Pressestimmen

Heiße Luft

Zwei Jahrzehnte nach dem ersten Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro fand am selben Ort ein Folgegipfel statt. „Rio+20“ sollte neue Wege für nachhaltiges Wirtschaftswachstum einleiten. Schon vor Beginn einigten sich die Vertreter der rund 180 teil­nehmenden Staaten auf ein Abschlussdokument mit dem Titel „Die Zukunft, die wie wollen“. Konkrete Verpflichtungen stehen jedoch nicht darin. Viele Kommentatoren weltweit bewerteten Rio+20 deshalb als Enttäuschung.

Costa Rica: El Financiero

Es ist kaum zu glauben, dass seit dem ersten Erdgipfel schon zwei Jahrzehnte vergangen sind. Doch erst recht ist unglaublich, dass wir nun zwar schon zwei Jahrzehnte lang vorgeben, dem Thema ökologische Nachhaltigkeit absolute Priorität einzuräumen, wir im Jahr 2012 aber immer noch nicht nachhaltiger leben.

Indonesien: The Jakarta Post

Die Konferenz versuchte zwar, Probleme wie Armut, Hunger, Energieknappheit und Umweltzerstörung anzugehen. Doch sie war überschattet von den wirtschaftlichen und politischen Krisen auf der Welt. Es besteht wenig Aussicht auf konkrete Maßnahmen oder neue Hilfszusagen für Entwicklungsländer.

Neuseeland: The Dominion Post

Die Industrienation scheinen eine „Tut, was wir sagen, nicht was wir tun“-Doktrin zu verfolgen. Viele wichtige politische Führer sind gar nicht anwesend.

Brasilien: O Globo

Es gab Hoffnungen, dass auf der Rio+20-Konferenz in so wichtigen Bereichen wie Ernährungssicherheit, Wasser und Energie Ziele definiert würden. Doch kaum jemand erwartete verbindliche Maßnahmen. ... Dieses Gefühl, dass die Konferenz keine substanziellen Ergebnisse hervorbringen werde, wird Obama und Cameron in ihrer Entscheidung bestärkt haben, nicht zu erscheinen.

Südafrika: Independent Online

Das Wort „bekräftigen“ erscheint 59 Mal in dem 49-seitigen Dokument mit dem Titel „Die Zukunft, die wir wollen“. Die Staaten bekräftigen die Notwendigkeit von nachhaltiger Entwicklung (aber ohne zu schreiben, wie sie gelingen soll); sie bekräftigen ihr Engagement für stärkere internationale Zusammenarbeit (nur nicht gerade jetzt); und sie bekräftigen die Notwendigkeit, wirtschaftliche Stabilität zu erreichen (jedoch ohne neue finanzielle Hilfen für die ärmsten Länder).

Jamaika: The Jamaica Observer

Die Konferenz war eine Enttäuschung für die kleinen Inselstaaten der Karibik und für Entwicklungsländer mit flachen Küstengebieten wie Guyana und Belize. ... Für alle Karibikländer – so gut ihre nationale Politik auch sein mag – ist ein regionaler Ansatz wichtig. ... Kein Land kann allein Erfolg haben.

Deutschland: Süddeutsche Zeitung

Zu überzeugen ist die Menschheit wahrscheinlich nur durch zwei Wege – Katastrophe oder Erfolg. Das Klima und die Meere werden wohl kaum mehr auf internationalen Konferenzen gerettet werden, zumindest nicht im Plenarsaal. Sieben Milliarden Menschen werden sich niemals zum kollektiven Verzicht verabreden (oder anschließend gar daran halten). Im Grunde sind Konferenzen vor allem deshalb sinnvoll, weil es in den Kongresshallen Foyers gibt. In denen präsentieren Unternehmen Ideen, wie sich mit Umweltschutz Geschäfte machen lassen.

