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Küstenschutz

Feindliche Gezeiten

Der Fischer Domingos Nhama José zeigt auf die Reste seines Hauses: „Nächste Woche wird das Meer es ganz weggespült haben.“ Rund 55 000 Menschen in Beira könnten wie er bis 2017 ihre Wohnstätten an das Meer verlieren.

Von Holger Thomsen

Die Hafenstadt Beira liegt etwa 1100 Kilometer nördlich von Mosambiks Hauptstadt Maputo. Im Bürgerkrieg, der vor 20 Jahren zu Ende ging, war sie heftig umkämpft. Heute droht der Stadt mit rund 500 000 Menschen eine andere Gefahr: Der Meeresspiegel steigt, extreme Wetterlagen werden häufiger und die schützende Dünenlandschaft erodiert. Gigantische Schutzprojekte wie etwa in den Niederlanden sind aber undenkbar. Sie wären viel zu teuer.

Mosambik ist das am stärksten von extremen Wetterereignissen betroffene Land Afrikas, und Beira ist der schwächste Punkt an der 2700 Kilometer langen Küste. Die tropischen Wirbelstürme, die über dem Indischen Ozean entstehen, drücken das Wasser vom Meer aus auch nach Beira hinein und überfluten die Wohngegenden und Armenviertel, die teilweise bis zu vier Meter unterhalb des Meeresspiegels liegen. Normalerweise wird die Stadt bei Ebbe entwässert, und bei Flut werden die Verbindungen zum Meer geschlossen. Doch dieses System hält anhaltendem Hochwasser nicht stand.

Katastrophal wird es, wenn Sturmflut in Kombination mit Starkregen auftritt, denn dann tritt auch der örtliche Fluss über die Ufer. Innerhalb von Stunden laufen die Abwasserkanäle über und schneiden die Fluchtwege ab, Fäkalien geraten auf die Felder und in den Nahrungskreislauf, es gibt kein sauberes Trinkwasser mehr. Nur ein kleiner Teil Beiras, das alte koloniale Stadtzentrum, liegt hoch genug, um der Flut zu entkommen.

Beiras Einwohner verlassen sich nicht mehr darauf, von staatlichen Stellen rechtzeitig gewarnt und in Sicherheit gebracht zu werden. Sie haben mit Unterstützung des Nationalen Instituts für Katastrophenmanagement (INGC) und der Stadtverwaltung begonnen, lokale Schutzkomitees mit bis zu 20 Personen aufzubauen. Sie treffen sich regelmäßig, um für den Ernstfall zu üben, Aktionspläne zu entwerfen und Evakuierungsrouten festzulegen. In Kooperation mit der örtlichen Universität wurden entlang der Abwasserkanäle Flutsensoren installiert. Bei Pegelüberschreitungen schlagen sie bei einem Komitee-Mitglied Alarm.

Die Stadtverwaltung reagiert auch auf andere Weise auf die schleichende Bedrohung. Seit 2010 hat sie ein Amt für Katastrophenmanagement, Anpassung an den Klimawandel und Küstenschutz. Es gibt innovative Dialogformen für den Austausch über konkrete Probleme wie Küstenerosion. Beim Aufbau der Krisenreaktionsmechanismen wird die Stadt von der GIZ und der Arbeitsgemeinschaft IP Consult/AMBERO Consulting unterstützt.

Der Draht zwischen Bürgern und Verwaltung ist kurz geworden – wie sich im Januar auch in der Praxis erwies. Einwohner des Stadtviertels Chipangara riefen das lokale Schutzkomitee zu Hilfe, weil starker Regen nachts zu Hochwasser geführt hatte. Eine Untersuchung vor Ort ergab, dass ein neues Bauvorhaben das Drainagesystem blockierte. Das Komitee kontaktierte die Behörden, so dass das Problem schnell behoben und größere Schäden vermieden wurden.

Geplant wurden afrikanische Küstenstädte meist als Handels- und Militärstützpunkte der europäischen Kolonialmächte. Heute wachsen sie schnell, weil sie selbst in den Elendsvierteln bessere Überlebenschancen bieten als so manche verarmte Agrarregion. Der Klimawandel ist für diese urbanen Zentren aber eine existenzielle Bedrohung.

Nötig sind jetzt Eigeninitiative und Gemeinschaftssinn. „Ich habe den Eindruck, dass die Leute früher darauf gewartet haben, dass die Regierung ihre Probleme löst. Heute, mit den lokalen Komitees, merken sie, dass sie aktiv werden können, und machen mit“, beschreibt Augusto de Jesus, der Leiter des städtischen Amts fürs Katastrophenmanagement, die neue Mentalität.