Autoritarismus
Die Kettensägenmänner
Starke Männer in der Politik scheinen wieder in Mode gekommen zu sein. Sie inszenieren sich als erfolgreiche Sieger im Fernsehen, in Magazinen und Tageszeitungen, vor allem aber auch in den sozialen Medien. Nach Jahren des Fortschritts bei der Gleichstellung von Frauen in Gesellschaft und Politik und obwohl eine beachtliche Anzahl von Frauen politische Führungsämter übernimmt, ist Staatlichkeit wieder sichtbarer „bemannt“.
Diese Staatsmännlichkeit trägt oft tragische oder lächerliche Züge, wie das clowneske Grimassieren des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Sie kommt muskulär daher, wie beim russischen Präsidenten Wladimir Putin, der mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd posiert. Sie stellt Ansprüche an ideale Körper, an männliche Standards körperlicher Stärke. Pete Hegseth, der sich seit Neuestem Kriegsminister nennt, sagte in einer Ansprache vor amerikanischen Generälen im September: „An entire generation of generals and admirals were told that they must parrot the insane fallacy that ‚our diversity is our strength‘. (…) They were told females and males are the same thing, or that males who think they’re females is (sic) totally normal.“ Oder sie ist schlicht brachial und zerstörend, zur Schau gestellt etwa beim Kettensägenauftritt des argentinischen Präsidenten Javier Milei.
Diese „strongmen“ in Staatsämtern eint ihr Hang zu übersteigerter Männlichkeit, zu Maskulinismus also, aber auch zu Autoritarismus, zu meist rechten Vorstellungen von natürlicher Ungleichheit und Hierarchien zwischen Menschen, von Herrschaft über andere Menschen, freilich auch über andere Staaten. Beziehungen werden für sie durch Disziplin, Unterwerfung und Gewalt(-Androhung) konstituiert. In ihren maskulinistisch-autoritären Gesten stellen politische strongmen körperliche sowie nationale und staatliche Stärke zur Schau. Dies läuft Gefahr, in Krieg als politischem Mittel der Auseinandersetzung zu münden: Nicht nur Putin und Trump, sondern auch etwa der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versuchen innenpolitisch, ihre autoritären Machtpositionen zu halten oder auszuweiten, indem sie kriegerische Stärke zeigen.
In Deutschland repräsentieren vor allem Vertreter der rechtsextremistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD), zweitstärkste Kraft in der Bundestagswahl 2025, diese Vorstellungen. Björn Höcke und Maximilian Krah sind prominente Politiker der Partei und liefern zahlreiche Beispiele. So wirft Höcke deutschen Männern in seinem Buch etwa vor, zu „Weicheiern“ geworden zu sein. Bereits vor zehn Jahren rief er sie dazu auf, ihre „Männlichkeit“ wiederzuentdecken, indem sie „wehrhaft“ werden. Ähnlich wie Hegseth propagiert er das Militär als Schule der Männlichkeit. Krah stellt auf TikTok fest, dass „softe“ Männer keine Partnerin finden – er wolle „echte Männer“ sehen, „Patrioten“, die „rechts“ sind.
Schwache Frauen als Pendant
Dieser autoritäre Maskulinismus – Fachleute nennen ihn „protective masculinity“ – benötigt ein Pendant: eine schwache, beschützenswerte Frau, die in traditionellen patriarchalen und heterosexuellen Verhältnissen den Mann versorgt und die freilich auch sexuell unterworfen werden kann. Autoritär-rechte Akteur*innen mobilisieren deshalb gegen die neoliberale Ansprache von Frauen als Erwerbstätigen und propagieren traditionelle Rollen wie Mutter und Hausfrau. Das tun nicht nur Männer: Influencerinnen, die sich selbst als „tradwives“ (Kurzform für „traditional wife“) bezeichnen, verdienen mit letzterem Modell ihr Geld.
Manchen Männern geht die Unterwerfung der Frau noch nicht weit genug. Tech-Milliardäre wie Elon Musk und Peter Thiel hegen maskulinistische Allmachtsphantasien. Manche Fachleute und Aktivist*innen sehen darin die Gefahr für neuartige bevölkerungspolitische und sogar eugenische Projekte (Rumberger und Darnovsky, 2023) – für die es womöglich gar keine Frauen mehr braucht.
Autoritäre Männlichkeit kann auch Geschlechteruneindeutigkeit nicht aushalten. Sie inszeniert sich als Gegenbild zum Verschwimmen eindeutiger Grenzen zwischen zwei distinkten Geschlechtern. Es scheint beinahe überflüssig zu betonen, dass in allen Ländern mit solchen Männern in Führungsämtern das Existenzrecht von trans*Personen infrage gestellt wird. In manchen wird regelrecht Jagd auf sie gemacht, ein sicheres Leben ist nicht möglich.
Männer als Opfer
Ein solches rechtsautoritäres Männerbild entsteht nicht von allein. Dafür braucht es vielmehr eine aktive „maskulinistische Identitätspolitik“. Rechte Diskurse fordern nicht nur die Wiederherstellung traditioneller Geschlechterkonstellationen, sondern sie konstruieren Männer als Opfer der Gleichstellungsbestrebungen, als Opfer, die gerettet werden müssen. Die Erzählung lautet: Männer befinden sich in einer Notsituation, in der sie ihre gesellschaftliche Stellung verlieren könnten, und haben daher ein legitimes Recht auf Gegenwehr, wenn nötig mit Aggressivität und Gewalt. Die rechte politische Kommunikation enthält dementsprechend das Versprechen, dass eine charismatisch maskulinisierte Führungsperson den vielbeschworenen „kleinen Mann auf der Straße“ erhöhen und ihm neue (Selbst-)Sicherheit verschaffen könne.
