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Steuern statt wohltätige Spenden
Wie die beiden ihr Leben leben, ist ihre Privatsache, und wie sie ihr Geld ausgeben, ebenfalls. Sie beanspruchen, das Gemeinwohl zu fördern – aber wie sie es definieren, ist abermals Privatsache. 2019 machte die Gates-Stiftung Spenden im Gesamtwert von 5 Milliarden Dollar. Sie unterstützt Dinge wie Impfungen, erneuerbare Energie und Geschlechtergleichstellung. Letzteres liegt allerdings Melinda mehr am Herzen als Bill. Medienberichten zufolge interessiert er sich für Technik und sie sich für Gesellschaftspolitik.
In gewissem Maß verdienen Reiche Lob für wohltätiges Handeln. Groß angelegte Philanthropie spiegelt allerdings oligarchische Machtverhältnisse wider. Scheinbar selbstloses Handeln kann durchaus umstrittene Technologien fördern. Die Gates-Stiftung findet denn auch genetisch manipulierte Lebensmittel in ihrer Agrarförderung okay. Superreichen Unternehmern schlägt zudem Misstrauen entgegen. Die Verschwörungstheorie, der zufolge die Gates-Stiftung bei Impfungen zu Überwachungszwecken Mikrochips in Menschen injizieren lässt, ist selbstverständlich Unfug – aber sie zeigt, dass nicht alle den guten Absichten von Milliardären trauen.
Gates hat sein gewaltiges Vermögen auch nicht einfach in freier marktwirtschaftlicher Konkurrenz erworben. Kunden kauften die Software der von ihm gegründeten Firma Microsoft in den 1980er Jahren nicht, weil sie besonders gut war. Wer sich für Microsoft entschied, wusste, dass die eigene Computerausstattung mit anderen kompatibel sein würde. Der Erfolg beruhte auf einem Netzwerkeffekt. Die Nische, in der das Unternehmen gedieh, entstand, als Wettbewerbshüter die Marktmacht von IBM begrenzten. In den 1990er-Jahren richteten sich Kartellverfahren dann gegen Microsoft selbst. Staatliche Regulierer verhinderten, dass Gates sich das Internet mit monopolistischer Macht unterwarf.
Superreichen Eliten darf weder die Definition des Gemeinwohls noch seine Finanzierung überlassen werden. Nötig sind breite öffentliche Debatten und verantwortliche Regierungsführung. Neben Unternehmensinteressen verdienen auch soziale und ökologische Themen Beachtung. Steuern dienen der Finanzierung öffentlicher Güter – von Straßen über Schulen und Krankenhäuser bis hin zur Justiz. Staatliche Umverteilung verhindert zudem inakzeptable Armut. Eine gerechte Gesellschaftsordnung beruht nicht auf der Wohltätigkeit der finanziell Stärksten. Sie erfordert einen Gesellschaftsvertrag, der alle nach ihren Kräften ihren Anteil leisten lässt. Wir leben nicht mehr in der feudalen Ära, in der vermutet wurde, die Reichsten und Stärksten könnten über alles am besten entscheiden.
Allerdings hat die internationale Staatengemeinschaft in den vergangenen Jahrzehnten bestimmte Großunternehmen Steuerschlupflöcher nutzen und manche Investoren extrem reich werden lassen. Wir haben eine globale Ordnung für den Handel, aber nicht für das Steuerwesen. Es ist deshalb gut, dass Regierungen bei der gemeinsamen Arbeit an einer internationalen Mindestbesteuerung von Konzernen vorankommen.
Im Juli stimmten die Finanzminister der 20 größten Volkswirtschaften (G20) in Venedig ein Konzept ab, das von 130 Regierungen unterstützt wird. Die globale Koordination von Steuerpolitik widerspricht übrigens nicht nationaler Souveränität. Sie macht sie langfristig möglich. Um wechselseitige Unterbietung zu beenden und überall ausreichende Staatseinnahmen sicherzustellen, muss allerdings noch viel passieren – und in Zeiten der rasant eskalierenden Klimakrise wirkt jeglicher Fortschritt arg langsam. Die Richtung stimmt aber.
PS.: Ungleichheit ist mittlerweile extrem. Manche Milliardäre machen mit Philanthropie ihren Wohlstand sichtbar; andere protzen ohne große Gemeinwohlansprüche mit privater Raumfahrt. Das Motto der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) ist, niemanden zurückzulassen. Die Erfüllung des Wunsches weniger extrem reicher Menschen, mal kurz im All Schwerelosigkeit zu erleben, steht nicht auf der SDG-Agenda.
Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
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