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Unsere Sicht

Demokratie erfordert Gewaltenteilung

Demokratieförderung stand in den 20 Jahren meiner Redaktionsleitung von E+Z/D+C stets weit oben auf der Agenda. Aufeinanderfolgende Bundesregierungen vertrauten auf Volksherrschaft, Rechtsstaatlichkeit und Global Governance auf der Basis von – möglichst demokratischen – Nationalstaaten.
Erstürmung des Capitols in Washington am 6. Januar 2021. picture-alliance/ZUMAPRESS.com/Carol Guzy Erstürmung des Capitols in Washington am 6. Januar 2021.

Das Schlagwort hat sich aber gewandelt, und heute ist mehr von Demokratieverteidigung als von -förderung die Rede.

Tatsächlich ist Verteidigung nötig – und zwar selbst in reichen westlichen Ländern, wo die Wurzeln der Demokratie eigentlich als stark gelten. Autoritärer Rechtspopulismus wächst. Seine Spitzenleute beanspruchen, direkt und exklusiv „das Volk“ zu vertreten. Sie tun so, als sei das eine homogene, sie unterstützende Gruppe. Allen, die das nicht tun, werfen sie Verrat, elitäre Haltung, Korruption, Naivität und dergleichen vor.

Donald Trump ist das prominenteste Beispiel. Leider gibt es zu viele andere, um sie in einem kurzen Text wie diesem aufzuzählen. Sobald Leute von diesem Schlag an die Macht kommen, beginnen sie, die institutionelle Ordnung so zu ändern, dass ihr Machterhalt wahrscheinlicher wird. Sie verlieren zwar trotzdem manchmal noch Wahlen, aber wichtige Institutionen sind dann beschädigt.

In den USA gab es 2020 keine Belege für Wahlbetrug. Dennoch glaubt ein Großteil von Trumps Anhängerschaft daran. Zum Glück hat die Justiz sich auf diese große Lüge nicht eingelassen, obwohl Trump viele Richter neu berief. Leider fällt die seinetwegen nun solide rechte Mehrheit am Supreme Court dennoch immer wieder Urteile – zum Beispiel zur Abtreibung – , die keine Mehrheiten im Volk finden würden.

Demokratie bedeutet mehr, als dass Spitzenpolitiker*innen gewählt werden. Damit Wahlen fair bleiben und regelmäßig stattfinden, ist eine stimmige Verfassung nötig, welche die Rolle der Staatsgewalten trennt und klar definiert. Andernfalls haben es Regierungen zu leicht, Regeln so zu beugen, dass sie dauerhaft im Amt bleiben können. Zentral ist die Unabhängigkeit der Justiz. Ohne sie werden Wahlen auf längere Sicht zur Farce. Auch deshalb ist es ein Problem, dass das Ansehen des US Supreme Courts in der Bevölkerung rapide schwindet.

Gewaltenteilung ist unerlässlich. Typischerweise unterscheiden Verfassungen Exekutive, Legislative und Judikative. Obendrein bestimmen sie die Zuständigkeiten nationaler und subnationaler Institutionen. Derlei macht Machtmissbrauch nicht völlig unmöglich, aber jedenfalls schwerer.

Gewaltenteilung ist zudem die Basis für das, was Soziologen funktionale Differenzierung nennen: Soziale Systeme – wie etwa Märkte, wissenschaftliche Forschung, Zivilgesellschaft, Technikentwicklung und Mediendiskurs – folgen ihrer Eigenlogik und sind nicht dem Willen der Staatsspitze unterworfen. 

Das macht sie dynamischer.  Die Aufgabe des politischen Systems ist dann, mit stimmigen und transparenten Regulierungen dafür zu sorgen, dass das Gesamtsystem erhalten bleibt und Einzelsysteme nicht andere untergraben. 

So sollte beispielsweise nicht zugelassen werden, dass Wirtschaftswachstum die Lebensgrundlagen zerstört. Viele Demokratien haben großen umweltpolitischen Nachholbedarf – aber wenn Trump-artige Leute Entscheidungen fällen, machen sie ökologischen Fortschritt gern wieder rückgängig

Eine wohlkonzipierte demokratische Ordnung sichert auf vielen Ebenen Freiheiten, erlaubt aber Menschen mit viel Macht oder großen Vermögen nicht, einfach zu tun, was sie wollen. Das Gemeinwohl hängt von solch einer Verfassung ab. Die Geschichte zeigt, dass Diktaturen ihm selten dienen, sondern den Partikularinteressen der Machthabenden unkontrollierten Lauf lassen.

Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu