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Technologie

Für demokratische Kontrolle zu schnell: KI und soziale Medien

Die Digitalisierung verläuft schnell – für demokratische Politik oft zu schnell.
Auf seiner ungenügend regulierten Plattform verbreitet der Milliardär Elon Musk rechte Propaganda. picture alliance / ZUMAPRESS.com / Stanislav Kogiku Auf seiner ungenügend regulierten Plattform verbreitet der Milliardär Elon Musk rechte Propaganda.

Künstliche Intelligenz (KI) ist vermutlich das deutlichste Beispiel dafür, wie schnell der technische Wandel voranschreitet. Hochgezüchtete Sprachprogramme („Large Language Models“) wie ChatGPT wurden der Öffentlichkeit erst vor zwei Jahren zur Verfügung gestellt. Sie können in verschiedenen Sprachen Texte erstellen, die sich flüssig lesen und vernünftig erscheinen, deren Faktentreue aber zweifelhaft ist.

Diese Technik hat begonnen, die gesamte Medienwirtschaft umzukrempeln. Sie wird sich auf Nachrichten und Romane, auf Poesie und politische Kommentare auswirken. Manche Medienhäuser produzieren damit schon Inhalte. 

Ausreichend reguliert ist diese KI-Technik nicht. Lehrende müssen heute davon ausgehen, dass ChatGPT für Hausaufgaben und ähnliche Dinge genutzt wird. Einige Anwaltskanzleien haben die unangenehmen Erfahrungen gemacht, dass solche Programme gelegentlich frei erfundene Fakten als Information präsentieren. Fragen des geistigen Eigentums sind berührt, weil Sprachprogramme mit Texten menschlicher Autor*innen trainiert wurden, Letztere dafür aber kein Geld bekamen. 

Um stimmige Gesetze zu verabschieden, müssten Parlamente die Folgen der Technik genau kennen. Bis sie eine Reform ausformuliert haben, werden aber vermutlich weitere Folgen auftreten, sodass ihre Arbeit schnell nicht mehr zeitgemäß wirken kann. Der Einsatz der Technik wird vielen Betroffenen dann aber schon so normal erscheinen, dass ihnen neue Regeln als übergriffig erscheinen. In beiden Fällen fühlen sich Menschen von der Politik im Stich gelassen.

Soziale Medien

Soziale Medien sind ein weiteres Beispiel. Die wichtigsten Plattformen wurden in den Nullerjahren gestartet, manche sogar später. Die Reichweite ist international, aber sie unterliegen offensichtlich nicht ausreichenden Bestimmungen. Großenteils entscheiden die Konzerne allein, was auf Facebook, X/Twitter, TikTok und so weiter gepostet werden darf und was nicht. Die Öffentlichkeit hat keinen Rechtsanspruch auf Wahrhaftigkeit oder Anstand. 

Als das Facebook-Management erfuhr, dass seine Plattform die seelische Gesundheit von Teenagern beeinträchtigt, hielt es erst mal still. Inzwischen ist völlig klar, dass soziale Medien systematisch Hass, Angst und Neid füttern, um Aufmerksamkeit der Nutzenden möglichst lange zu halten. Negative Botschaften binden Leute and den Bildschirm – schaden aber der Gesellschaft. Das gilt besonders, wenn die Botschaften übertrieben sind und nicht auf Fakten beruhen. 

Die politischen Auswirkungen sozialer Medien haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Als der arabische Frühling 2011 Nordafrika und den Nahen Osten erschütterte und sogar Diktaturen zu Fall brachte, war viel von „Facebook-Revolution“ die Rede. Diese Plattform hatte freien und unbeobachteten Zugang vieler unzufriedener Menschen ermöglicht. Heute sind Algorithmen aber so angelegt, dass sie politische Kontroversen, die den digitalen Konzernen missfallen, möglichst nicht verstärken. 

Für öffentliche Debatten sind soziale Medien zwar wichtig, aber sie sind nicht so streng reguliert wie konventionelle Medien. Das Presserecht ist nicht dazu da, Meinungen zu unterdrücken, sondern ein Mindestniveau an Wahrhaftigkeit sicherzustellen. Deshalb sorgt es typischerweise dafür, dass irgendjemand für jeden veröffentlichten Text verantwortlich ist. 

Dafür sorgt auch das Medienrecht der USA, das aber für soziale Medien nicht gilt. Deshalb können dort automatisierte Programme Lügen verbreiten, ohne dass Nutzende überhaupt erfahren, dass diese Botschaften nicht von echten Menschen ausgehen. 

Viele der wichtigsten Plattformen gehören Unternehmen in den USA. Folglich wirken sich Lücken im US- Recht international aus. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, hat Twitter gekauft, die Moderationsregeln gelockert und die Plattform in X umbenannt. Rechte Hassrhetorik und Propaganda haben sich seither dort vervielfacht. Das macht ernsthaften politischen Austausch schwerer, dient aber Leuten mit autoritären Neigungen wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolsonaro in Brasilien.  

Hans Dembowski war von Januar 2004 bis Dezember 2024 Chefredakteur von E+Z/D+C. 
euz.editor@dandc.eu