Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Higher education

Was die Geber tun sollten

Ohne Hochschulbildung fehlt armen Ländern nicht nur das für Wirtschaftswachstum und einen höheren Lebensstandard nötige Humankapital. Viele haben sogar Schwierigkeiten, Hilfsgelder sinnvoll auszugeben. Das Risiko, dass hochqualifizierte Arbeitskräfte auswandern (Brain-drain), ist keine Entschuldigung für die Vernachlässigung dieses wichtigen Sektors. Die Geber haben zwar zugesagt, enger zu kooperieren, halten sich bislang aber kaum daran.


[ Von Jos Walenkamp und Ad Boeren ]

Armutsbekämpfung hängt aus mehreren Gründen von akademischer Bildung und wissenschaftlicher Forschung ab. Diese schaffen nämlich Fachkenntnisse, allgemeines Wissen und Technologie. Deshalb spielen Universitäten und Hochschulen für die Entwicklung eines Landes eine entscheidende Rolle.

– Erstens regen sie das Wirtschaftswachstum an, ohne das Hunger und Armut nicht beseitigt werden können. Wissen und spezielle Fähigkeiten gehören zu den Grundlagen wirtschaftlicher Produktion. Hochschulbildung ist unentbehrlich für das Humankapital in Bereichen wie Gesundheit, Landwirtschaft, Rechtstaatlichkeit, dem Ingenieurwesen und der Soziologie.
– Zweitens sind alle Ebenen eines Bildungssystems voneinander abhängig, und Hochschulbildung ist für Fortschritte auf den anderen Ebenen unverzichtbar. Während in den letzten Jahren die Einschulungsraten in den am wenigsten entwickelten Ländern gestiegen sind, hat sich die Qualität der Schulen verschlechtert (UNESCO 2005).
– Schließlich steigert Hochschulbildung die Fähigkeit eines Landes, Hilfsgelder zu absorbieren. Ohne mehr Fachleute, die Entwicklungsprogramme ausarbeiten und umsetzen, kann sich zusätzliche Entwicklungshilfe kontraproduktiv auswirken. Diese Angelegenheit drängt, da Einigkeit herrscht, dass mehr Hilfe nötig ist, um die UN-Millenniumsziele zu erreichen. Darüber hinaus haben die acht größten Industrieländer (G8) zugesagt, die Hilfe für Subsahara-Afrika bis 2010 um 25 Milliarden US-Dollar zu erhöhen.

Es besteht kein Zweifel, dass höhere Investitionen in akademische Bildung und Forschung notwendig sind. In Afrika südlich der Sahara werden im Gesundheitswesen 1,5 Millionen zusätzliche Mitarbeiter benötigt, um die Gesundheitsversorgung entsprechend den UN-Millenniumszielen zu verbessern (UN Millennium Project, 2005). Zudem müssen eine Million Ingenieure für den Aufbau und Erhalt der nötigen Infrastruktur ausgebildet werden (Mohamoud, 2005).

Die Unverzichtbarkeit von Bildung und Forschung ist in den vergangenen Jahren zunehmend anerkannt worden (World Bank 2002, UN Millennium Project, 2005). Dabei hat die im Jahr 2000 von Weltbank und UNESCO einberufene Task Force on Higher Education bahnbrechende Arbeit geleistet (http://www.tfhe.net).

Die Geber jedoch sind der Herausforderung nicht gerecht geworden. Auch in den meisten armen Ländern hat es kaum signifikante Fortschritte gegeben. Eine Untersuchung von 31 Armutsbekämpfungsstrategien hat gezeigt, dass nur drei Regierungen Hochschulbildung als Mittel gegen die Armut betrachten und lediglich zwei mehr Geld dafür bereitstellen wollen (Bloom u. a., 2005). Sechs Regierungen dagegen wollten die Mittel sogar reduzieren. Positiv ist, dass 23 Regierungen die Förderung von beruflicher und schulischer Bildung als verbesserungswürdig ansahen und vierzehn die tertiäre Bildung als Mittel zur Stärkung der Lehrerausbildung betrachteten.

Herausforderung Migration

Die Abwanderung von Fachkräften ist ein Grund, warum sich viele Geber davor scheuen, die Hochschulbildung in armen Ländern stärker zu unterstützen. Insbesondere afrikanische Institute haben es schwer, ihre Mitarbeiter zu halten. Die Flucht intellektuellen Kapitals vom Kontinent ist alarmierend. Einkommensunterschiede spielen eine Rolle, aber vor allem das Fehlen eines offenen intellektuellen Klimas und die Geringschätzung von Akademikern treiben den Braindrain an (Mohamoud, 2005).

Um die Abwanderung zu stoppen, ist es wichtig, sich auch auf die institutionelle Entwicklung zu konzentrieren. Die Ausbildung von Fachkräften ist effektiver und nachhaltiger, und der Braindrain nimmt ab,
wenn eine Universität gut organisiert und verwaltet wird,
wenn es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Lehre und Forschung gibt,
wenn Leistung belohnt wird und
wenn ein demokratisches Klima herrscht und Mitarbeiter angehört werden.

Der Brain-drain hat aber auch eine gute Seite. Die Summe der jährlichen Überweisungen von Migranten in ihre afrikanische Heimat beträgt acht Milliarden US-Dollar und entspricht damit einem Drittel der offiziellen Entwicklungshilfe. Dieses Geld regt nicht nur die lokale Wirtschaft an, sondern auch die Nachfrage nach mehr und besserer Bildung. Dennoch schlussfolgern die meisten Studien, dass der Brain-drain unterm Strich zum Verlust von Kapazitäten führt (Nunn 2004, Özden und Schiff 2005). Deshalb sollten die reichen Länder die Heimatländer der afrikanischen Fachkräfte entschädigen. Letztere wiederum sollten das Geld in die Hochschulbildung investieren (Kapur und McHale 2005). Eine spezielle Steuer auf die Löhne ausgebildeter Migranten oder auch Strafgelder, die von den Arbeitgebern oder dem Zielland gezahlt werden müssten, könnten die Mittel dafür bringen.

Jedoch sollte man die Vorteile der Wissenszirkulation durch die Migration von Fachkräften (brain circulation) nicht unterschätzen. Fachkräfte im Ausland können Wissensgemeinschaften ihrer Heimat mit ausländischer Expertise verbinden. Diejenigen, die aus fortgeschrittenen Ländern zurückkehren, nachdem sie dort Erfahrung gesammelt und ihre Kompetenzen erweitert haben, sind für ihre Heimatländer besonders wichtig. Die Vor- und Nachteile der Fachkräftemigration müssen daher sorgsam erörtert werden.

Jedenfalls darf das Risiko, dass Fachkräfte abwandern, kein Vorwand für die Vernachlässigung von Hochschulbildung sein. Dies gilt erst recht, da einige industrialisierte Länder sogar aktiv gut ausgebildete Mitarbeiter anlocken und zur Auswanderung ermutigen. Mit steigender globaler Nachfrage nach Fachkräften wird sich dieses Problem noch verschärfen.

Entwicklungshilfe neu gestalten

Damit Geber akademische Bildung und Forschung angemessen unterstützen, müssen sich mehrere Dinge ändern. In der Vergangenheit hatten viele Geberprogramme einen doppelten Zweck: Es ging in ihnen nicht nur darum, die personellen und institutionellen Kapazitäten der armen Länder zu stärken, sondern auch um die Einbindung der eigenen Hochschulen und Forschungsinstitute.

