Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Mütter

Gesunder Wandel

Eine Gesamtfertilitätsrate von 2,1 bedeutet, dass Frauen durchschnittlich 2,1 Kinder in ihrem Leben bekommen. Ohne Migration ist die Bevölkerung eines Landes dann stabil. Bangladesch hat dieses Ziel erreicht und auch andere südasiatische Länder sind auf einem guten Weg. Laut einer Studie der Weltbank lag die Gesamtfertilitätsrate in dieser Weltregion 1966 bei 5,0 und 2016 bei 2,44.
Dörfliche Schwangerenvorsorge. dem Dörfliche Schwangerenvorsorge.

Bangladesch ist der regionale Spitzenreiter. Nach Angaben der Weltbank lag die Gesamtfertilitätsrate 1960 im damaligen Ostpakistan bei 6,6. Seither hat sich die Rate um mehr als zwei Drittel reduziert. Dieser Erfolg ist bedeutsam, da nachhaltige Entwicklung eine stabile Bevölkerungszahl voraussetzt.

Die ersten Programme zur Familienplanung in Bangladesch hatten in den 1960ern nur mäßigen Erfolg. Sie fokussierten ausschließlich auf Verhütungsmethoden, vernachlässigten also die Gesundheit von Müttern und Kindern. Eltern entscheiden sich aber dann für kleinere Familien, wenn die Säuglings- und Kindersterblichkeit sinkt. Ist sie hoch, wollen sie viele Kinder, um sicherzugehen, dass wenigstens einige überleben. Bei geringer Sterblichkeit investieren sie dagegen in Bildung, um die Lebenschancen der Kinder zu verbessern. Im Schnitt sind kleinere Familien gesündere Familien.

Nach seiner Unabhängigkeit von Pakistan setzte Bangladesch erfolgreiche Impfprogramme um. Zudem verbesserte sich das Gesundheitswesen, vor allem dank zivilgesellschaftlicher Initiativen. Die Regierung erkannte die Notwendigkeit, die Gesundheit von Müttern und Kindern zu verbessern. Mehr Kinder erlebten ihren fünften Geburtstag.

Enge Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und Zivilgesellschaft ist sinnvoll. 1978 begann die Regierung Bangladeschs Dienstleistungen zur Familienplanung durch Familienhelfer zu fördern. Diese waren häufig professionell ausgebildete Sanitäterinnen, Krankenschwestern und Geburtshelferinnen. Sie sollten Dorffrauen erreichen und Mütter über die Vorteile kleinerer Familien beraten. Sie boten auch Rat zu anderen Themen sowie Zugang zu qualifizierter Gesundheitsversorgung.

Bangladesch zählt zu den geringstentwickelten Ländern. Wir haben nicht genug Ärzte. Wie die Erfahrung von Gonoshasthaya Kendra (GK), einem nichtstaatlichen Gesundheitsdienstleister, und anderen Akteuren zeigt, können Paramedics die wichtigsten Dienste erbringen. Für komplizierte Fälle benötigen sie allerdings ein Überweisungs­system an Ärzte mit Hochschulbildung.

Gerade im ländlichen Raum waren traditionelle Hebammen immer wichtig – und sind es auch heute noch. Sie genießen das Vertrauen ihrer jeweiligen Gemeinschaften. Es ist sinnvoll, ihr Wissen auf den neuesten Stand zu bringen und sie in die Familienplanung einzubeziehen.

Bildung gibt Frauen mehr Entscheidungsmacht darüber, wie viele Kinder sie bekommen wollen – und Mädchen, die zur Schule gehen, heiraten meist später. Zudem verändern sich die Geschlechterrollen – nicht zuletzt dank Mikrofinanzorganisationen. Sie geben Frauen seit Jahrzehnten Zugang zu Krediten.

Religion war in Bangladesch kein großes Hindernis für die Familienplanung, was wohl an unserer jüngsten Geschichte liegt. Im Befreiungskrieg von 1971 wurden viele Frauen vergewaltigt. Einige wurden schwanger, wollten diese Kinder aber nicht. Sie brauchten Abtreibungen. Obwohl unser Land mehrheitlich muslimisch ist und eine eher konservative Kultur hat, sympathisierten die Menschen mit den Vergewaltigungsopfern. Die humanitäre Katastrophe bot die Gelegenheit, die Familienplanung voranzutreiben.

Bangladesch ist ein armes Land, aber wir haben Fortschritte gemacht. Die Mehrheit der Menschen hat heute Ernährungssicherheit. Allerdings sind viele Arme unterernährt und vielen mangelt es an angemessenem Wohnraum. Die Städte wachsen schnell, ohne geeignete Infrastruktur, und die Auswirkungen des Klimawandels sind spürbar. Wir stehen vor großen Herausforderungen, können sie aber meistern.

Die Senkung der Gesamtfertilitätsrate auf 2,1 ist ein großer Erfolg. Statistische Mittelwerte verbergen jedoch immer etwas. Arme Familien im ländlichen Raum haben weiterhin zu viele Kinder. Die Gesundheitsversorgung muss weiter verbessert werden – das gilt auch für die soziale und physische Infrastruktur generell.


Najma Rizvi ist eine emeritierte Professorin für Anthropologie. Sie hat an der Universität des zivilgesellschaftlichen Gesundheitsdienstleisters Gonoshasthaya Kendra gelehrt.
nrizvi08@gmail.com