Entwicklung und
Zusammenarbeit

Governance

Ungleichheit im Schnellverfahren

Weltweit werden Basisdienstleistungen als Premium- oder Expressoption gegen einen Aufpreis angeboten. Insbesondere in Gesellschaften mit hoher Armutsrate, wie in vielen Ländern Afrikas, verschärft dieses Modell die sozioökonomische Kluft. Es schafft ein Zweiklassensystem dort, wo Gleichheit Standard sein sollte – etwa bei staatlichen Dienstleistungen oder im Gesundheitswesen. Korruption bei den jeweiligen Behörden oder Anbietern verschärft das Problem.
Reisende warten mit ihren Papieren am Flughafen in Addis Abeba. Vielerorts erleichtern Schnellverfahren die Visabeschaffung – zumindest für Wohlhabende. picture alliance / NurPhoto / Marc Fernandes Reisende warten mit ihren Papieren am Flughafen in Addis Abeba. Vielerorts erleichtern Schnellverfahren die Visabeschaffung – zumindest für Wohlhabende.

Wer sich sogenannte „Premium-Dienste“ leisten kann, erspart sich langes Warten auf lebenswichtige Gesundheitsversorgung, Bildung oder staatliche Dienstleistungen. Wer nicht zahlen kann, bleibt zurück. So entsteht ein System, in dem Wohlstand mehr zählt als Bedürftigkeit.

Ein Paradebeispiel sind Visa- oder Passverfahren, bei denen nicht nur dubiose Drittanbieter das Bedürfnis nach einer schnellen Bearbeitung von Visumanträgen mit hohen Gebühren für „Schnellverfahren“ ausnutzen. Auch staatliche Stellen bieten reichen Bürger*innen inzwischen Premiumdienste an. Die äthiopische Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitsbehörde etwa hat ein zweistufiges Passverfahren eingeführt: Wohlhabendere können im Expressverfahren einen Pass für 25 000 äthiopische Birr beantragen, das entspricht rund 210 Dollar. Die Standardgebühr beträgt umgerechnet etwa 42 Dollar. Diese Gebühr entspricht bereits dem Zwölffachen des monatlichen Mindestlohns von rund 3,51 Dollar im öffentlichen Dienst.

Machen Universitäten bieten gegen eine Extragebühr ebenfalls eine beschleunigte Bearbeitung von Bewerbungen an und verschärfen somit die Ungleichheit beim Zugang zu Bildung. Privatversicherungen und -kliniken werden seit Langem als Premium-Service im Gesundheitssektor gesellschaftlich akzeptiert. Wohlhabendere werden schneller und besser behandelt, alle anderen müssen längere Wartezeiten und weniger Leistungen in Kauf nehmen. Das kann ernste Folgen haben. 

Ethische Sackgasse

Das ethische Problem solcher Dienste geht über Nachteile für Einzelne hinaus und betrifft das Gewinnstreben dieser Unternehmen und Institutionen. Sie ermöglichen es reichen Menschen, die üblichen Prozesse zu umgehen, und binden dafür Ressourcen. So erwirtschaften sie Gewinne auf Kosten von Qualität und Effizienz für die Allgemeinheit.

Diese Zahlungsmodelle vertiefen die sozioökonomische Kluft, spiegeln bestehende Ungleichheiten wider und fördern die Frustration über staatliche Einrichtungen. Dadurch wird stellenweise der Eindruck verstärkt, dass diese Einrichtungen den Bedürfnissen der Wohlhabenden dienen und auf diese zugeschnitten sind, was zu Lasten aller anderen geht. Es ist daher wenig überraschend, dass in vielen afrikanischen Ländern das Vertrauen in Regierung und öffentliche Dienste schwindet.

Dies liegt auch daran, dass viele Expressdienste in Afrika nicht an klare Gebühren oder offizielle Zahlungssysteme gebunden sind. Sie funktionieren vielmehr als korrupte Systeme, in denen die Fälle schneller bearbeitet werden, die sich an die Regeln der geheimen Bargeldübergabe halten oder den Personen mobil Geld schicken, die ihre Angelegenheit betreuen. 

Wenn Anbieter von Dienstleistungen Profit über einen gerechten Zugang stellen, setzen sie den Kreislauf der Benachteiligung fort, der Initiativen zur Entwicklung und Armutsbeseitigung entgegenwirkt. Marginalisierte Gruppen tragen dabei oft die Hauptlast. Das Modell behindert Bemühungen, wie sie beispielsweise in den SDGs (Sustainable Development Goals – Ziele für nachhaltige Entwicklung) zum Ausdruck kommen, Ungleichheiten zu verringern und Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen zu fördern.

Es ist entscheidend, dass Politik und Zivilgesellschaft diese ungerechten Praktiken und die Korruptionssysteme, die sie ermöglichen, in Frage stellen. Wenn Wohlhabende Sonderdienste wünschen, sollte dies zumindest nicht auf Kosten bestehender Angebote gehen. Dienstleistungsanbieter müssen sicherstellen, dass Premium-Optionen nicht die Qualität der Standarddienste beeinträchtigen, weil Kapazitäten oder Ressourcen vorrangig für Erstere eingesetzt werden. Durch Investitionen in eine bessere Infrastruktur, mehr Personal und Rationalisierung von Prozessen ist mehr Effizienz für alle möglich, unabhängig vom Einkommen.

Sind solche systemischen Verbesserungen nicht möglich, sollten Institutionen überdenken, ob es legitim ist, überhaupt Premium-Dienste anzubieten. Ziel muss es sein, Systeme zu schaffen, die allen gleichermaßen dienen und nicht nur jenen, die das Geld haben, um für einen besseren und schnelleren Service zu zahlen.

Hafte Gebreselassie Gebrihet ist Postdoctoral Research Fellow an der Nelson Mandela School of Public Governance an der Universität Kapstadt (UCT). Er erforscht insbesondere den Aufbau demokratischer Regierungsführung und resilienter Institutionen in Afrika, besonders hinsichtlich der UN-Agenda 2030 und der Afrika-Agenda 2063. 
hafte.gebrihet@uct.ac.za