Allerdings verlangt dies Unterwerfung. Autoritär-rechte Akteure greifen dafür die widersprüchlichen Situationen – wie die Prekarisierung der männlichen Erwerbsarbeit und die gleichzeitige Ermutigung von Frauen zur Erwerbsarbeit – auf, die der Neoliberalismus kreiert hat. Die ständigen Gefühle der Verunsicherung, Überforderung und Entrechtung, die sich durch jene gesellschaftlichen Veränderungen unter einigen Männern breitgemacht haben, führen zu einem Sicherheitsbestreben, das diese Akteure durch Führung, Disziplin, Hierarchie, Unterordnung, Kontrolle und Ausgrenzung bedienen.
Entdemokratisierung durch Maskulinismus
Wie hängen nun diese Männlichkeitsbilder mit globalen Tendenzen der Autoritarisierung und Entdemokratisierung zusammen? Sicher müssen die unterschiedlichen nationalen Kontexte beachtet werden, aber es zeigen sich trotz aller Differenzen gemeinsame Muster. Die Betonung von muskulärer und soldatischer Männlichkeit ist zum einen ein Einsatz im Kampf um neue Formen „hegemonialer Männlichkeit“ (Connell und Messerschmidt, 2005), also auch um neue Geschlechterverhältnisse. Denn diese Männlichkeit ist relational, sie muss sich von Weiblichkeit abgrenzen, muss sie unterwerfen. Die Gleichstellungsbemühungen der vergangenen Dekaden sollen deshalb zurückgenommen werden, um zugleich eine autoritäre Stabilität, etwa in hierarchischen Geschlechterverhältnissen, zu etablieren.
Der Kampf um neue Männlichkeitsbilder ist zum anderen ein zentraler Aspekt der Auseinandersetzungen um kulturelle Hegemonie, politische Autorität und Macht zu einem Zeitpunkt, an dem die neoliberale Ära durch Krisen gekennzeichnet ist, die globale Wirtschaft ins Stocken gerät und die Welt neu geordnet wird. Paradigmatisch ist hierfür der bisher ökonomische Konflikt zwischen den USA und China. Maskulinistische Identitätspolitik verknüpft sich mit nationalistischer Identitätspolitik. Neoliberale Globalisierung ist am Ende, nationalistische Identität wird betont: „Make America Great Again“. Diese Vorstellung enthält exklusive Angebote der Zugehörigkeit aufgrund von Nationalität oder Geschlecht. Sie propagiert eine maskulinistische Vergemeinschaftung, also ein Zusammenleben, in dem (starke) Männer das Sagen haben und in dem es damit keine staatlichen Strukturen und Regeln mehr braucht.
Politische Männlichkeit in ihrer übersteigerten Form des Maskulinismus ist also nicht allein eine individuelle – oftmals narzisstische – Repräsentation, sondern sie ist Teil einer gezielten Strategie in der aktuellen Suche nach neuen Gesellschaftsmodellen und politischen Regulierungen im Kontext einer tiefen Krise des Neoliberalismus. In diesen Auseinandersetzungen sollen autoritäre, also disziplinierende, hierarchische und führerzentrierte „Lösungen“ für die Transformationskrisen des Neoliberalismus durchgesetzt und im Alltag der Menschen verankert werden.
Liberal-demokratische Verfahren behindern diesen gesellschaftlichen und staatlichen Umbau. Die seit dem Zweiten Weltkrieg geltende Ordnung wird aufgelöst, demokratische Staatlichkeit wird – um im Bild zu bleiben – zersägt und soll durch maskulinistische Führerschaft ersetzt werden. Auf internationaler Ebene könnte so eine globale Anarchie der Einzelstaaten entstehen, in der die Macht des Stärkeren transnationale und internationale Kooperationen ersetzt. Die Schwächung der UN wird nicht zuletzt durch die US-Regierung vorangetrieben. Sie – und nicht nur sie – rüstet für den Krieg, denn dieser wird in einer solchen Welt immer wahrscheinlicher.
Gibt es Alternativen zu diesen männlich-autoritären Dystopien? Die Auseinandersetzungen um eine neue nationale Regulierung der Wirtschaft mit mehr oder weniger staatlichem Einfluss und eine neue globale Weltordnung sind bei Weitem nicht abgeschlossen. Es kann also noch eingegriffen werden. Dies verlangt einen erneuten Anlauf zu einem feministischen Kulturkampf gegen Rechts, gegen Maskulinismus und Autoritarismus. Feministische Bewegungen auf der ganzen Welt sind nach wie vor lebendig, nicht zuletzt in Lateinamerika oder Europa. Sie haben noch immer das Potenzial, dem zerstörerischen Maskulinismus etwas entgegenzusetzen.
Literatur
Brown, W., 2019: In the ruins of neoliberalism. The rise of antidemocratic politics in the West. New York, Columbia University Press.
Connell, R., und Messerschmidt, J. W., 2005: Hegemonic masculinity. Rethinking the concept. In: Gender & Society, 6, 829–859.
Birgit Sauer ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien im Ruhestand.
birgit.sauer@univie.ac.at