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Hochwasservorsorge

Nach uns die Sintflut?

Im Wasserkreislauf ist der Klimawandel besonders spürbar. Die globale Erwärmung verändert die Rate der Verdunstung in den Ozeanen und beeinflusst die Häufigkeit und Intensität von Regenfällen. Die Folge sind Extremereignisse, die häufig durch den Menschen noch zusätzlich verstärkt werden – zum Beispiel durch Abholzung. Vielerorts leiden Menschen und Ökosysteme darunter, dass entweder zu viel oder zu wenig Wasser verfügbar ist.
Nicht nur halb Thailand stand im Herbst 2011 unter Wasser, sondern auch der Markusplatz in Venedig. Gintenreiter/picture-alliance/dpa Nicht nur halb Thailand stand im Herbst 2011 unter Wasser, sondern auch der Markusplatz in Venedig.

Das Weltwirtschaftsforum zählt die sich abzeichnende Wasserkrise und das Scheitern von Klimaanpassungsmaßnahmen zu den größten globalen Risiken für die Weltwirtschaft und für die Stabilität von Gesellschaften. Bei neun von zehn Katastrophen in der Welt spielt Wasser inzwischen eine Rolle. Im Jahr 2030 werden schätzungsweise 40 Prozent der städtischen Gebiete hohen Hochwasserrisiken ausgesetzt sein.

Allerdings sind nicht alle Menschen gleichermaßen davon betroffen. Klimawissenschaftler gehen davon aus, dass Süd­asien, Subsahara-Afrika, aber auch Südamerika – also in erster Linie Schwellen- und Entwicklungsländer – stärker gefährdet sind als andere Regionen. Und in diesen Ländern sind wiederum arme Bevölkerungsgruppen besonders betroffen, zum Beispiel, weil sie in informellen, überflutungsgefährdeten Siedlungen in Tal- und Hanglagen leben.

Im Klimaabkommen von Paris haben die Regierungen von mehr als 190 Ländern die Antwort auf diese Herausforderungen formuliert. Die Anpassung (Adaptation) an die Folgen des Klimawandels ist als gleichberechtigtes Ziel neben Minderung von Treibhausgasen (Mitigation) in dem Abkommen verankert. Klimaanpassung dient dazu, die negativen Auswirkungen klimatischer Veränderungen zu vermeiden oder zu verringern. Zudem nutzt Anpassung Potenziale, die durch den Klimawandel entstehen. Ein Beispiel hierfür ist die Nutzung von lokal zunehmenden Niederschlägen für das Auffüllen von Grundwasserspeichern, die in Dürrezeiten als Reserve dienen.

Auch die Sustainable Development Goals (SDGs) berücksichtigen Anpassung, nachhaltiges Wassermanagement und die Vorsorge für wasserbezogene Katastrophen. Zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer räumen der Anpassung im Wasserbereich in den national festgelegten Beiträgen (Nationally Determined Contributions – NDC) Gewicht ein.

Wasser spielt also für die Anpassung an den Klimawandel sowie nachhaltige Entwicklung eine Schlüsselrolle. Aber wie kann das Thema besser in der Planung und Umsetzung entwicklungspolitischer Maßnahmen verankert werden, und was zeichnet ein gutes Anpassungsprojekt im Wasserbereich aus?


Neuer Zweck

Rotterdam im Mai 2016. Auf der Weltkonferenz für Anpassung an den Klimawandel präsentiert Wim Kuijken, der Vorsitzende der niederländischen Deltakommission – eines von der Regierung ernannten Expertengremiums für Hochwasser- und Küstenschutz –, sein Paradebeispiel für erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel: die Renaturierung der Auenlandschaft des Flusses Waal. Damit ist die Stadt Nimwegen für kommende Jahrhunderthochwasser besser gewappnet, und darüber hinaus ist ein attraktives Naherholungsgebiet entstanden, das zwei Naturschutzgebiete miteinander verbindet.

Bei vielen Anpassungsmaßnahmen handelt es sich um bewährte Lösungen für altbekannte Probleme – wie die Renaturierung von Flüssen. Völlig neue Erfindungen sind eher die Ausnahme. Manche Fachleute argumentieren daher, dass Anpassung an den Klimawandel nichts Neues sei und man sich lieber auf nachhaltige Lösungen für konventionelle Probleme konzentrieren sollte.

Bei Anpassungsmaßnahmen steht allerdings ein neuer Zweck im Mittelpunkt: die Verwundbarkeit von und Risiken für Mensch und Natur im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu verringern. Der entscheidende Unterschied zu herkömmlichen Lösungen ist daher die „Anpassungshypothese“: die zugrundeliegende Annahme, wie eine Aktivität zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels oder zu der Nutzung von damit verbundenen Potenzialen beiträgt.

