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Gesundheitsberatung

Engagement für gesunde Babys und Mütter

Der Norden Senegals an der Grenze zu Mauretanien ist nur schwach entwickelt. Früh- und Zwangsverheiratung sowie weibliche Genitalverstümmlung (FGM – female genital mutilation) sind weit verbreitet. Das führt bei den betroffenen Mädchen und Frauen oft zu Problemen bei der Periode und bei Geburten. Sie benötigen Beratung zum Thema Kinder- und Müttergesundheit, und diese leisten Gesundheitslotsinnen, sogenannte Badianu-Gokhs. Eine von ihnen ist Dédé Fall. Sie spricht in diesem Interview darüber, woran es Babys in der Region oft mangelt – und welche Ratschläge sie jungen Müttern gibt.
Junge Mutter mit ihrem Baby in der senegalesischen Stadt Podor. SB Junge Mutter mit ihrem Baby in der senegalesischen Stadt Podor.

In Senegal ist es üblich, dass Frauen mehrere Kinder bekommen und mit ihrer Mutter sowie anderen weiblichen Verwandten in einem Haus leben. Man müsste meinen, die Frauen geben ihr Wissen rund um Periode, Kinderkriegen und Babyversorgung an ihre Töchter weiter. Warum braucht es Gesundheitslotsinnen wie Sie?

Der Bedarf an Beratung und weiblicher Fürsprache ist bei uns riesengroß. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Themen Menstruation und Sexualität zum Beispiel sind noch immer mit sehr viel Scham und Tabus behaftet. Es herrscht viel Unwissenheit hinsichtlich der Versorgung und Ernährung von Babys und Kleinkindern. Das ist nicht bei allen jungen Frauen so, sondern hängt sehr stark davon ab, wie die Beziehung zur Mutter ist. Manche können mit ihrer Mutter über alles reden, und manche haben gar keinen Zugang zu ihr oder schämen sich, mit ihr zu sprechen. Diese Mädchen brauchen Außenstehende wie uns mit viel Erfahrung, die ihnen alles erklären und Fragen beantworten können.

Wie erhalten Sie Zugang zu den Menschen?

Es gibt viele Programme internationaler Nichtregierungsorganisationen, die aufklären und beraten wollen. Die Leute, die sie einstellen, sind aber Fremde in der Region und werden deshalb auch nicht von der Bevölkerung anerkannt. Wir Badianu-Gokhs hingegen sind Frauen, die direkt aus der Stadt oder den Stadtvierteln der Ratsuchenden kommen. Wir werden von den entscheidenden Akteurinnen und Akteuren ausgewählt, zum Beispiel vom Oberhaupt des Viertels, vom Imam und von Vertreterinnen der Frauenorganisationen. Wir kennen die Leute im Stadtteil seit Jahren. Wir sind mit vielen verwandt und werden auch als Verwandte wahrgenommen. Das ist das Schöne am Ansatz der Badianu-Gokhs.

Was sind typische Fragen, mit denen Sie zu tun haben?

Wir haben hier viele noch sehr junge Mädchen, die mit 15, 16 Jahren ungewollt schwanger werden. Sie verheimlichen ihre Schwangerschaft, solange es geht. Wir sprechen diesen Mädchen Mut zu, erklären ihnen, was bei der Geburt auf sie zukommt und was wichtig für ihre Babys ist. Wir unterstützen sie auch darin, mit ihren Familien zu sprechen.

Bei der Geburt können bei jungen Mädchen, die noch keine ausgereiften Körper haben, Komplikationen auftreten, wie Geburtsstillstand, Blutungen oder anderes. Es gibt auch Mädchen, deren Genitalien beschnitten sind, da braucht es auch besonderes Fachwissen bei der Geburtshilfe. Wir erklären den werdenden Müttern, was auf sie zukommen kann und was sie im Falle von Problemen tun können. Wenn eine medizinische Behandlung nötig ist, verweisen wir sie an die zuständigen Ärztinnen und Ärzte.

Diese Mädchen, die selbst noch fast Kinder sind, verbergen oft auch ihre Schwangerschaft und binden sich die Bäuche ab. Sie bekommen dann sehr kleine Babys mit nur zwei bis drei Kilo Geburtsgewicht. Zum Glück sind diese Kinder meist gesund, sie brauchen aber dennoch besondere Aufmerksamkeit, damit sie sich normal entwickeln.

Was genau brauchen diese Babys?

Sie brauchen vor allem eine nahrhafte Kost. Die erste Wahl ist immer das Stillen, dazu raten wir den jungen Müttern. Dennoch können manche nicht stillen oder haben nicht genug Milch, um ihre Babys satt zu kriegen. Dann zeigen wir den Müttern, wie sie aus heimischem Getreide wie Hirse, Reis oder Couscous einen geeigneten Babybrei zubereiten können. Da wir keine Babyflaschen haben, bekommen die Babys von Anfang an flüssigen Brei. Das klappt sehr gut.

