Afrikastrategien
Mehr Privatsektor wagen

In den letzten 20 Jahren haben zahlreiche Länder, unter anderem China, die USA und Russland sowie die EU, immer wieder Gipfeltreffen mit afrikanischen Ländern und der Afrikanischen Union (AU) abgehalten, was den wachsenden geostrategischen Wettbewerb um Afrika verdeutlicht. Die Beziehungen zu allen afrikanischen Ländern gewinnen zunehmend an Bedeutung in der Außenwirtschaftspolitik vieler Länder.
Neben der Stärkung des politischen Einflusses in Afrika geht es vielen Ländern darum, ökonomische Beziehungen zu vertiefen und ein förderliches Umfeld für Geschäftsaktivitäten zu schaffen. So kündigte die EU-Kommission im Februar 2022 an, bis zu 150 Milliarden Euro im Rahmen der Global Gateway Initiative in afrikanische Länder zu investieren. Durch diese sollen unter anderem der ökologische und digitale Wandel sowie nachhaltiges Wirtschaftswachstum gefördert und Gesundheitssysteme ausgebaut werden.
Gleichzeitig positionieren mittlerweile einige EU-Mitgliedstaaten ihren Privatsektor als Akteur für die Erreichung entwicklungsökonomischer und -politischer Ziele. Die folgende vergleichende Betrachtung der Afrikastrategien von Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden zeigt unterschiedliche Herangehensweisen sowie eine unterschiedliche Relevanz, die dem Privatsektor dabei beigemessen wird.
Alle vier Länder waren in der jüngsten Vergangenheit verstärkt diplomatisch aktiv: Deutschland ist eine treibende Kraft hinter der G20-Initiative „Compact with Africa“, die unter der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 ins Leben gerufen wurde. Ihr Ziel ist es, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in afrikanischen Partnerländern zu verbessern, um Investitionen des Privatsektors zu fördern. Die französische Regierung hielt seit den 1970er-Jahren 28 Afrika-Frankreich-Gipfel ab, zuletzt 2021. Beim jüngsten Gipfel verfolgte die französische Regierung einen neuen Ansatz, indem sie statt afrikanischer Regierungsvertreter*innen zivilgesellschaftliche Akteure, Unternehmen, Intellektuelle und die afrikanische Diaspora einlud, um etwa über kulturelle Themen sowie Unternehmertum und Innovationen durch afrikanische und französische Start-ups zu sprechen. Die italienische Regierung veranstaltete im Januar 2024 einen Afrika-Gipfel, an dem 21 afrikanische Staats- und Regierungschefs teilnahmen. Dies war der hochrangigste Gipfel, den Italien in den vergangenen Jahren ausrichtete – und ein Zeichen für den verstärkten Fokus auf den Kontinent. Die Niederlande hielten bislang keinen Afrika-Gipfel ab.
Frankreich
Präsident Emmanuel Macron stellte 2023 eine neue Afrika-Strategie vor. Neben einer sicherheitspolitischen Neuausrichtung soll damit eine Neuaufstellung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit angestoßen werden – weg von klassischer Entwicklungszusammenarbeit und hin zu einer stärkeren Rolle des Privatsektors. Insbesondere soll die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Bereichen Landwirtschaft, digitale Technologien sowie Kultur- und Kreativwirtschaft intensiviert werden.
Die Investitionen französischer Unternehmen in Afrika sollen zudem durch eine bessere Absicherung gegen Risiken unterstützt werden. Französische Unternehmen, die international expandieren, werden grundsätzlich vom „Team France Export“ gefördert. Diese Initiative bündelte das Angebot für den Markteinstieg vonseiten der Exportkredit- und Außenwirtschaftsagentur, nationalen und Außenhandelskammern sowie der einzelnen französischen Regionen, um Unternehmen einen schnellen Überblick über sämtliche Fördermöglichkeiten der Afrika-Aktivitäten zu bieten.
Italien
Die italienische Regierung stellte im Jahr 2024 den Mattei-Plan vor, der sechs Säulen umfasst: Bildung, Landwirtschaft, Gesundheit, Energie, Wasser und Infrastruktur. Ziel ist die nachhaltige sozioökonomische Entwicklung Afrikas und die Bekämpfung der Ursachen irregulärer Migration. Die Rolle der italienischen Unternehmen liegt dabei vor allem in der Umsetzung dieses Plans, insbesondere im Hinblick auf Energieprojekte und die Förderung afrikanischer Start-ups. Der Mattei-Plan schließt an die 2020 verabschiedete Afrika-Strategie an, die einen Schwerpunkt auf wirtschaftliche Investitionen, insbesondere durch den italienischen Privatsektor, in den Bereichen Agrar- und Ernährungswirtschaft, erneuerbare Energien und Infrastruktur legte. Der Plan soll italienische Unternehmen bei der Expansion in Afrika und beim Abschluss erfolgreicher Partnerschaften unterstützen.
