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Internationale Finanzinstitution

Bidens interessanter Vorschlag für die Weltbankspitze

US-Präsident Joe Biden hat Ajay Banga als neuen Spitzenmann für die Weltbank vorgeschlagen. Das ist ein kluger Schachzug von globaler Bedeutung und besonderen Konsequenzen für Identitätspolitik in Indien.
Turban und Bart weisen Ajay Banga eindeutig als Sikh aus. picture alliance/EPA-EFE / Ting Shen / POOL Turban und Bart weisen Ajay Banga eindeutig als Sikh aus.

Banga ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Mastercard. Er wuchs in Indien auf, studierte dort und startete seine Karriere, bevor er in die USA zog. Trotz seines amerikanischen Passes ist seine südasiatische Herkunft offensichtlich. Wahrscheinlich werden die Mitgliedsländer ihn zum Weltbankpräsidenten berufen.

Kritiker beanstanden seit Langem den Usus, dass Weltbankpräsidenten vom Weißen Haus vorgeschlagene US-Bürger sind. Biden hat nun einen Finanzmanager gewählt, der als Sikh stolz Turban und Bart trägt. Das ist ein Signal an nicht-westliche Kulturkreise. Biden richtet es besonders an große Schwellenländer, die bisher Distanz zu den G7 (Gruppe der größten westlichen Volkswirtschaften) halten. Diplomaten aus Brasilien, China oder Südafrika werden Banga sowohl als Inder als auch Amerikaner sehen.

Entscheidende Expertise

Banga mangelt es an Berufserfahrung in multilateralen Institutionen und der Entwicklungspolitik. Er hat aber großes Interesse an den wichtigen Themen gezeigt – wie etwa den verheerenden Folgen der ­Klimakrise. Er hat eine steile Wall-Street-Karriere gemacht, weiß also, wie sich Privatkapital mobilisieren und investieren lässt. Offensichtlich will Biden die Weltbank als Finanzinstitut stärken. Der Vorwurf, er hätte einen Klima- oder Entwicklungsexperten vorschlagen sollen, zieht nicht, denn Kapitalmarkt-Kompetenz ist vielleicht wichtiger. Tiefe Kenntnisse von Ökologie und Entwicklungstheorie sind nicht nötig, um die richtigen Ziele zu definieren, aber um sie zu erreichen, kommt es auf Finanz-Know-how an. Bangas Lebenslauf spricht also nicht gegen seine Kandidatur.

Es wird auch bedauert, dass Biden keine Frau benannt hat. Ich selbst fände eine Weltbankpräsidentin großartig, denke aber, dass die Wahl Bangas identitätspolitisch klug ist.

Subtile Botschaft an Inder*innen

Indiens Premierminister Narendra Modi freut sich nämlich vermutlich nicht über diese Kandidatur, die seinen Hindu-Chauvinismus tendenziell in Frage stellt. Sikhs sind keine Hindus und meist auch nicht damit einverstanden, dass Modis aggressive Ideologie ihren Glauben der Mehrheitsreligion in Indien unterordnet.

Banga ist Offizierssohn. In seiner Alterskohorte hieß das, im Geiste einer säkularen Nation, die sich nicht um Glaubensidentitäten schert, erzogen zu werden. Manche in die USA migrierte Inder unterstützen Modi, aber viele tun das nicht. Zu Letzteren gehört Banga sicherlich, denn er gilt als Verbündeter von Vizepräsidentin Kamala Harris, die sich gegen jede Form von Diskriminierung einsetzt. Banga selbst setzt sich auch für Inklusion ein.

Inder*innen, die internationale Führungspositionen erreichen, werden im Heimatland als Vorbilder gefeiert. Bidens subtile Botschaft ist nun: Ich akzeptiere Indiens großartige und vielfältige Kultur, falle aber auf den Hindu-Chauvinismus der Regierung nicht herein. Die Kandidatur eines weltoffenen Sikhs schwächt Modis Anspruch, Indien als hinduistische Nation zu definieren.

Globale Perspektive

Bidens globale Botschaft ist freilich eine andere. Die Weltbank soll stärker werden und sich mit ganzer Kraft der Klimakrise widmen. Das ist stimmig, denn die globale Erhitzung ist ein dringendes Problem, zu dessen Lösung alle verfügbaren Ressourcen mobilisiert werden müssen. Wenn die Weltbank aber zu einer Klimabank wird, stellt sich eine bislang offene Frage noch dringlicher: In welchem Maße werden Klimafinanzierung und Entwicklungshilfe (ODA – official development assistance) vermengt? Versprochen wurde immer, dass Klimageld zusätzlich fließt.

ODA ist klar definiert und die Geldflüsse sind transparent. Im Schnitt zahlen Länder mit hohen Einkommen aber nur etwa die Hälfte dessen, was sie versprochen haben. Ihre Klimazusagen halten sie bisher zu etwa 80 % ein, aber die Definitionen sind vage und Doppelzählungen kommen vor. Die Weltbank hat dieses verwirrende Szenario nicht verursacht, aber sie kann als multilaterale Institution für mehr Klarheit sorgen. Internationale Beobachter sollten deshalb genau darauf achten, was ihr Spitzenmann diesbezüglich tut.

Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu