Nachhaltige Landwirtschaft

Konkurrenzfreie Tierhaltung und verändertes Ernährungsverhalten

Die sogenannte „Konkurrenzfreie Tierhaltung“ ist ein vielversprechender Ansatz, um eine steigende Weltbevölkerung gesund zu ernähren und zugleich Umwelt- und Klimaschutz gerecht zu werden. Tiere werden dabei so gehalten, dass keine Konkurrenz zum Menschen um Nahrung und Flächen entsteht. Sie werden ausschließlich mit dem gefüttert, was Menschen nicht essen, etwa Gras, Reste und Abfälle. Dafür müsste sich allerdings auch das Ernährungsverhalten der Menschen erheblich ändern.
Konsumverhalten in Industrieländern muss sich ändern: Wurstregal in deutschem Supermarkt. picture-alliance/SvenSimon/Frank Hoermann/Sven Simon Konsumverhalten in Industrieländern muss sich ändern: Wurstregal in deutschem Supermarkt.

Eine Tierhaltung ohne Nahrungskonkurrenz zum Menschen würde zu erheblichen Rückgängen bei den Tierzahlen führen. Damit einher gingen ökologische Vorteile, etwa weniger Treibhausgasemissionen, aber auch ein deutlich geringeres Angebot an Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs. Berechnungen zeigen: Bestünde das Tierfutter weltweit ausschließlich aus Gras, Ernteresten und Nebenprodukten der Lebensmittelverarbeitung, würde der tägliche Anteil an Protein in der Nahrung, der aus Tierhaltungen (ohne Aquakultur) stammt, auf neun Gramm im globalen Durchschnitt sinken. Das ist etwa ein Drittel der bisherigen täglichen Menge und etwa ein Sechstel der insgesamt benötigten Proteinmenge für Menschen.

Die Mengen an Lebensmitteln tierischen Ursprungs blieben bei einer solchen Tierfütterung weitgehend innerhalb der Grenzen der Planetary Health Diet, die sich als Vergleichsmaßstab für eine gesundheitsförderliche und umweltschonende Ernährungsweise anbietet.Berechnungen, die zusätzlich auch Lebensmittelabfälle als Futter einplanen, kommen auf gut 20 Gramm tierisches Protein pro Tag, also etwa ein Drittel der benötigten Proteinmenge. Lebensmittelabfälle eignen sich wegen ihrer stärkeren Verarbeitung besser für Schweine als für Wiederkäuer. Deshalb nimmt der Schweinefleischanteil zu, wenn mehr Lebensmittelabfälle und weniger Gras als Futter dienen sollen, etwa weil die Abfälle regional verfügbar sind.

Ernährungssicherheit und sparsame Landnutzung

Im Unterschied zum Veganismus beziehen sowohl die Planetary Health Diet wie auch Tierhaltung ohne Nahrungskonkurrenz bewusst Tiere in ihre Konzepte ein und setzen auf flexitarische Ernährung. Sie tun dies aus unterschiedlichen Gründen. Bei der Planetary Health Diet steht die Ernährungssicherheit von benachteiligten Bevölkerungsgruppen im Vordergrund. Der konkurrenzfreien Tierhaltung geht es dagegen vorrangig um sparsame Landnutzung und das Upcycling von Gras, Resten und Abfällen zu Lebensmitteln.

Beide Konzepte fordern für verschiedene Weltregionen unterschiedliche Entwicklungen. In Nordamerika und Europa müssten sich Verbraucher*innen im Schnitt mit deutlich weniger Fleisch, Milch und Eiern als bisher zufriedengeben, um sich gesund und nachhaltig zu ernähren. Dagegen ist in Afrika und Asien eine Ausweitung des Verzehrs solcher Nahrungsmittel denkbar und teilweise geboten. 

Cornelie Jäger ist Tierärztin und Autorin. Sie war die erste Landestierschutzbeauftragte von Baden-Württemberg.
autorin@cornelie-jaeger.de