Niederlande
Die niederländische Regierung hat 2023 erstmals eine Strategie für den gesamten afrikanischen Kontinent vorgestellt, die auf zehn Jahre angelegt ist. Der Fokus liegt auf vier Bereichen: gleichberechtigte wirtschaftliche Entwicklung, Sicherheit, Migration sowie Armutsbekämpfung und Klimaschutz. Der Privatsektor hat dabei grundlegende Bedeutung für die Umsetzung aller Schwerpunktbereiche.
Zentral ist die Förderung des afrikanischen Privatsektors. Ziel ist es, Wertschöpfungsketten nachhaltiger zu gestalten und die lokale Produktion zu stärken, um afrikanischen Unternehmen den Zugang zu europäischen Märkten zu erleichtern. Besonders relevante Sektoren des privatwirtschaftlichen Engagements sind Landwirtschaft, Gesundheitswesen und Infrastruktur. Acht afrikanische Länder (Ägypten, Côte d’Ivoire, Ghana, Kenia, Marokko, Nigeria, Senegal und Südafrika) sind Schwerpunktländer für Projekte im Bereich des nachhaltigen und digitalen Wandels zur Schaffung lokaler Arbeitsplätze.
Auf der anderen Seite sollen innovative Finanzierungsmodelle Investitionen des niederländischen Privatsektors in Afrika erleichtern. Besonders betont wird die Rolle der afrikanischen Diaspora in den Niederlanden als Brücke zwischen beiden Regionen.
Deutschland
In Deutschland haben einzelne Bundesministerien und die Bundesregierung in den vergangenen Jahren verschiedene Afrika-Strategien verabschiedet. So existieren Afrikastrategien des Verteidigungsministeriums (2015), des Bildungsministeriums (2018), des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2023) und des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (2025). Die afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung, koordiniert vom Auswärtigen Amt, wurden zuletzt Anfang 2025 aktualisiert.
Die Leitlinien gliedern sich in vier Säulen:
- Gemeinsame Bewältigung globaler Herausforderungen,
- Sicherheit, Frieden und nachhaltige Stabilität,
- Stärkung demokratischer Resilienz sowie von Bildung, Wissenschaft und Innovation und
- Nachhaltiges Wachstum, mehr ökonomischer Austausch und Unternehmenskooperation, lokale Wertschöpfung und Diversifizierung von Lieferketten.
In der letztgenannten Säule geht es um die Stärkung privatwirtschaftlicher Akteure, etwa Unternehmen in afrikanischen Ländern, deren Kooperation mit deutschen Unternehmen ausgeweitet werden soll. Allerdings wird der Privatsektor nicht als grundlegender Träger der Leitlinien angesehen, sondern nur in dieser Säule schwerpunktmäßig adressiert.
Empfehlungen für die deutsche Afrikapolitik
Die vergleichende Betrachtung der Afrikastrategien zeigt, dass alle Länder die ökonomische Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern und insbesondere privatwirtschaftliche Investitionen in Afrika intensivieren möchten. Unterschiede gibt es allerdings bei der Rolle des Privatsektors als Weichensteller für Afrikas Entwicklung. Während in Frankreich, Italien und den Niederlanden dem Privatsektor eine grundlegende Rolle zugeschrieben wird, um entwicklungspolitische und wirtschaftliche Ziele zu erreichen, wird der Privatsektor in Deutschland als eigenständiges Thema nur in einer der Säulen der afrikapolitischen Leitlinien angesprochen.
Deutschland benötigt eine umfassende, ressortübergreifende Afrika-Strategie, die über themenspezifische Afrikapapiere einzelner Ministerien hinausgeht und einen integrierten Ansatz verfolgt. Ein solcher Ansatz sollte klare Ziele definieren, die wichtigsten Akteure der Afrikapolitik zusammenführen und eine zentrale Rolle für den Privatsektor etablieren.
Die Privatwirtschaft sollte in den Mittelpunkt der Afrikapolitik rücken, da deutsche und afrikanische Unternehmen eine wesentliche Rolle bei der Erreichung entwicklungspolitischer und ökonomischer Ziele spielen. Sie bringen darüber hinaus viele positive Effekte für die afrikanischen Länder mit sich: Durch Investitionen in Afrika tragen Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zum Technologietransfer und zum Wirtschaftswachstum bei, was zu politischer und sozialer Stabilität sowie zu reduzierter Abwanderung führt.
Eine stärkere Fokussierung der Afrikapolitik auf Unternehmen würde auch eine bessere Unterstützung für den Privatsektor beim Markteintritt in afrikanischen Ländern und im bereits laufenden Geschäft einschließen. Dies wäre für alle eine gewinnbringende Situation, in der die afrikanischen Länder, aber auch die deutsche Privatwirtschaft profitieren könnten, ohne neue Abhängigkeiten aufzubauen.
Literatur
Von Carlowitz, P., und Züfle, S., 2024: Herausforderungen und Strategien für das bayerische Afrikageschäft. Eine vbw Studie.
Simon Züfle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Think Tank Doing Business in Africa an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen.
simon.zuefle@reutlingen-university.de
Philipp von Carlowitz ist Professor für Internationales und Strategisches Management und Leiter des Think Tanks Doing Business in Africa an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen.
philipp.von-carlowitz@reutlingen-university.de