Frauen in Konflikten

Männer müssen zur Verantwortung gezogen werden

Frauen werden Opfer in Kriegen und Konflikten, die Männer führen. Männer müssen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen – und dafür sorgen, dass Frauenrechte bei politischen Entscheidungen im Vordergrund stehen.
Eine Sudanesin in einem Flüchtlings­lager in der Tschad-Wüste.  picture-alliance/AA/Abdoulaye Adoum Mahamat Eine Sudanesin in einem Flüchtlings­lager in der Tschad-Wüste.

Männer haben mehr Chancen als Frauen und weniger Risiken – dieser Zustand hat sich im Laufe der Zeit weltweit gefestigt. Das wird am deutlichsten in Zeiten von Gewalt und Krieg. Und gerade dann zeigt sich, dass Männer diese Überlegenheit nicht verdient haben.

Gewaltsame Konflikte betreffen Frauen am meisten. Ihre schon in Friedenszeiten oft missachteten Bedürfnisse zählen im Krieg noch weniger. Wird im Krieg das Essen knapp, hungern Frauen als Erste. Sexualisierte Gewalt ist eine Kriegsstrategie. Männer, die behaupten, Kriege würden auch für die Rechte der Frauen geführt, werden oft selbst zu Tätern.

Heute sterben eher Frauen im Krieg als Männer – trotz moderner Waffen. Fernlenkwaffen etwa sind nicht gendersensibel, und sie werden oft eingesetzt, um zivile Zonen anzugreifen. Laut UN Women sind aktuell 90 Prozent der Kriegsopfer Zivilisten – meist Frauen und Kinder. Vor hundert Jahren waren 90 Prozent der Opfer Soldaten.

Aber nicht nur Kriege sind gefährlich für Frauen; auch häusliche Gewalt ist weltweit ein tödliches Phänomen.

Bei Friedensgesprächen haben Frauen ebenfalls wenig zu sagen. Verträge werden meist ohne weibliches Zutun abgeschlossen. Frauen sind unterrepräsentiert bei friedenserhaltenden Maßnahmen, diplomatischen Verfahren und in Dokumenten, die aus erfolgreichen Friedensgesprächen hervorgehen. Ihre Rolle beschränkt sich oft auf organisatorische Aufgaben. Eine flüchtige Bilderrecherche zeigt: Bei der Unterzeichnung von Friedensabkommen fehlen Frauen weitgehend.

Dabei ist es schlichtweg dumm, Frauen auszuschließen. Laut der US-amerikanischen Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR) flammt ein Krieg weniger wahrscheinlich wieder auf, wenn Frauen an Verhandlungen und friedenserhaltenden Maßnahmen teilgenommen haben. Vereinbarungen funktionieren laut UN Women um 64 Prozent eher, wenn Frauen und zivilgesellschaftliche Organisationen an Friedensgesprächen beteiligt sind.

Frauen werden für den Frieden gebraucht

Frauen müssen gehört werden und mit am Tisch sitzen, damit Konfliktursachen verstanden werden können. Das hilft auch, Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften besser zu verstehen. Etwas mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen. Entwicklungsinitiativen und Friedenskonsolidierung funktionieren durch ihr Zutun besser.

Ohne die Erfahrungen, Ideen und das Wissen von Frauen können Konflikte nicht langfristig gelöst werden. Länder mit starkem Fokus auf Gendergerechtigkeit sind weniger konfliktanfällig und zugleich gleichberechtigter und integrativer bezüglich ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe oder Glauben.

Es gibt Hoffnung, dass das den männlichen Entscheidungsträgern klarer wird. Das Bewusstsein für Genderfragen wächst, und Frauen spielen in Friedensprozessen eine zunehmende Rolle.

Gendergerechtigkeit wird also in der Außen- und Entwicklungspolitik bedeutsamer. Das ist gut, birgt aber das Risiko der Oberflächlichkeit. Es reicht nicht, eine Feminismusliste abzuhaken. Projekte mit Genderschwerpunkt können reine Augenwischerei sein, um mehr Mittel zu erhalten.

Verantwortliche müssen sicherstellen, dass Frauenrechte nicht nur im Vorfeld von Finanzierungsentscheidungen propagiert, sondern auch umgesetzt werden. Wir müssen uns von der Idee lösen, dass ein Plakat mit starken Frauen die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern beseitigt oder dass eine einzige Initiative mit Alibifrauen die Hälfte der Weltbevölkerung stärkt.

Auch Intersektionalität ist wichtig, wird aber oft übersehen. Viele Frauen sind nicht nur wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Oft dienen weiße und privilegierte Frauen als Beispiele für weibliches Empowerment. Dabei geht es nicht nur um Hautfarbe: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, und Śekha Hāsinā, Bangladeschs Premierministerin, sind Töchter einflussreicher Politiker und keine Repräsentantinnen marginalisierter Frauen.

Männer werden für die feministische Agenda gebraucht

Eine ehrliche Unterstützung von Frauen bedeutet, sie dauerhaft in alle Lebensbereiche einzubeziehen – insbesondere in Friedensprozesse und Konfliktprävention. Dahingehende Bemühungen können ihnen nicht einfach selbst überlassen werden. Wir Männer können nicht erwarten, dass die Hauptopfer zugleich selbstbewusste Verhandlerinnen, Friedensvermittlerinnen und Heilerinnen sind.

Oft heißt es, Gendergerechtigkeit sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – aber das trifft nicht den Punkt. Frauen werden marginalisiert, weil gesellschaftliche Institutionen so funktionieren, dass noch immer meist Männer die Macht haben. Die Unterdrückung der Frauen ist sozial konstruiert. Wir, die Männer, haben am meisten zu diesem Konstrukt beigetragen – also müssen wir es auch dekonstruieren.

Wir Männer haben die Pflicht, Frauen zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Wenn sie von Angriffen und Diskriminierung berichten, haben wir kein Recht, sie zu ignorieren oder – noch schlimmer – ihnen die Schuld für ihre Viktimisierung zu geben, wie es oft geschieht.

Meist sind wir verantwortlich für Angriffe auf sie, für Systeme, die sie unterdrücken, oder Konflikte, die ihr Leben zerstören. Es ist unsere moralische Pflicht, sie zu unterstützen. Ansonsten machen wir uns mitschuldig an der Gewalt.

Männer müssen aktiv Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Wir müssen genderspezifische Ungerechtigkeit erkennen und angehen. Wir müssen gesellschaftliche Strukturen in Frage stellen, die uns Männer in allen Bereichen direkt begünstigen. Indem wir Feminismus unterstützen, werden wir Männer unserer Verantwortung für eine gleichberechtigte Zukunft gerecht.

Fabio Andrés Díaz Pabón ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am African Centre of Excellence for Inequality Research (ACEIR) an der Universität Kapstadt und beschäftigt sich mit nachhaltiger Entwicklung und der African 2063 Agenda.
fabioandres.diazpabon@uct.ac.za

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