Frankreich: Le Monde

Europa scheint jeden Anspruch auf eine Führungsrolle aufgegeben zu haben. Es ist in die Eurokrise verstrickt, paralysiert von Wachstumseinbrüchen und mangelndem finanziellen Spielraum, und blieb so bei den Verhandlungen isoliert. Die Bilanz ist grausam: Die schwerwiegenden Probleme der ökologischen Krise wurden nicht angegangen.

Philippinen: Manila Standard Today

Niemand wird behaupten, dass die Malediven oder Ruanda die gleiche Verantwortung für den Klimawandel haben wie die USA. Die schwierige Frage ist jedoch, ob große Entwicklungsländer wie Brasilien, China, Indien und Südafrika jetzt eine größere Verantwortung für den globalen Umweltschutz und für ihre eigene nachhaltige Entwicklung tragen als vor 20 Jahren.

Ägypten: Egypt Independent

Die wahren Helden von Rio sitzen nicht in den Verhandlungsräumen. Sie tauschen sich hinter den Kulissen aus – über innovative Lösungen gegen den Klimawandel und für nachhaltige Entwicklung in ihren Gemeinden und Städten. ... Wir mögen von unseren führenden Politikern in Rio enttäuscht sein. Doch lasst dies eine Motivation für uns Bürger sein, unsere eigenen Ideen umzusetzen. Unser Erfolg wird für sich sprechen.

Libyen: The Tripoli Post

Vor zwanzig Jahren waren Themen wie Klimawandel, Biodiversität, Erhaltung der Ozeane und Wälder sowie nachhaltige Entwicklung noch relativ neu. Die Welt hatte gerade einen langen Kalten Krieg beendet, und die Menschen waren voller Energie und Hoffnung. Inzwischen ist jedem klar­geworden, wie groß die Herausforderungen wirklich sind und welch tiefe Kluft zwischen den Interessen der reichen und der armen Länder besteht. Wir blicken auf eine 20-jährige Geschichte voller Niederlagen zurück, und Defätismus macht sich breit. Politiker sehen sich nur ungern mit einer verlorenen Sache verknüpft, und der Kampf gegen Armut und Umweltzerstörung scheint in diese Kategorie zu fallen. Wir schlafwandeln auf schreckliche Desaster zu.

USA: The New York Times

Tatsächlich gab es einige Lichtblicke – so gab es Fortschritte beim Schutz der Hochsee vor Verschmutzung, Überfischung und Übersäuerung –, doch andere wichtige Themen wurden außer Acht gelassen. Allem voran scheiterte der Gipfel daran, einen Vertrag zum Schutz der biologischen Vielfalt der Ozeane auszuhandeln. Wir dürfen aber nicht vergessen: Bei Rio+20 geht es nicht nur um ein Dokument. Rio+20 ist ein Katalysator. Es ist der Ausgangspunkt für Veränderungen, nicht die Ziellinie. ... Rio+20 warf ein Licht auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen, von denen wir alle wissen, dass wir sie angehen müssen. Wenigstens ein paar Tage lang zwang der Gipfel uns, innezuhalten und Bilanz zu ziehen über das Erbe, das wir unseren Kindern hinterlassen. Nun, da die Reden und die Verhandlungen vorbei sind, da die Führer der Welt wieder zu Hause sind, ist es Zeit für den Rest von uns, anzupacken.

Australien: The Age

Niemand hatte verbindliche Vereinbarungen von dem Gipfel erwartet. Aber was er dann hervorbrachte, war sogar so schwach, dass viele Aktivisten und einige Minister offen daran zweifeln, ob sich der massive Aufwand gelohnt hat, 45 381 Teilnehmer und fast 100 führende Politiker der Welt nach Brasilien zu holen. ... Die Abschlussvereinbarung heißt: „Die Zukunft, die wir wollen“. Experten aber waren sich einig, dass deren Inhalt so schwammig sei, dass er den Menschen nicht einmal Hoffnung mache auf die Zukunft, die sie sich wirklich wünschen.

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