Reaktivierung von Klimamaßnahmen
Die eine Sache, die uns alle betrifft

Eine globale Pandemie und enorme Lebenshaltungskosten aushalten und zugleich sinnlose Kriege, die Aushöhlung der Demokratie und die eskalierende Klimakrise miterleben zu müssen – so habe ich mir meine Jugend nicht vorgestellt. Zu sehen, wie die Welt aus den Fugen gerät, zeigt einfach: Die Menschheit kann ihr eigener schlimmster Feind sein. Die Gier, Verantwortungslosigkeit und das gnadenlose Streben nach Reichtum einer kleinen Minderheit der Weltbevölkerung haben uns an diesen Punkt gebracht.
Neben unseren multiplen Krisen wirkt die Klimakrise oft wie ein langsam eintretender Notfall – vor allem in Ländern, in denen es Extremwetter meist zu bestimmten Jahreszeiten gibt. Normalerweise ist das der Moment, in dem die Welt aufhorcht: Sturzfluten in Bangladesch und Kenia, Waldbrände in Australien und Kanada. Diese Katastrophen – und die Aufmerksamkeit, die sie bekommen, – dauern möglicherweise nicht lange an. Für die am stärksten Betroffenen aber sieht es anders aus. Sie müssen mit Langzeitfolgen fertigwerden, die ihr Leben auf den Kopf stellen. Davon erholt man sich nicht so leicht – vor allem nicht ohne globale Unterstützung und Solidarität.
Mit nachlassender Aufmerksamkeit schwindet auch der politische Wille
Sobald wir die Klimakrise weniger beachten, lässt auch der politische Wille nach. Angesichts der aktuellen politischen Lage ist es nichts Besonderes, zu sagen, dass wir Fortschritte, die wir seit der COP1, der ersten UN-Klimakonferenz im Jahr 1995, erzielt haben, womöglich gerade wieder rückgängig machen. Als die neue US-Regierung ins Amt kam, war klar, dass sie erneut aus dem Pariser Abkommen aussteigen würde. Leider kürzen aber nicht nur die USA ihr Budget, sondern auch andere Industrienationen. Das hat drastische Folgen für wichtige Programme in vielen Ländern des Globalen Südens. Diese müssen nun herausfinden, wie sie sich am besten an den Klimawandel anpassen und weitere Folgen abmildern können – weitgehend ohne ausländische Hilfe.
Länder, die ihre Klimaverpflichtungen zurückschrauben, argumentieren unter anderem damit, dass es an der Zeit sei, nach innen zu blicken und sich um die eigenen Landsleute zu kümmern. Dieses Argument ist problematisch: Es ignoriert die historische Verantwortung der Länder, die durch die Nutzung fossiler Brennstoffe reich geworden sind, während die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen – vor allem im Globalen Süden – nun unter den Klimafolgen dieser Industrialisierung leiden. Die Bereitstellung von Klimageldern für gefährdete Bevölkerungsgruppen ist daher keine Gefälligkeit der reichen Länder, sondern eine Verpflichtung, die sie zu erfüllen haben. Zudem werden die westlichen Länder bald erkennen – wenn sie es nicht längst getan haben –, dass klimabedingte Katastrophen ihre eigene Bevölkerung nicht verschonen werden. Auch, um sich um sie zu kümmern, müssen sie Klimaschutz betreiben.
Traurig ist auch, dass die Budgetkürzungen in so einem wichtigen Moment der Klimabewegung geschehen – gerade jetzt, wo wichtige Diskussionen mehr im Mainstream ankommen. Nach jahrelangem Ringen wurde endlich der Loss-and-Damage-Fund auf den Weg gebracht. Die bereitgestellten Mittel waren aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zum BIP der am stärksten verantwortlichen Länder und zu den Profiten der Ölgiganten.
Den Menschen wieder die Augen für den Klimawandel öffnen
Wie gewinnt man also ein neues Bewusstsein für den Klimawandel? Zwei Beispiele von meinem Kontinent:
Am Horn von Afrika sind drei Regenzeiten nacheinander ausgefallen. Die Familien dort sind durch den Verlust ihres Viehs – ihrer Haupteinnahmequelle – ruiniert. Die Kinder sind unterernährt und können nicht zur Schule gehen. Mädchen müssen früh heiraten, da die Eltern die Grundbedürfnisse der Familie nicht mehr erfüllen können und die Zahl der zu fütternden Mäuler reduzieren müssen.