Zur essenziellen Babyernährung gehört bei uns auch die Verabreichung von Vitamin A. Wir erklären den Müttern, dass bei uns alle Kinder zu wenig Vitamin A bekommen. Wegen fehlenden Obstes und Gemüses sind bei uns viele Kinder mangelernährt. Sie leiden keinen Hunger, doch es fehlen ihnen lebenswichtige Nährstoffe wie Eisen, Zink oder eben Vitamin A. Experten bezeichnen dies als „hidden hunger“, versteckten Hunger. Eine Mangelernährung führt zu verzögertem Körperwachstum und langsamerer Gehirnentwicklung. Die Menschen spüren die Folgen ein Leben lang, sie sind anfälliger für Infektionen und können sich schlechter konzentrieren.

Neben der Ernährung klären wir die Mütter auch über die Wichtigkeit der Impfungen auf und raten ihnen, alle Standard­impfungen wie die gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Polio, Tuberkulose oder Hepatitis B verabreichen zu lassen.

Was raten Sie jungen Müttern in Podor noch für ihre Babys?

Wichtig ist die richtige Hygiene. Für die, die es sich leisten können, ist es in Mode gekommen, billige Wegwerfwindeln oder Plastikhöschen aus chinesischer Produktion zu verwenden. Diese enthalten Plastik und Chemie und lassen keine Luft an den Babypopo. Außerdem halten sie oft nicht gut dicht, und die Ausscheidungen der Babys quellen an den Seiten heraus. Dies alles führt zu entzündeter Haut. Zudem sind diese Windeln ganz schlecht für die Umwelt. Wir raten den Frauen, traditionelle Stoffwindeln zu verwenden. Die sind günstig, luftig und damit gut für die Babyhaut. Zudem sind sie umweltfreundlich. Es ist natürlich etwas aufwendiger, da sie gewaschen werden müssen.

Neben der Hygiene gibt es noch einen wichtigen Punkt: Wir sorgen dafür, dass alle Babys unserer Kundinnen staatlich registriert werden und eine Geburtsurkunde bekommen. Wir machen deutlich, wie wichtig es ist, dieses Dokument zu besitzen. Ohne Geburtsurkunde können Kinder nicht zur Schule und zu Prüfungen angemeldet werden. Es fehlen ihnen wichtige Rechte wie das Wahlrecht, Recht auf Sozialleistungen und anderes. In Senegal gibt es jährlich mehrere tausend Schülerinnen und Schüler, die wegen fehlender Ausweispapiere nicht zur Abschlussprüfung zugelassen werden können.

Was sind die Beratungsthemen bei Menstruation?

Das Thema ist noch immer mit sehr viel Scham und Tabu belegt. Die Mädchen trauen sich nicht einmal mit ihren Müttern darüber zu sprechen. Viele Mädchen haben Schmerzen oder verpassen den Unterricht wegen ihrer Periode. Wir klären sie auf, wie sie trotz Periode zur Schule gehen können. Ein wichtiger Aspekt dabei sind gut schützende Binden und funktionierende Schultoiletten. Wenn die Mädchen Schmerzen haben, verweisen wir sie an eine Ärztin oder einen Arzt. Was ich noch betonen möchte, ist, dass wir die Mädchen vor früher Schwangerschaft warnen und über die Risiken aufklären. Wir klären die Mädchen auch über Verhütung auf. So können wir hoffentlich einige frühe Schwangerschaften vermeiden.

Wo beraten Sie, und wer finanziert die Badianu-Gokhs?

Wir bieten unsere Beratung derzeit in der Bücherei der Grundschule Racine Cheikh Sow im Zentrum Podors an, hoffen aber auf den baldigen Bau eines Gesundheits- und Beratungszentrums. Dieses treibt die in Deutschland lebende senegalesische Aktivistin Mariame Racine Sow maßgeblich voran. Sie ist gerade auf der Suche nach einem Bauplatz in Podor und hofft, die dafür nötigen Gelder von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen oder Stiftungen einsammeln zu können. Sie hat auch einen Teil unserer Schulungen zum Thema Menstruation und Schwangerschaft durch Spenden der Schmitz-Stiftungen finanziert. Unsere Arbeit wird teils vom senegalesischen Gesundheitsministerium finanziert und teils lassen uns die Menschen, die zu uns kommen, eine kleine Aufwendung da. Unsere Bezahlung ist aber insgesamt sehr gering.

Dédé Fall ist eine Gesundheitslotsin in der senegalesischen Stadt Podor. Sie ist selbst Mutter von fünf Kindern und hat sich durch zahlreiche Schulungen ihr Wissen zu reproduktiver Gesundheit, Menstruation sowie Mütter- und Kindergesundheit angeeignet.
euz.editor@dandc.eu