Die Formulierung einer Anpassungshypothese ist für die Erfassung der Wirkungen unverzichtbar, aber auch, um ein Vorhaben international als Beitrag zu den Zielen des Pariser Abkommens geltend machen zu können. Folglich hängt auch der Zugang zu Fonds für Anpassungsmaßnahmen davon ab. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Projekte, die auf einer Vulnerabilitäts- oder Risikoanalyse fußen, in der Regel bessere Wirkungen erzielen.

Ein Hindernis bei der Waal-Renaturierung in Nimwegen war, dass es lange Zeit keinen Austausch zwischen den Fachleuten der Wasserbehörde und den Raumplanern auf lokaler und zentraler Ebene gab. Diese Abschottung von Behörden untereinander ist auch in anderen Ländern weit verbreitet. Noch immer werden Anpassungsmaßnahmen häufig als alleinstehende Umweltprojekte umgesetzt.

Für eine systematische Verankerung von Anpassung in allen Bereichen des Wassermanagements fehlen federführenden Ressorts häufig die Unterstützung von höchster politischer Ebene und die institutionellen Kapazitäten. So entstanden in der Vergangenheit in der umweltpolitischen Nische viele Einzelmaßnahmen mit sehr begrenzter Reichweite und Nachhaltigkeit.

Im Klimaabkommen von Paris sind alle Länder aufgefordert, dieses „Silodenken“ zu überwinden und eine nationale Anpassungsplanung vorzunehmen. Sie soll Aktivitäten bündeln, das Zusammenspiel der Sektoren fördern und das sogenannte Mainstreaming von Anpassung auf allen Ebenen ermöglichen. Wichtig ist zudem die umfassende Beteiligung von Entscheidungsträgern aus allen Bereichen der Gesellschaft.


Innovative Konzepte

Die frühzeitige Einbindung betroffener Unternehmen und lokaler Wissenschaftler ist dabei besonders vorteilhaft. Sie hilft, die Anpassungskosten ins Verhältnis zu dem erwarteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen zu setzen. Gerade Schwellen- und Entwicklungsländer haben auf diesem Weg schon wichtige Erfolge erzielt.

Dass es einen Mehrwert bringt, das klassische Integrierte Wasserressourcenmanagement (IWRM) durch eine Anpassungsperspektive zu ergänzen, zeigen zwei Beispiele aus Thailand und Albanien. Beide Länder kombinieren konventionellen Hochwasserschutz mit innovativen Konzepten, die beispielsweise Ökosysteme für die Vorsorge nutzen.

Die Betroffenen werden einbezogen, und Fachleute unterschiedlicher Disziplinen und Einrichtungen arbeiten eng zusammen, auch grenzüberschreitend. Um akzeptiert zu werden und nachhaltig zu wirken, müssen die geplanten Maßnahmen in die bestehenden Pläne und Budgets aller beteiligten Ressorts integriert werden. In Zukunft wird es noch stärker darum gehen, nachhaltige Umsetzungserfolge messbar zu machen. So können sich die betroffenen Länder auch international klimapolitisch positionieren.


Daniel Nordmann arbeitet als Fachplaner im Kompetenzcenter Wasser, Abwasser, Abfall der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH.
daniel.nordmann@giz.de

Till Below arbeitet als Fachplaner für Anpassung an den Klimawandel im Kompetenzcenter Klima und Umweltpolitik der GIZ.
till.below@giz.de

Die Autoren danken Roland Treitler, Leiter des Vorhabens Verbessertes Extremereignis-Management durch ökosystemare Anpassung in Wassereinzugsgebieten in Thailand,  sowie Gerrit Bodenbender, Leiter des Vorhabens Anpassung an den Klimawandel im grenzüberschreitenden Hochwasserrisikomanagement im Westlichen Balkan, und seiner Mitarbeiterin Merita Meksi für die Mitwirkung an den Kästen.


Referenzen

Weltbank, 2016: High and dry – climate change, water, and the economy.
GIZ, 2014: Flood risk management – an increasing challenge for international cooperation.
Weltbank, 2015: Disaster risk, climate change, and poverty assessing the global exposure of poor people to floods and droughts.
WMO/UNEP, 2008: Climate change and water. Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC Technical Paper VI.
Güneralp, B., Güneralp, I., und Liu, Y., 2015: Changing global patterns of urban exposure to flood and drought hazards. Global Environmental Change 31, 2015, 217–225.
World Economic Forum, 2016: The Global Risks Report 2016 – 11th Edition.