In Mosambik, im südlichen Afrika, sind die Gemeinschaften in ständiger Alarmbereitschaft, aus Furcht vor dem nächsten Zyklon. Sie sind erschöpft von der Aussicht, nach jedem Wirbelsturm wieder von vorn beginnen zu müssen – ohne angemessene Unterkünfte, ohne genügend Nahrungsmittel, ohne Systeme, die sie dabei unterstützen, wieder auf die Beine zu kommen, und ohne die Infrastruktur, um sich auf das nächste Mal vorzubereiten.
Die Gemeinschaften, deren Leben von Extremwetterereignissen geprägt ist, sind sich des Klimawandels sehr wohl bewusst. Doch oft haben sie keine Plattform, um sich zu äußern, ihre Geschichten zu erzählen und mitzuentscheiden.
Zugleich schenken viele Menschen in reicheren Teilen der Welt dem Klimawandel offenbar nur dann ungeteilte und längerfristige Aufmerksamkeit, wenn sie selbst direkt von Katastrophen betroffen sind oder wenn steigende Lebensmittelpreise oder störende Aktionen junger Menschen ihren Alltag beeinträchtigen. Solche Meldungen finden schnell ein Forum, und es wird weltweit berichtet – zumindest bis zur nächsten politischen Nachricht.
Was alle Menschen auf der ganzen Welt verstehen müssen, ist, dass ihr eigenes Leben mit dem der Menschen in Mosambik oder am Horn von Afrika untrennbar verbunden ist. Die Klimafolgen werden uns alle betreffen, entweder direkt in Form von extremen Wetterereignissen und Naturkatastrophen oder indirekt, wenn ganze Weltregionen unbewohnbar werden und ihre Bewohner*innen anderswo Zuflucht suchen.
Aber weshalb sollten wir uns zurücklehnen und abwarten, bis es so weit ist? Mehr denn je müssen wir Institutionen, Regierungen und Großkonzerne in die Pflicht nehmen. In diesem Jahr werden die 195 Unterzeichnerstaaten des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) ihre neuen, national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions) vorlegen, und diese müssen ambitioniert sein. Im Laufe der Jahre sind lokale Gemeinschaften aktiv geworden, um ihre Situation anzugehen. Die Gelder müssen daher in Ansätze fließen, die ihren Realitäten am besten entsprechen.
Ein verbindendes Element
Es ist immens wichtig, dass wir dem Klimaschutz als Querschnittsthema weiterhin Priorität einräumen. Letztlich hängen wir alle von einem lebensfähigen Planeten ab – auf dem alle Menschen Zugang zu sauberem Wasser und Lebensmitteln haben, auf dem gefährdete Gemeinschaften sicher und Kinder gesund sind, auf dem Unternehmen florieren und der Lebensunterhalt für heutige und künftige Generationen gesichert ist.
Um den Menschen den Klimawandel wieder nahezubringen, müssen wir – auch in den Medien – das Klima neu verstehen als verbindendes Element, das alle Bereiche unseres Lebens durchdringt, und es bei allem, was wir tun, berücksichtigen.
Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, in der sich die digitale Welt ständig weiterentwickelt und es uns leicht macht, auf Online-Plattformen über geografische Grenzen hinweg Gemeinschaften zu bilden und Solidarität zu schaffen für das, was uns alle verbindet: die Folgen des Klimawandels, so unterschiedlich sie sich in unseren verschiedenen Kontexten auch zeigen mögen.
Diese Solidarität wird uns helfen, den notwendigen politischen und zivilgesellschaftlichen Druck aufrechtzuerhalten, um Veränderungen herbeizuführen. Die Erde ist unsere gemeinsame Verantwortung, und wir müssen in unseren unterschiedlichen Rollen und Umständen dazu beitragen, das zu schützen, was uns alle erhält.
Abigael Kima ist eine kenianische Klimaaktivistin sowie Host und Produzentin des Hali Hewa Podcasts. Sie arbeitet bei HIVOS als Project Officer für das Voices for Just Climate Action Programme.
abigaelkima@gmail.com
Dieser Beitrag ist Teil des 89 Percent Project, einer Initiative der globalen Journalismus-Kooperation Covering Climate Now.