Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Junge Generation

Wie die Generation Z entwicklungspolitische Berufsfelder verändert

Weniger Auslandsaufenthalte, mehr Work-Life-Balance und hohe Sensibilität für Genderthemen – mit der Generation Z wandelt sich die Arbeitswelt der internationalen Zusammenarbeit. Armutsbekämpfung wird stärker im Kontext von Ungleichheit gesehen, und der Klimawandel ist eine alle Themen überwölbende Sorge.
Postgraduates from SLE and from Cameroon and Chad doing project work together. SLE Postgraduates from SLE and from Cameroon and Chad doing project work together.

Das Seminar für Ländliche Entwicklung (SLE) an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) führt als einziges universitäres Institut in Deutschland einen Postgraduiertenstudiengang für den beruflichen Einstieg in die Entwicklungs- beziehungsweise Internationale Zusammenarbeit (EZ/IZ) durch. Nach Abschluss des einjährigen Lehrgangs beginnen die Absolventinnen und Absolventen in aller Regel schnell eine Berufslaufbahn in einer Organisation in diesen Bereichen.

Seit seiner Gründung vor 60 Jahren passt sich das SLE jedes Jahr systematisch an die Veränderungen im Berufsfeld an. Während diese Anpassungen in der Vergangenheit eher graduell erfolgten, waren sie in den vergangenen drei Jahren in einem beträchtlichen Maß nötig. Dabei überarbeitete das SLE nicht nur einige Themen, sondern entwickelte eine umfassende Agenda, unter der nun alle Einzelthemen neu aufgesetzt, strukturiert und lösungsorientiert auf Transformation hin ausgerichtet wurden.

Gleichzeitig erweiterte sich der Fokus des SLE, der zuvor allein auf dem globalen Süden lag und nun die Betrachtung der Verflechtungen zwischen reicheren und ärmeren Weltregionen einschließt.

Neue Sichtweisen der Generation Z

Das SLE orientiert sich mit diesen Veränderungen auch an den Sichtweisen der heutigen Postgraduierten, die mehrheitlich der sogenannten Generation Z angehören. Die Menschen, die von 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind, werden das Berufsfeld zukünftig prägen (siehe Kasten).

Die Perspektiven dieser Generation beeinflussten bisher vor allem zwei Entwicklungen am Ausbildungsinstitut. Erstens wird Armutsbekämpfung als übergreifendes Ziel der Entwicklungspolitik zunehmend verstanden als Bekämpfung der Ungleichheit zwischen wirtschaftlich starken und in verschiedenen Abstufungen schwachen Ländern. Dabei stellt sich auch die Frage, wie Handeln auf der einen Seite die Situation der anderen beeinflusst: Welche Fernwirkung hat etwa Ressourcenverbrauch in den Industrieländern auf die südlichen Ökosysteme? Mit Telecoupling ist hier in den vergangenen Jahren an der HU ein neues Forschungsfeld entstanden, das sich mit genau diesen sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen über große Entfernungen auseinandersetzt.

Weniger Auslandsaufenthalte

Zweitens gehören zahlreiche Auslandsaufenthalte nicht mehr in das Portfolio vieler Bewerberinnen und Bewerber und größtenteils auch nicht mehr zu ihren Wünschen. Die Corona-Pandemie sowie die wachsenden Unsicherheiten in vielen Ländern, die einst bevorzugte Destinationen solcher Auslandsphasen waren, sind die wichtigsten Ursachen für diese Entwicklung. Hinzu kommen das gestiegene Bewusstsein für die Treibhausgasemissionen durch internationale Flüge und die Erfahrung, dass man mit Partnerinnen und Partnern aus anderen Ländern auch dann auf Augenhöhe zusammenarbeiten kann, wenn man selbst nicht vor Ort ist und digitale Alternativen zur Kommunikation nutzt. Dadurch rücken auch Organisationen in westlichen Ländern für den Berufseinstieg stärker in den Fokus, etwa in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz oder Aus- und Weiterbildung.

Die geringere Bereitschaft zu Auslandsaufenthalten birgt gleichzeitig potenzielle Nachteile. So können etwa fehlende persönliche Begegnungen es schwerer machen, Beziehungen zu den Menschen vor Ort aufzubauen.

Veränderte Geschlechterverhältnisse

In jüngster Zeit bereits angestoßene, notwendige Veränderungen in der Ausbildung des SLE beziehen sich auch auf die Zusammensetzung der Teilnehmenden.

Das SLE war in seinen ersten 25 Jahren männlich geprägt, danach 25 Jahre lang eher weiblich. Heute ist es sowohl den Teilnehmenden als auch der Auswahlkommission weniger wichtig, welche Geschlechter dominieren. Während Gender im Sinne eines intersektionalen Ansatzes entsprechend der feministischen Ausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik auch im SLE an Relevanz gewinnt, hat das Zählen der Geschlechter bei der Teamzusammensetzung heute beinahe keine Bedeutung mehr. Arbeitsteams am SLE können nur aus Männern oder Frauen bestehen oder divers zusammengesetzt sein.

Work-Life-Balance und Internationalisierung

Die Zusammenarbeit verändert sich auch während der Auslandsaufenthalte (Joint International Research Projects, JIRP) stark. Wichtige Themen, die in den Teams und durch die Teamleitungen gefördert werden, sind die individuelle Berücksichtigung von Bedürfnissen und das Etablieren von Grenzen, etwa im Sinne einer Work-Life-Balance. Durchgearbeitete Nächte gelten heute nicht mehr als positives Teamerlebnis, sondern werden abgelehnt. Stattdessen werden Strukturen wie geplante Pausen in den Teams exakt eingehalten.

Ein weiterer Wandel schlägt sich in der Internationalisierung des Studienganges nieder: Das SLE befindet sich in einem universitären Umfeld, in dem Masterstudiengänge immer häufiger ausschließlich in Englisch angeboten werden.

Gleichzeitig sind in entwicklungspolitischen Institutionen innerhalb Deutschlands sehr gute Deutschkenntnisse weiterhin wichtig, um interinstitutionell und auch mit der deutschen Öffentlichkeit kommunizieren zu können. Das SLE strebt an, künftig länderübergreifend ausschließlich die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber als Aufnahmekriterium und Englisch als Hauptsprache in der Lehre zu nutzen. Zusätzliche Deutschkurse werden jedoch neben Kursen zur Verbesserung der UN-Sprachen auch in Zukunft angeboten.

So soll ein hohes Deutsch-Niveau bei internationalen Teilnehmenden, die in deutsche IZ/EZ-Organisationen einsteigen wollen, sichergestellt werden. Wünschenswert bleibt, dass jene Organisationen ihre Einstellungspolitik ebenfalls entsprechend überarbeiten, um Absolventinnen und Absolventen unabhängig von ihrem Herkunftsland gleiche Chancen zu bieten.

Susanne Neubert ist Agrarökonomin und gehört seit elf Jahren zum Direktorium des Seminars für Ländliche Entwicklung an der Humboldt-Universität zu Berlin.
susanne.neubert@agrar.hu-berlin.de

Miriam Holländer ist Regionalwissenschaftlerin und leitet den Studiengang „Internationale Zusammenarbeit für Nachhaltige Entwicklung“ des SLE.
m.hollaender@hu-berlin.de

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