Ernährung

Wie nachhaltige Landwirtschaft von maßvoller Tierhaltung profitiert

Landwirtschaftlich genutzte Tiere haben viele Vorteile – nicht nur, weil sie wertvolle Lebensmittel liefern. Nachhaltige globale Landwirtschaft sollte nicht auf sie verzichten. Allerdings ist eine Umstellung auf Tierhaltung ohne Nahrungskonkurrenz zu den Menschen dringend nötig.
Viehauktion im Südsudan. picture-alliance/robertharding/Michael Runkel Viehauktion im Südsudan.

Wie muss sich die weltweite Landwirtschaft verändern, um eine steigende Weltbevölkerung nachhaltig zu ernähren? In der Debatte darüber dominieren zwei Strömungen. Vertreter*innen der einen plädieren dafür, die Produktion von Nahrungsmitteln umwelt- und ressourcenschonender auszurichten. Sie setzen auf modernste Technologien wie präzise Düngung, ertragreichere Sorten und leistungsfähigere Tiere. Die andere Strömung vertritt die Auffassung, dass sich vor allem der Konsum von Lebensmitteln verändern müsse. Es gelte, weltweit eine möglichst pflanzenbasierte Ernährung zu etablieren – oder sogar ganz auf Tierhaltung zu verzichten und vegan zu leben.

Vieles spricht aber für einen dritten Weg: Tierhaltung beizubehalten und sie so auszurichten, dass keine Konkurrenz zum Menschen um Nahrung und Flächen entsteht. Tiere würden dann ausschließlich mit dem gefüttert, was Menschen weder essen können noch wollen. Mit diesem Ansatz ließen sich viele negative Auswirkungen intensiver Landnutzung, insbesondere der industrialisierten Tierhaltung, vermeiden. Zugleich blieben die Vorteile maßvoller Tierhaltung erhalten.

Konkurrenz um Flächen

Gegenwärtig werden mindestens 280 Millionen Hektar Ackerfläche weltweit ausschließlich oder überwiegend dafür verwendet, Futtermittel für Tiere zu erzeugen, den problematischen Sojaanbau noch gar nicht eingerechnet. Viele dieser Flächen ließen sich effizienter nutzen, sei es für den Anbau von Nahrung für den Menschen, für den Klimaschutz oder den Erhalt biologischer Vielfalt

Studien zufolge ist am wenigsten Agrarfläche für die menschliche Ernährung erforderlich, wenn ein kleiner Teil dieser Ernährung aus Lebensmitteln tierischen Ursprungs besteht. Das Futter dieser Tiere darf dabei allerdings nicht in Konkurrenz zu menschlicher Nahrung stehen. So würde vor allem weniger Ackerland benötigt als derzeit und sogar weniger als bei veganer Ernährung. Der Grund: Im veganen System werden große Mengen Biomasse wie Gras und Erntereste nicht durch Tiere zu Lebensmitteln aufbereitet. Diese entgangenen Lebensmittelmengen müssten deshalb zusätzlich angebaut werden, was geeignete Flächen erfordert.

Hinzu kommt: Wo Bevölkerungen wachsen, müssen mehr ertragsschwache Flächen für die Nahrungsmittelgewinnung herangezogen werden. Diese lassen sich allerdings häufig nicht als Acker nutzen, sondern nur durch Tiere.

Im Rahmen einer Tierhaltung ohne Nahrungskonkurrenz stünden weiterhin hochwertige Proteine als wichtiger Bestandteil menschlicher Ernährung zur Verfügung, allerdings in deutlich geringerem Umfang als bisher, weil die Tierzahlen langfristig erheblich zurückgingen. Entsprechend müsste sich das Ernährungsverhalten erheblich ändern, insbesondere im globalen Norden.

