Demokratie

Warum der Begriff "Plutokratenpopulismus" Sinn ergibt

Der Begriff “Oligarchenpopulismus” ist nützlich, obwohl er paradox klingt. Er hilft sogar, den Ukrainekrieg zu verstehen.
Rechtspopulistischer Protest in Berlin im August 2020. picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt Rechtspopulistischer Protest in Berlin im August 2020.

Superreiche Menschen haben politische Vorstellungen. Sie halten sich zu all dem berechtigt, was sie bezahlen können. Staatliche Regulierungen, die ihnen im Weg stehen, lehnen sie ab. Der in den USA “libertär” genannten Weltsicht zufolge soll der Staat möglichst „klein“ sein. Steuern und Sozialabgaben werden abgelehnt. Die  Bevölkerungsmehrheit braucht das öffentliche Bildungs- und Gesundheitswesen, aber die plutokratische Elite kommt ohne aus. Umwelt- und Arbeitsrecht mögen sie auch nicht.   

Aus marktradikaIer Sicht ist Staatshandeln immer ein Problem. Dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman zufolge ist dies der Grund, weshalb die Republikaner in den USA alles tun, um Obamacare zu blockieren und scheitern zu lassen.    

Rechtspopulismus gilt gemeinhin als etwas ganz anderes. Er soll nicht Nutznießende von Steueroasen ansprechen, sondern frustrierte und abgehängte Menschen. Allerdings haben populistische Parteien häufig eine antidemokratische Agenda, die dem Oligarchenziel des minimal eingreifenden Staates  dient. Staatshandeln wird als übergriffig und diktatorisch bezeichnet. In der Coronapandemie wurden eigentlich selbstverständliche Hygieneregeln beispielsweise als “totalitär” abgelehnt.

In den 1990er-Jahren bedeutete Globalisierung die Öffnung von Märkten. Heute geht es dagegen um die Schaffung globaler Regeln für Klimaschutz, Steuereintreibung und weniger Ungleichheit. Oligarchen, Plutokraten und Kleptokraten passt das nicht, also unterstützen sie oft verlogenen Nationalismus nach Brexit-Manier. Was angeblich die Souveränität des eigenen Staates sichert, untergräbt indessen seine Handlungsfähigkeit. In einer vernetzten Welt können nur große Player wie die EU, die USA oder China Regeln beschließen und durchsetzen. Großinvestoren fällt es dagegen leicht, kleine Einzelstaaten gegeneinander auszuspielen. Folglich bekommen populistische Parteien großzügige Plutokratenspenden. Einige Führungsfiguren – Donald Trump etwa – sind selbst Milliardäre.  

Dass die digitalen Plattformen, die im öffentlichen Diskurs immens wichtig geworden sind, superreichen Investoren gehören, ist auch wichtig. Algorithmen bestimmen, was auf dem Bildschirm erscheint. Wer auf Social-Media-Plattformen wem folgt, ist nur ein Faktor unter anderen. Posts lassen sich auch finanziell  bewerben. Um Menschen auf der Plattform zu halten, schüren Algorithmen auch Gefühle wie Wut und Hass. Oft heißt es, dass sei ein Marketingkonzept – politische Dimensionen sollten jedoch auch gesehen werden. Vermutlich geben Silicon-Valley-Milliardäre Abgeordneten, die ihre Monopole zerschlagen wollen, nicht dieselbe Reichweite, wie denen, die Freiheit mit der Abwesenheit des Staates gleichsetzen.  

Der russische Angriff auf die Ukraine zeigt, wie gefährlich populistische Propaganda ist. Es liegt nahe, in diesem grauenhaften Krieg einen Konflikt zwischen westlicher Demokratie und russischem Despotismus zu erkennen. Es ist aber falsch, denn populistische Kräfte sind bei der Unterminierung westlicher Demokratien schon weit vorangekommen. Ohne dubiose Spenden und aggressive Social-Media-Kampagnen wäre es wohlmöglich nie zum  Brexit gekommen – und Trump hätte es wohl auch nicht bis ins Weiße Haus gebracht. Wenn westliche Regierungen Demokratieförderung ernst meinen, müssen sie gefährliche Tendenzen im Inland bekämpfen.

Das ist übrigens keine Verschwörungstheorie. Niemand  behauptet, es gebe zentrale Strippenzieher, oder finstere Akteure koordinierten geheim weltweit Strategien. Offensichtlich konvergieren aber bestimmte Interessen, und populistische Parteien arbeiten auf Oligarchenziele hin.

Es wäre zudem naiv, anzunehmen, dass superreiche Akteure auf Manipulationsmöglichkeiten, die sie erkennen, verzichten. Sie unterstützen Rechtpopulismus, weil er demokratisch legitimes Staatshandeln schwächt. Wenn Linkspopulismus das tut, stört sie das nicht. Folglich hat Russland in den vergangenen Jahren denn auch beide  Varianten finanziell und mit Internetaktionismus unterstützt. Nichtrussische Oligarchen fördern derweil bekanntlich den Rechtspopulismus. Beispiele sind der Facebook-Großinvestor Peter Thiel, der Medienmogul Rupert Murdoch und der britische Geschäftsmann Arron Banks.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
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