Soziale Inklusion
Kinder mit Behinderungen verdienen es, gefördert zu werden
Menschen mit Behinderungen werden in Bangladesch oft von Geburt an diskriminiert. Selbst jene, die aus wohlhabenden Familien stammen und daher erhebliche Unterstützung genießen, haben kaum Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung. In der Gesellschaft ist der Glaube weit verbreitet, dass eine Behinderung ein Fluch oder eine Strafe für sündiges Verhalten ist.
Nach Angaben von UNICEF werden viele Kinder mit Behinderungen bei ihrer Geburt nicht registriert. Das verhindert, dass sie bestimmte Sozialleistungen und rechtlichen Schutz erhalten. Vergleichsweise viele von ihnen gehen nicht zur Schule, und oft wird ihnen medizinische Versorgung vorenthalten.
Kinder mit Behinderungen sind mit am stärksten von Gewalt, Missbrauch, Ausbeutung und Vernachlässigung betroffen. Das gilt besonders, wenn sie versteckt oder in Heimen untergebracht werden. Mädchen mit Behinderungen haben es besonders schwer, viele von ihnen werden nicht einmal richtig ernährt. Dies ist ein Beispiel dafür, wie geschlechtsspezifische Diskriminierung andere Formen der Stigmatisierung verstärkt – das kommt nicht nur in Bangladesch vor, sondern auf der ganzen Welt (siehe Sabine Balk auf www.dandc.eu).
Bildungseinrichtungen verfügen grundsätzlich nicht über die nötigen Mittel, um Kinder, Jugendliche oder Erwachsene mit besonderen Bedürfnissen zu unterrichten. Vielen begabten Studierenden mit Behinderungen blieb etwa der Zugang zur Universität verwehrt. Gründe dafür sind beispielsweise Vorurteile in den Behörden und dass die nötige Infrastruktur fehlt.
Wie die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization – ILO) festgestellt hat, fehlt es Menschen mit Behinderungen oft an Selbstvertrauen, um ihre Ziele zu verfolgen. Selbst ihre Familien ermutigen sie oft nicht, berufliche Qualifikationen zu erwerben. Die Erfahrung zeigt, dass junge Menschen mit Behinderungen in einem integrativeren sozialen Umfeld ihr Potenzial entwickeln und zu produktiven Mitgliedern der Gesellschaft heranwachsen können (siehe Masouda Farouk Ratna auf www.dandc.eu). Doch allzu oft werden sie sowohl von Bildungseinrichtungen als auch von ihrer eigene Familie im Stich gelassen.
Auf dem Arbeitsmarkt sieht es nicht besser aus: Überall auf der Welt haben Menschen mit Behinderungen eine niedrigere Beschäftigungsquote als die allgemeine Bevölkerung. Bangladesch ist da keine Ausnahme.
Diskriminierung, Belästigung und Isolation
In Bangladesch wird eine Behinderung oft als Unfähigkeit wahrgenommen, etwas Bestimmtes zu tun. Es gibt viele Vorurteile, die dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen als Belastung gesehen werden. Die Folgen sind Diskriminierung, Schikanen und Isolation.
Helfen würde beispielsweise eine behindertengerechte Infrastruktur. Öffentliche Gebäude oder Busse sind jedoch in der Regel für Menschen im Rollstuhl nicht zugänglich. Wo es überhaupt Ampeln gibt, verfügen diese nicht über akustische Signale für Sehbehinderte. Selbst in der Hauptstadt Dhaka sind nur wenige Gebäude barrierefrei.
Offiziell sollen in jedem Bus neun Plätze für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen reserviert sein. Doch gibt es keine Leitlinien dafür, welche Plätze das genau sind. Wenn die Busse voll sind, was häufig der Fall ist, kommen Betroffene in der Regel nicht an die Plätze, die angeblich reserviert sind. Für die meisten Menschen mit Behinderungen bleibt im Alltag nur die Nutzung privater Verkehrsmittel. Da dies sehr teuer ist, sind viele auf ihr Zuhause beschränkt.
Fortschrittliche Gesetzgebung
Die Regierung versucht, die Situation zu verbessern. Bangladesch unterzeichnete bereits 2007 als eines der ersten Länder die UN-Behindertenrechtskonvention. Die Konvention verpflichtet die Länder dazu, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern und zu schützen. Im Jahr 2013 verabschiedete Bangladesch zudem ein Gesetz über die Rechte und den Schutz von Menschen mit Behinderungen. Es sieht eine bessere Erfassung von Menschen mit Behinderungen vor und sorgt dafür, dass sie in ihren Ausweisen als „goldene“ Bürgerinnen und Bürger geführt werden. Mit diesen Ausweisen können sie staatliche Beihilfen und höhere Sozialleistungen beantragen.
Die Umsetzung ist jedoch eine große Herausforderung. Die meisten Menschen mit Behinderungen schaffen es nicht in die Ämter, um den goldenen Bürgerstatus zu beantragen. Unter anderem sind die Gebäude nicht barrierefrei oder zu weit entfernt. Natürlich spielt auch Armut eine Rolle. A.H.M. Noman Khan vom Centre for Disability in Development (CDD) hält sie für einen Hauptgrund der Ausgrenzung.
Des Weiteren fehlen zuverlässige Daten und umfassende Statistiken. Das macht es sehr schwer, alle Menschen mit Behinderungen systematisch zu erreichen. Verschiedene Quellen zeigen sehr unterschiedliche Bilder: Laut dem 7. Fünfjahresplan der Regierung (2016–2020) haben etwa neun Prozent der Bevölkerung Behinderungen, und geschätzt eine halbe Million Menschen leben mit Mehrfachbehinderungen. Das Department of Social Services (DSS) hingegen identifizierte 2021 lediglich 1,2 Prozent der Bevölkerung als Menschen mit Behinderung. Laut Fachleuten ist diese Zahl viel zu niedrig und spiegelt die Realität nicht wider.
Einige zivilgesellschaftliche Organisationen engagieren sich für Menschen mit Behinderungen und setzen sich für Veränderungen ein. Sie möchte bestehende Lücken schließen. Das Bangladesh Business & Disability Network (BBDN) beispielsweise arbeitet daran, Vorurteile zu überwinden und das Potenzial von Menschen mit Behinderungen herauszustellen. Es bemüht sich auch um Beschäftigungsmöglichkeiten. Ziel ist es, zu zeigen, dass Menschen mit Behinderungen nicht einfach nur Fälle für die Wohlfahrt oder gar eine Belastung sind. Allerdings muss noch viel mehr geschehen, damit in Bangladesch alle Menschen mit Behinderungen ein Leben in Würde führen können.
Sharlin Akther arbeitet als Programme Officer für Bangladesh Business & Disability Network in Dhaka.
pobbdn@bbdn.com.bd