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Zwischen Chance und Ausbeutung: Was gute Arbeit ausmacht

Weltweit kämpfen Menschen in prekären Jobs für ein besseres Leben. Ihre Geschichten zeigen, wie wichtig faire Arbeitsbedingungen sind – und internationale Verantwortung.
Viele Menschen arbeiten unter schwierigen Bedingungen: Frauen tragen Waren auf dem Kopf. Ngabonziza Bonfils
Viele Menschen arbeiten unter schwierigen Bedingungen: Frauen tragen Waren auf dem Kopf.

Vor vielen Jahren hat mich eine Frau sehr beeindruckt. Damals war ich in Guatemala und wurde zu einer Examensfeier von Krankenpflege-Auszubildenden eingeladen. Unter all den jungen Absolventinnen trug nur eine indigene Tracht. Wie ich erfuhr, war sie Jahre zuvor ohne Geld und Schulabschluss aus ihrem Dorf in die Stadt gekommen, um als Hausangestellte zu arbeiten. Sie hatte nebenher die Schule besucht und schließlich eine Ausbildung abgeschlossen. Bei der Zeremonie hatten ihre Eltern Tränen in den Augen: Ihre Tochter würde ein gutes Auskommen haben.

Viele Hausangestellte in Guatemala – zumeist junge, indigene Frauen – arbeiten bis heute unter prekären Bedingungen: schlecht bezahlt, ohne Absicherung, häufig Opfer von Rassismus und Gewalt. Dennoch nehmen sie die Jobs auf sich, denn sie bieten immerhin eine kleine Chance auf Verbesserung. Weltweit kämpfen Menschen mit geringen Einkommen unter schwierigsten Bedingungen für eine Perspektive, möchten ihre Familien unterstützen oder Kinder in die Schule schicken. Sie migrieren, gründen kleine Unternehmen, arbeiten in Minen, Fabriken oder auf Plantagen. Manche schaffen es, wie die Krankenpflegerin aus Guatemala – viele nicht.

Ob Arbeit eine Chance oder ein Risiko ist, hängt besonders von den Arbeitsbedingungen ab. Das gilt für formelle und informelle Beschäftigung gleichermaßen: Ob Verkäuferin oder Fabrikarbeiter – es macht einen Unterschied, ob ihnen etwas Geld zum Sparen bleibt, ob sie Zeit für Weiterbildung und Erholung haben, ob sie Respekt erfahren und ob sie behandelt werden, wenn sie krank sind. Im Kollektiv können sie solche Dinge eher erreichen: Hausangestellte in Süd- und Mittelamerika vereinen sich länderübergreifend, Frauen aus dem informellen Sektor in Indien tun sich zusammen, und in Bangladesch ist die Textilarbeiter*innen-Gewerkschaft stark. Gemeinsam setzen sie Lohnuntergrenzen oder bauen Mikroversicherungen auf. 

Doch ihre Spielräume bleiben begrenzt. Die globale Arbeitswelt ist geprägt von alten Machtverhältnissen. Viel zu oft liefern Länder des Globalen Südens Rohstoffe und günstige Arbeitskraft, während Gewinn und Wertschöpfung im Norden bleiben. Auch die Digitalwirtschaft hat daran nichts geändert: Große Tech-Konzerne lagern zeitintensive Tätigkeiten in Niedriglohnländer aus. Dort sichten Menschen Gewaltvideos oder füttern KI-Systeme mit Informationen – für ein paar Dollar pro Tag, oft ohne Schutz.

Während US-Präsident Donald Trump darin absurderweise eine Benachteiligung für die USA sieht und Arbeitsplätze zurückholen möchte, wächst in Europa ein Bewusstsein für die Bedingungen in Zulieferbetrieben. Seit 2023 verpflichtet das deutsche Lieferkettengesetz Unternehmen, die Bedingungen bei Zulieferern zu prüfen; nächstes Jahr soll die EU-Lieferkettenrichtlinie folgen. Was das Gesetz tatsächlich bewirken kann, bleibt abzuwarten, und hängt maßgeblich von seiner Ausgestaltung ab. 

In Kenia muss sich derweil META bereits für die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bei einer Dienstleisterfirma verantworten. Dort klagen Content-Moderator*innen, die traumatisierende Inhalte auf Facebook sichten mussten. Ein Gericht urteilte Ende 2024, dass die Klagen zulässig seien. Den Konzern wird das nicht viel kosten; META hat die Content-Moderation bereits außer Landes verlegt, und den Mitarbeitenden gekündigt. Die Botschaft aber ist deutlich: Auch große Unternehmen sollen Verantwortung nicht mehr einfach auslagern können. 

Eva-Maria Verfürth ist Chefredakteurin von E+Z.
euz.editor@dandc.eu 

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