Hochwertige Nahrungsmittel aus Gras und Resten

Kritiker*innen landwirtschaftlicher Tierhaltung führen diverse Argumente ins Feld. Neben tierethischen Bedenken argumentieren sie beispielsweise, dass Tiere – vor allem Wiederkäuer – schlechte Futterverwerter seien. Um Fleisch, Milch und Eier zu erzeugen, müssten zu viele Nährstoffe eingesetzt werden, die besser direkt der menschlichen Ernährung dienen sollten. Betrachtet man lediglich die Umwandlungsraten der Energie oder des Proteins aus dem Futter, trifft dies grundsätzlich zu.

Allerdings gilt es auch zu berücksichtigen, inwiefern das Tierfutter für Menschen überhaupt essbar wäre. Insbesondere Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen können Futtermittel wie Gras und Erntereste nutzen, die Menschen nicht verdauen können. Um dieselbe Menge Nahrungsprotein zu bilden, benötigen sie deshalb im Vergleich zu Schweinen und Hühnern nur ein Drittel jener Futtermittel, die auch von Menschen verzehrt werden könnten. Schweine und Hühner können zwar Futter grundsätzlich effizienter in Nahrungsprotein umwandeln als Wiederkäuer, haben allerdings höhere Ansprüche an die Futterqualität.

Studien zeigen außerdem: Schweine und Hühner in Hinterhofhaltungen, wie sie in zahlreichen Regionen des globalen Südens zu finden sind, stehen in einer relativ geringen Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Ein beträchtlicher Anteil ihrer Ration besteht schließlich ebenfalls aus Abfällen und Resten. In industrialisierten Tierhaltungen benötigen sie dagegen mehr Futterprotein, das auch Menschen ernähren könnte.

Ein weiterer Kritikpunkt an Tierhaltung zielt auf die Klimagasemissionen ab, vor allem von Wiederkäuern, die das stark klimaschädliche Gas Methan bilden. Da es bei konkurrenzloser Tierfütterung weniger Tiere gäbe, wäre auch mit weniger Treibhausgasemissionen zu rechnen als bisher. Zudem bewerten Klimaexpert*innen derzeit Wiederkäuer-Methan neu und fordern keine Netto-Null-Emission für Methan aus belebten Quellen.

Trotzdem gilt es natürlich, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Klima- beziehungsweise Ökobilanz von Tierhaltung so günstig wie möglich zu gestalten. Großes Potenzial dafür hat der systematische Aufbau von Humus auf landwirtschaftlichen Flächen. Humus, eine organische Substanz im Boden, speichert CO2 und verbessert die Bodenfruchtbarkeit. Tierhaltung bietet mehrere Möglichkeiten, Humusbildung zu unterstützen, etwa durch bestimmte Formen des Weidemanagements und die Nutzung von mehrjährigem Kleegras in Fruchtfolgen.

Für eine maßvolle Tierhaltung spricht auch, dass sie als Teil landwirtschaftlicher Mischformen die Ernährungssicherheit und die Nahrungsmittelerzeugung je Flächeneinheit steigern kann. In einkommensschwächeren Weltregionen erzielen viele ländliche Haushalte ihr Einkommen durch solche Mischformen inklusive Tierhaltung. Ein auch in Europa wichtiger Aspekt ist, dass Nutztiere wertvolle Biotope wie magere Wiesen und Auen pflegen und so Biodiversität fördern.

Maßvolle, konkurrenzlose Tierhaltung kann dazu beitragen, eines Tages 10 Milliarden Menschen sicher zu ernähren, Flächen effizient zu nutzen und die Umwelt zu schützen. Noch ist das industrielle Agrarsystem davon aber weit entfernt – nicht zuletzt aufgrund der Ernährungsgewohnheiten in wohlhabenden Weltregionen.

Literatur
Jäger, C., 2024: Vegane Irrtümer – Warum wir auf gute Tierhaltung nicht verzichten können. Marburg, Metropolis-Verlag.

Cornelie Jäger ist Tierärztin und Autorin. Sie war die erste Landestierschutzbeauftragte von Baden-Württemberg.
autorin@cornelie-jaeger.de

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