Finanzmärkte
Ostasien berät Umgang mit Devisenreserven
Zehn Jahre nach der Asienkrise 1997/98 steht die Region heute wirtschaftlich besser da denn je. Laut dem halbjährlich erscheinenden East Asia Update der Weltbank ist der Anteil der Armen an der Bevölkerung der Länder Ost- und Südostasiens seit der Krise von 50 Prozent auf 29 Prozent gefallen. Heute müssen in der Region gut 552 Millionen Menschen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen – fast 230 Millionen weniger als vor sechs Jahren. Angetrieben vor allem durch das Wachstum in China ist die Wirtschaftsleistung der Region auf fünf Billionen Dollar gestiegen und ist damit heute doppelt so hoch wie kurz vor der Krise.
Laut Weltbank haben die ehemaligen Krisenländer in den vergangenen zehn Jahren im Grunde alles richtig gemacht. Sie stehen jetzt aber vor neuen Aufgaben, um nicht in eine „Falle des mittleren Einkommens“ (middle income trap) zu geraten, wie die Bank es nennt. Die Länder müssten es vor allem schaffen, ihr Wachstum in nachhaltige und stabile Bahnen zu lenken. China müsse seine großen Umweltprobleme und sozialen Verwerfungen in den Griff bekommen. Die anderen Schwellenländer der Region wiederum, die seit der Krise insgesamt weniger stark gewachsen seien als davor, stehen laut Weltbank vor der Aufgabe, eine stabile wirtschaftliche Position zu finden, vor allem gegenüber dem großen Konkurrenten China. Die zweite wichtige Herausforderung besteht darin, die wachsende Ungleichheit in der Region zu dämpfen.
Seit der Finanzkrise vor zehn Jahren haben die betroffenen Länder riesige Devisenreserven angehäuft, um künftig besser gewappnet zu sein gegen plötzliche Kapitalabflüsse oder Attacken gegen ihre Währungen. Derzeit betragen die ost- und südostasiatischen Reserven mehr als drei Billionen Dollar; mehr als ein Drittel davon entfällt auf China, das seine Rücklagen allein im vergangenen Jahr um fast 250 Millionen Dollar erhöhte. Experten sind sich weitgehend einig, dass die Reserven mittlerweile deutlich höher sind, als es zur Krisenvorsorge nötig wäre. In der Region wird deshalb darüber diskutiert, wie die Rücklagen profitabler investiert werden könnten. Derzeit bringen sie kaum Rendite, weil es sich vor allem um Anlagen in niedrig verzinste Dollar-, Euro- oder Yen-Anleihen handelt. China hat bereits angekündigt, eine staatliche Investitionsgesellschaft zu gründen, die Teile des chinesischen Devisenschatzes gewinnbringender anlegen könnte. Die Volksrepublik würde damit Singapur und Südkorea folgen, die solche Gesellschaften bereits haben.
Zudem gibt es Pläne, das Geld stärker in der Region zu investieren. Auf einem Treffen im thailändischen Chiang Mai Anfang April berieten die ostasiatischen Finanzminister über die Einrichtung eines regionalen Infrastrukturfonds, der aus den Devisenrücklagen gespeist würde. Außerdem beschlossen sie, verstärkt in Anleihen aus der Region zu investieren. (Siehe auch S. 219.) (ell)