Global Governance

Elender Schwebezustand

Von 2020 an sollen die Entwicklungsländer jährlich 100 Milliarden Dollar erhalten, damit sie sich an den Klimawandel anpassen und dieses Phänomen auch bekämpfen können. Die Versprechen der Geber bleiben aber vage, und für die nächsten sieben Jahre gibt es kein kohärentes Finanzprogramm, wie Saleemul Huq vom Londoner International Institute for Environment and Development bedauert.

Interview mit Saleemul Huq

Beim UN-Klimagipfel in Kopenhagen ver­sprachen die Regierungen reicher Nationen 2009 den Entwicklungsländern für die Jahre 2010 bis 2012 für Anpassung an den Treibhaus­effekt und Klimaschutz 30 Milliarden Dollar. Was ist daraus geworden?
Die Geberregierungen haben in der Tat rund 30 Milliarden bereitgestellt, wenn man alle ihre Zusagen für Klimazwecke in Entwicklungsländern aufaddiert. Allerdings sollte für Klimaschutz und -adaption ungefähr gleich viel Geld ausgegeben werden, und das ist nicht geschehen. Bislang wurden für Anpassungsmaßnahmen nur 3 Milliarden mobilisiert. Das reicht nicht. Ein weiterer Haken ist, dass die Finanzströme kaum zu verfolgen sind. Die Entwicklungsländer hatten gehofft, dass das Geld an einschlägige multilaterale Töpfe wie den Adaptation Fund, den Least Developed Countries Fund oder den Special Climate Fund überwiesen würde. Diese Einrichtungen sind spezialisiert und recht transparent. Die Geber nutzen aber lieber bi- und multilaterale Institutionen der Entwicklungspolitik. Dadurch wird die Unterscheidung zwischen Entwicklungshilfe (ODA – official development assistance) und Klimafinanzierung schwammig.

Im Kontext der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) sollte aber Klimafinanzierung grundsätzlich „neu und zusätzlich“ sein?
Ja, und die Entscheidungsträger in Entwicklungsländern haben das immer als „über bestehende ODA-Versprechen hinaus“ verstanden. Regierungen in reichen Ländern bezeichnen aber schon Haushaltsposten, die es bisher in dieser Form nicht gab, als „neu und zusätzlich“. Tatsächlich werden die Zahlungen häufig mehrfach gemeldet. Geberregierungen werten Klimaaufwendungen auch als ODA. Das Monitoring ist für Außenstehende sehr schwierig, vor allem, wenn Geber sich auf ihre eigenen bilateralen Institutionen wie etwa USAID in Washington, die GIZ oder KfW in Deutschland oder das britische DfID stützen. Ärgerlich ist zudem, dass es für Klimafinanzierung keine internationalen Regeln gibt. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat klar definiert, was ODA ist. Für Klimafinanzierung gibt es solche Regeln nicht. Letztlich muss, wer diese Dinge verfolgen will, sich auf die Informationen der Geberstaaten verlassen. Im Grunde machen diese Regierungen, was sie wollen.

In Kopenhagen versprach die reiche Welt auch, von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar Klimafinanzierung zur Verfügung zu stellen. Ist das noch glaubwürdig?
Was die Zahlungsfähigkeit angeht, bestimmt. Aber der politische Wille scheint zunehmend fraglich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entwicklungsländer mit staatlichen Zahlungen rechnen, die Industrieländer aber auch Geld aus dem Privatsektor einschließen wollen. Am frustrierendsten ist aber, dass noch völlig offen ist, was von 2013 bis 2019 passiert. Für diese sieben Jahre gib es noch keinerlei kohärente multilaterale Zusage.

Wie viel Geld brauchen die Entwicklungsländer zur Anpassung an den Klimawandel?
Schwer zu sagen. Seriöse Schätzungen gehen von zwei- bis dreistelligen Dollar-Milliardenbeträgen aus. Aber Tempo ist noch wichtiger als präzise Zahlen. Die Entwicklungsländer müssen mit der Anpassung sofort anfangen. Sie spüren die Folgen des Treibhauseffekts schon, und diese werden schlimmer. Wir befinden uns in einem elenden Schwebezustand. Wir brauchen verbindliche Geberzusagen. Was werden sie bis 2020 tun? Nichts? Den aktuellen Rahmen von etwa 10 Milliarden Dollar im Jahr einhalten? Die Summen allmählich in Richtung 100 Milliarden aufstocken? Sie müssen zumindest im bisherigen Rahmen bleiben, damit Anpassung sofort angegangen werden kann.

