Wahlen
Machtkampf in Mexiko
AMLO versucht am 1. Juli zum dritten Mal, Präsident von Mexiko zu werden. Der Mann, der für die Partei Morena (Movimiento de Regeneración Nacional) ins Rennen geht, ist 64 Jahre alt, und sein Haar ist längst ergraut. Es ist ihm in all der Zeit nicht gelungen, ein guter Redner zu werden. AMLO spricht mit Pausen und erhebt plötzlich die Stimme, um eine seiner wohlbekannten Phrasen zu betonen, die meistens von der „Mafia der Macht“ und dem berechtigten Misstrauen gegenüber den Wahlprozessen in Mexiko handeln.
Eine bunte Mischung von Anhängern unterstützt ihn. Darunter sind schon lange diejenigen, die ihn als Anwalt der kleinen Leute sehen. Dazu gehören auch linke Intellektuelle, Künstler und Akademiker. In jüngerer Zeit erreicht er Menschen, die von den vergangenen beiden Präsidenten enttäuscht sind und das Land in Gewalt versinken sehen. Schließlich gibt es noch Opportunisten, die sich stets auf die Seite vermuteter Sieger schlagen.
Umfragen zufolge liegt AMLO derzeit mehr als zehn Prozentpunkte vor seinem dichtesten Konkurrenten Ricardo Anaya, dem Kandidaten der rechten PAN. José Antonio Meade, der für die regierende PRI antritt, leidet unter dem korruptions- und gewaltbedingt schlechten Image des Amtsinhabers Enrique Peña Nieto.
Kritiker sehen AMLO als Populisten, der kein Vertrauen verdient. Tatsächlich lässt er offen, wie er seine umfangreichen Wahlversprechen in der Praxis erfüllen will. Von rechtslastigen Populisten wie US-Präsident Donald Trump unterscheidet ihn aber, dass er nicht gegen Minderheiten hetzt und Eliten nicht nur rhetorisch angreift, sondern ihre privilegierte Stellung tatsächlich in Frage stellt.
AMLO steht nicht zum ersten Mal in der Wählergunst ganz oben. Im Wahlkampf 2006 sah es ebenfalls sehr gut für ihn aus – doch dann puschte die PAN ihren damaligen Kandidaten Felipe Calderón mit einer Reihe von Werbespots nach vorn, in denen AMLO mit dem damaligen Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, verglichen wurde. Die Kampagne zeichnete das Schreckgespenst möglicher sozialistischer und autoritärer Politik, die der Wirtschaft schaden würden. Es hieß, er sei „eine Gefahr für Mexiko“.
Am Ende gewann Calderón, auch wenn die Durchführung der Wahl sehr zweifelhaft war. Es kam zu Demonstrationen und der Forderung nach einer Neuauszählung der Stimmen, der aber nicht nachgegeben wurde. Auch AMLO protestierte öffentlich. Als Präsident setzte Calderón dann neben der Polizei auch das Militär im Kampf gegen Drogenkartelle ein, woraufhin die Gewalt fürchterlich eskalierte.
Zwölf Jahre und 234 000 Todesopfer später geht das Volk wieder zu den Urnen. Diesmal geht die Kampagne gegen López Obrador vor allem von der regierenden PRI aus. Diesmal ist die Warnung vor einer „Gefahr für Mexiko“ angesichts der Gewalt, die in weiten Teilen den Alltag bestimmt, der wachsenden Anzahl von „Verschwundenen“ und den schwindenden Einflussmöglichkeiten der normalen Bürger weniger glaubwürdig. Die PRI nutzt auch andere Mittel – etwa die Verknüpfung von Sozialprogrammen mit bestimmten Bedingungen oder Stimmenkauf, was bei früheren Wahlen vorgekommen sein soll.
Sollte die Torpedierung AMLOs Erfolg haben, so spiegelt sich das jedenfalls bislang weder in den Umfragen noch in den sozialen Medien oder der öffentlichen Unterstützung wider. Der Morena-Kandidat hat seine Stärke mehr als einmal bewiesen, am eindrücklichsten vielleicht in den erfolgreichen Twitter-Kampagnen #UniversiatriosconAMLO (Universitätsangehörige mit AMLO) und #AMLOmania, in denen die Menschen ihn offen unterstützten.
Zu seinen umstrittensten Forderungen gehört zweifellos die nach einer Amnestie für bestimmte Gruppen von Straftätern – die aber auch als Schritt zur Befriedung der Gesellschaft gesehen werden kann. Spannend ist derweil eine Frage, die die bisherigen Machthaber AMLO stellen: Erkennen Sie die Ergebnisse der Wahl an, wenn Sie verlieren? So wie es jetzt aussieht, wird die mexikanische Wählerschaft ihnen selbst diese Frage stellen.
Virginia Mercado ist Wissenschaftlerin an der Universidad Autónoma del Estado de México (UNAM) und Lehrkraft für Friedens- und Entwicklungsstudien.
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