Es gibt aber mehrere Kritikpunkte:
– Der Ansatz ist nur schwer vereinbar mit den Prinzipien einer nachfrageorientierten Hilfe und stärkerer Ownership der Empfängerländer. Bilaterale Programme und global ausgeschriebene Stipendien der Geber werden in der Regel in den Hauptstädten der reichen Länder verwaltet. Sektorweite Ansätze und Budgethilfe, für die mehrere Geber ihre Entwick­lungsgelder bündeln, sind besser.
Von den Gebern wird im allgemeinen erwartet, ungebundene Hilfe zu leisten. Das sollte auch für den Aufbau akademischer Kapazitäten gelten. Davor schrecken allerdings viele Regierungen nicht-anglophoner Länder zurück. Sie fürchten, englischsprachige Konkurrenten könnten ihre eigenen Institutionen verdrängen. Es wäre daher sinnvoll, wenn sich alle Geber auf eine gemeinsame Politik verständigen.
In vielen Ländern wurden traditionelle Formen der Hochschulfinanzierung durch eine ergebnisorientierte Förderung ersetzt. Universitäten stehen unter Druck, Ergebnisse zu präsentieren. Daher wird es für einzelne Wissenschaftler und Universitätsleitungen immer schwieriger, die für Entwicklungszusammenarbeit benötigte Zeit zu rechtfertigen. Je stärker sich Programme zum Aufbau von Kapazitäten an der Nachfrage orientieren, desto weniger werden sie sich mit den wissenschaftlichen Prioritäten von Institutionen aus OECD-Ländern decken und desto mehr werden diese ihr Interesse verlieren.

Die Unterstützung könnte wesentlich effektiver und nachhaltiger sein, wenn sie besser koordiniert würde. Dem stimmen die meisten Geberorganisationen, die auf diesem Gebiet arbeiten, zu (Boeren und Holtland, 2005).

Das Problem hat mehrere Dimensionen.
– Geber sollten sich untereinander besser koordinieren. Bislang hinterlassen Stipendienprogramme und die bilaterale Zusammenarbeit von Institutionen nur wenig Eindruck. Die begrenzten Ressourcen sind verstreut. Integration würde Effizienz, Wirkung und Nachhaltigkeit stärken.
– Empfängerregierungen sollten steuern, was in ihrem Land vorgeht. Zwar haben einige die Verantwortung für die Koordination von Geberaktivitäten übernommen. Meistens jedoch wird lediglich ad hoc und kurzfristiger Vorteile willen etwas unternommen.
– Der Aufbau von Kapazitäten und sektorspezifische Programme müssen präzise aufeinander abgestimmt werden. Denn Ausbildungsförderung sollte diejenigen Fachkräfte hervorbringen, die für bestimmte Ziele gebraucht werden – in der Gesundheitsversorgung, Bildung oder anderen für die Armutsbekämpfung relevanten Feldern. Bislang stehen sektorspezifische Ansätze und der Aufbau von Kapazitäten häufig unverbunden nebeneinander.
– Die internationale Gemeinschaft sollte Forschungsergebnisse systematisch nutzen. Entscheidungsträger machen von wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel nur sehr selektiv Gebrauch; insgesamt stützt sich Entwicklungspolitik nur ungenügend auf Wissenschaft und Forschung (King, Palmer und Hayman, 2005). Die niederländische Regierung hat kürzlich auf dieses Problem reagiert und eine Akademie für Internationale Zusammenarbeit (International Cooperation Academy) eingerichtet, die den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen politischen Entscheidungsträgern und Forschern vereinfachen soll.

Schlussfolgerung

Höhere Bildung und wissenschaftliche Forschung sind für das Erreichen der MDGs unentbehrlich. Wenn Geber es mit den Millenniumszielen ernst meinen, dann müssen sie auf diesem Gebiet mehr investieren. Die Universitäten und Forschungszentren ihrer Heimatländer sind wertvolle Ressourcen für den Aufbau von Kapazitäten. Geberregierungen sollten eine gemeinsame Politik entwerfen, um diese Ressourcen möglichst effizient zu nutzen. Dazu können zweifellos auch ihre Bildungsministerien beitragen.
Schließlich muss etwas unternommen werden, um die schädlichen Auswirkungen des Brain-drain zu reduzieren. Es müssen Anreize gesetzt und gegebenenfalls steuerliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Zirkulation von Wissen (brain circulation) zu fördern – zu beiderseitigem Vorteil.