Hat der Clean Development Mechanism (CDM) dafür gesorgt, dass Geld aus dem Privatsektor für Klimainvestitionen und Technologietransfer in die Entwicklungsländer geflossen ist? Die Grundidee war, dass Investoren aus hoch entwickelten Volkswirtschaften Pflichten zur Emissionsreduktion durch Maßnahmen in armen Ländern erfüllen sollten.
Ja, das ist geschehen, aber der CDM ist Teil des Kyoto-Protokolls, dessen Zeit abläuft. Der internationale Emissionshandel flaut rapide ab, weil es vom nächsten Jahr an keine verbindlichen Reduktionspflichten mehr gibt. Das Kyoto-Protokoll war bekanntlich nicht sonderlich erfolgreich. Viele Länder haben ihre Pflichten nicht erfüllt, und die USA haben Kyoto nicht einmal ratifiziert. Dennoch hat das Protokoll für Maßzahlen gesorgt, zur Reduktion von Treibhausgasen beigetragen und einen Anreiz für Emissionshandel geboten. Der CDM ist aber bald obsolet, wenn sich die Vertragsparteien nicht auf eine zweite Verpflichtungsphase für das Kyoto-Protokoll einigen – und danach sieht es derzeit nicht aus.

Auch REDD-Konzepte sind aber auf Emissionshandel angewiesen. Das Kürzel steht für „Reducing Emissions from Deforestation and Degradation of Forests“. Es geht abermals darum, Länder dafür zu bezahlen, dass sie Emissionen senken.
Ja, aber REDD ist anders als der CDM. Wenn Sie weltweite REDD-Regularien im Sinn haben, dann ist in der Tat Emissionshandel nötig. Zur Zeit passiert aber in Sachen REDD viel bilateral. Es gibt nur wenige große und waldreiche Länder, deshalb fällt es den Geberregierungen leicht, mit ihnen bilaterale Verträge abzuschließen.

Insgesamt scheinen derzeit die UNFCCC-­Anstrengungen, das Problem des Klimawandels multilateral in den Griff zu bekommen, ins Leere zu laufen. Was ist aus dem Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ geworden? Mit dieser Formulierung wurde 1992 in Rio festgeschrieben, dass der Klimawandel eine Herausforderung für die gesamte Menschheit ist, dass aber leistungsfähige Nationen mit langer Emissionsgeschichte mehr tun müssen als arme Entwicklungsländer, die zum Problem kaum beigetragen haben.
Derzeit entscheidet jeder Staat selbst, wie er dieses Prinzip interpretiert und was er bereit ist zu tun. Geberregierungen scheinen auf solche Freiräume besonders Wert zu legen – was die Regierungen der Entwicklungsländer selbstverständlich ärgert. Die Geber untergraben derzeit wirklich ihre eigene Glaubwürdigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass sie mit Folgen ihrer hausgemachten Finanzkrisen ringen und immer weniger bereit scheinen, überhaupt Zahlungsverpflichtungen einzugehen. Das Problem ist, dass bindende Regeln für die Klimafinanzierung wirklich nötig sind. Der globale Temperaturanstieg ist ein Weltproblem, dem die Menschheit auf kooperative, kohärente und entschlossene Weise begegnen muss. Stattdessen sieht es so aus, als würden wir uns nur jahrelang weiter durchwursteln.

Wird der Grüne Klimafonds helfen? Er soll einen Teil der von 2020 an versprochenen jährlichen 100 Milliarden Dollar verwalten.
Der formale Gründungsprozess erfordert aber selbstverständlich seine Zeit. Letztlich muss der Green Climate Fund Teil eines Weltklimaabkommens sein. Dasselbe Abkommen muss auch für alle Parteien Reduktionspflichten definieren und die Grundlage für Emissionshandel legen. In Durban einigten sich die Vertragsstaaten der UNFCCC darauf, solch ein Abkommen bis 2015 auszuhandeln und 2020 in Kraft zu setzen. Langfristig mag sich der Green Climate Fund als wertvoll erweisen, kurzfristig bringt er nichts. In der Tat ist der Ausblick für die nahe Zukunft deprimierend unklar. Der Klimawandel zwingt zu entschlossenem Handeln, aber mächtige Regierungen bremsen nach Kräften.

Das Gespräch führte Hans Dembowski.