Krisen einzudämmen, hilft auch im Kampf gegen andere. Solche Synergieeffekte gilt es zu nutzen.
Insofern ist es richtig, dass die Weltbank Krisen ganzheitlich angehen soll. Auch dass sie Ressourcen schneller bereitstellen und mehr Mittel mobilisieren soll, ist richtig. Bangas Pläne sehen unter anderem vor, etwas riskanter zu agieren und mehr Investitionen aus dem Privatsektor anzuregen. Ist die Weltbank damit erfolgreich, könnte dies anderen internationalen Finanzinstitutionen als Vorbild dienen.
Es führt auch kein Weg daran vorbei, dass mehr Geld in Länder mit niedrigen Einkommen fließen muss – und zwar sowohl aus etablierten Industrieländern mit hohen Einkommen als auch aus Schwellenländern, die wie China an der Schwelle zum Hoch-Einkommensstatus stehen. Die Probleme der ärmsten Länder wachsen schneller als ihre Wirtschaftskraft. Sie haben aber Krisen wie die Klimaerwärmung nicht verschuldet, verdienen also Unterstützung von den Hauptverantwortlichen. Diese kann bi- und multilateral geleistet werden.
Bangas Erfolg wird sich unter anderem daran bemessen, inwiefern es ihm gelingt, mehr Mittel für die Weltbank zu mobilisieren. Aus Sicht der Länder mit niedrigem Einkommensniveau gilt das insbesondere im Hinblick auf die turnusmäßige Wiederauffüllung der International Development Association (IDA). Dieser Zweig der Weltbank finanziert Vorhaben in den ärmsten Ländern. Von 2022 bis 2025 stehen dafür 93 Milliarden Dollar bereit. Über die Zeit danach wird 2024 entschieden. Banga braucht einen neuen Rekordwert.
Um die erheblichen Finanzierungslücken zu den SDGs zu schließen, wäre aber selbst ein neuer IDA-Höchstwert nur der Anfang. Entwicklungsländern fehlen laut UN dafür Investitionen in Höhe von etwa 4 Billionen Dollar jährlich. Zugleich plagen fast 40 Prozent dieser Länder erhebliche Schuldenprobleme, was ihre Entwicklung hemmt. Auch jenseits der internationalen Finanzinstitute sind also mehr Mittel aus starken Volkswirtschaften und dem Privatsektor notwendig – und ein fairer Umgang mit Überschuldung, damit arme Länder Perspektiven bekommen.
Jörg Döbereiner ist Redakteur bei E+Z/D+C.
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