Soziale Medien
Zunehmend manipuliertes Forum
Vor knapp einem Jahrzehnt sprachen Beobachter von „Facebook-Revolutionen“ – etwa mit Blick auf den Arabischen Frühling. Damals, 2011, waren soziale Medien neu und erleichterten die Kommunikation unter Gleichberechtigten. Behörden schenkten ihnen keine große Aufmerksamkeit. Auf Facebook geäußerte Unzufriedenheit schürte dann vielerorts Proteste.
Das ist heute anders. Facebook ist zu einem der wichtigsten und billigsten Propaganda-Instrumente autoritärer Akteure geworden. Die Plattform-Algorithmen merken sich, was einen User interessiert und bieten dann immer mehr und immer radikalere Varianten. So verstärkt Facebook Verschwörungstheorien und Desinformation. Das nutzt auf den Philippinen die Duterte-Regierung (siehe auch meinen Aufsatz im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2018/05).
Als Troll zu agieren ist einfach und erfordert nur ein paar Tastendrücke. Trolle erfinden Geschichten, lügen und attackieren nach Belieben. Strafe droht ihnen praktisch nicht, und zusätzlichen Schutz bieten gefälschte Social-Media-Konten. Ein Troll-Netzwerk umfasst in der Regel Zehntausende von Konten, von denen viele nicht echt sind. Manche Trolle sind vermutlich Überzeugungstäter, aber viele werden bezahlt und folgen Anweisungen.
Die Philippinen sind tendenziell smartphonesüchtig. Menschen schauen den ganzen Tag auf ihre Bildschirme, und Facebook ist besonders beliebt. Im Wahlkampf 2016 bot der Konzern Politikern an, sie im Umgang mit der Plattform zu schulen.
In einem klugen Schachzug mobilisierten Duterte-Propagandisten Millionen philippinischer Migranten (overseas Filipino workers – OFWs). Politiker hatten diese zuvor weitgehend ignoriert. OFWs erwiesen sich als Verstärker der Desinformation. Wegen der großen geographischen Reichweite ist jederzeit irgendwo jemand wach, um auf Facebook zu agieren.
Die OFWs leisten aber nicht die ganze Propaganda-Arbeit. Beobachtern zufolge werden viele Troll-Netzwerke von PR- und Werbefirmen, Callcentern und sogar Behörden betrieben. Facebook hat mindestens zweimal diverse Pro-Duterte-Facebookseiten abgeschaltet. Einige davon hatte Hunderttausende von Followern. Das Unternehmen bezichtigte diese Konten des „unauthentischen Verhaltens“. Im Jargon dieses Konzerns heißt das, dass ein nicht erkenntlicher Akteur eine Seite inhaltlich prägt. Bisher haben solch sporadische Säuberungen den Troll-Netzwerken kaum geschadet. Facebooks Bemühungen, Desinformation zu stoppen, waren meist zahnlos.
Empirische Studien (Bradshaw und Howard, 2017, Ong und Cabanes, 2018) zeigen, dass Troll-Netzwerke gezielt geknüpft und bezahlt werden. Facebook, Twitter, YouTube, Google und sogar Wikipedia lassen sich demnach leicht austricksen. Die Unternehmen sind nicht in der Lage oder willens, im großen Stil organisierte Manipulation einzudämmen, die gleichberechtigter Kommunikation zuwiderläuft, aber mächtigen Interessen dient.
Links
Bradshaw, S., and Howard, P.N., 2017: Troops, trolls and troublemakers.
https://comprop.oii.ox.ac.uk/wp-content/uploads/sites/89/2017/07/Troops-Trolls-and-Troublemakers.pdf
Ong, J.C., and Cabanes, J.V.C., 2018: Architects of networked disinformation.
http://newtontechfordev.com/wp-content/uploads/2018/02/ARCHITECTS-OF-NETWORKED-DISINFORMATION-FULL-REPORT.pdf