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Interview

Markt ersetzt Klimadiplomatie nicht

Die Weltgemeinschaft setzt große Hoffnungen in die UN-Klimakonferenz im Dezember in Paris. Oliver Geden von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik erläutert im Interview mit Katja Dombrowski, was Paris zum Erfolg machen würde und warum er am Erreichen des Zwei-Grad-Ziels zweifelt.

Der Beschluss zur vollständigen Dekarbonisierung der Weltwirtschaft, den die G7 auf ihrem Gipfel im Juni gefasst haben, wurde von vielen als Durchbruch für den Klimaschutz gefeiert – zu Recht?
Der Beschluss ist keine Sensation, Ähnliches haben die G7 schon 2009 beschlossen. Neu ist nur der Begriff der Dekarbonisierung. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir in Paris eine erweiterte Ziellogik bekommen werden, dass es neben dem Zwei-Grad-Ziel auch auf ein Dekarbonisierungsziel hinausläuft. Dafür erwarte ich aber keine konkrete Jahreszahl.

Im Vorfeld von Paris haben einzelne Länder ihre Klimaschutzziele veröffentlicht. Kann mit diesen beabsichtigten nationalen Beiträgen (intended nationally determined contributions – INDC) die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden?
Das, was die einzelnen Länder jetzt anbieten, reicht auf keinen Fall. Deshalb hat sich jetzt die Sprachregelung durchgesetzt, das Zwei-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Man hofft auf deutlich höhere Zusagen in den Reviews nach Paris, also in den Erhöhungsrunden für die INDCs, die voraussichtlich für alle fünf Jahre beschlossen werden.

Was würde Erfolg in Paris aus­machen?
2011 wurde in Durban beschlossen, dass es spätestens 2015 einen verbindlichen, umfassenden und Zwei-Grad-kompatiblen Weltklimavertrag geben soll. Wenn das nicht klappt, könnte man sagen, Paris ist gescheitert. Aus meiner Sicht wäre es schon ein Erfolg, wenn es gelänge, die Trennung zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu überwinden. Bislang ist internationaler Klimaschutz Sache der alten Industriestaaten.

2014 war das erste Jahr, in dem die CO2-Emissionen im weltweiten Energiesektor nur minimal gestiegen sind, obwohl es keine Wirtschaftskrise gab. Ist damit die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und fossilen Energieträgern eingeleitet?
Nein. Zum einen sind die Zahlen mit Vorsicht zu betrachten, weil gerade die chinesischen Daten im Nachhinein häufig nach oben korrigiert werden. Aber selbst wenn Emissionen gesunken wären, macht ein Jahr noch keine Trendwende aus. Aus China gibt es zwar positive Zeichen, aber andere Schwellenländer wie Indien und Indonesien bauen die Kohlenutzung weiter massiv aus.

Die Kosten der Erneuerbaren-Technologien sinken, ihre Profitabilität steigt, neue Kohlekraftwerke dagegen werden unrentabel. Brauchen wir die Politik überhaupt noch – oder regelt der Markt die globale Energiewende?
Vielleicht regelt der Markt die Stromwende, zumindest in den meisten Ländern. Aber damit hätte man ja erst einen von drei Sektoren abgedeckt. Im Verkehr ist von einer Wende noch nichts zu sehen und auch im Wärmesektor nur in Ansätzen. Wir brauchen Klimadiplomatie. Die Frage ist aber, ob man für Fortschritte zwingend völkerrechtlich verbindliche UN-Verträge braucht oder ob es oft nicht schon reicht, dass Regierungen das Vertrauen gewinnen, dass auch die anderen etwas tun – sich also nicht mehr hinter dem Nichthandeln der anderen verstecken. Ohne die bilaterale Vereinbarung der USA mit China wäre es für Obama viel schwieriger, zu Hause eine ambitionierte Klimapolitik zu machen.

Der größte CO2-Ausstoß ist in Zukunft in Ländern zu erwarten, die heute noch Entwicklungs- oder Schwellenländer sind. Was bedeutet das für die internationale Politik?
Der Anteil der G7 und der gesamten OECD-Länder wird sinken, die EU und die USA haben ihren Emissionspeak schon lange erreicht. Wirklich kritisch ist die Entwicklung in den Schwellenländern. Denen kann man aber kaum sagen, macht bloß nicht das, was wir gemacht haben. Es ist entscheidend, dass Länder wie China und Indien in den nächsten 15 Jahren ihren Emissionspeak erreichen. China lässt sich auf eine solche Debatte ein – Indien nicht. Das Land hat gute Chancen, zum nächsten „bad guy“ der internationalen Klimapolitik aufzusteigen. Um die Wende in Schwellenländern voranzutreiben, sind technologische Kooperation und Knowhow-Transfer aber letztlich wichtiger als Emissionsminderungsziele.

Oliver Geden ist Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.
oliver.geden@swp-berlin.org