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Soziale Sicherung

Gesundheitssysteme für informell Beschäftigte finanzieren

Laut World Social Protection Report 2020–22 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist ein Drittel aller Menschen nicht gegen Gesundheitsrisiken abgesichert, in Subsahara-Afrika sogar mehr als 80 Prozent.
Krankenstation in Tansania, 2021. picture alliance / ZUMAPRESS.com / Gregg Brekke Krankenstation in Tansania, 2021.

Viele können sich Besuche beim Arzt oder im Krankenhaus nicht leisten und müssen sich für lebensnotwendige Behandlungen überschulden (siehe Hans Dembowski auf www.dandc.eu). Universelle Systeme der Gesundheitssicherung würden dagegen helfen. Sie lassen sich über Steuern finanzieren – oder über Mitgliedsbeiträge, wobei auch hier fast immer eine Quersubventionierung nötig ist.  

Steuerfinanzierte Systeme

Einige Länder mit niedrigem oder mittlerem Pro-Kopf-Einkommen setzen auf steuerfinanzierte nationale Gesundheitssysteme – teils statt, teils zusätzlich zu beitragsfinanzierten Krankenversicherungen. Im Idealfall versprechen diese allen Bürgerinnen und Bürgern kostenlose Diagnose und Behandlung wichtiger Krankheiten.

Allerdings treten oft erhebliche Mängel auf. Zum Beispiel werden zahlreiche medizinische Dienstleistungen häufig nur in Metropolen angeboten, die für große Teile der Bevölkerung zu weit entfernt liegen. Hinzu kommen lange Wartezeiten, schlechte Hygiene und eine insgesamt niedrige Qualität der Leistungen. Vor allem ist die Rechenschaftspflicht der Beschäftigten oft gering, und kaum jemand traut sich, Patientenrechte einzuklagen. Viele, die es sich leisten können, nehmen deshalb kostenpflichtige Dienstleistungen privater Anbieter in Anspruch. Zum Teil kostet eine gute Behandlung schlichtweg extra und ist nur für Besserverdiener erschwinglich.

Beitragsfinanzierte Systeme

Für die Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge spricht, dass Krankenversicherte ihnen zustehende Dienstleistungen eher einfordern, weil sie über Mitgliedschaftskarten verfügen – selbst wenn sie nur symbolische oder gar keine Beiträge einzahlen. Das ist etwa aus Indien bekannt. Tatsächlich reichen die Beiträge, die viele Menschen – vor allem informell Beschäftigte – zahlen können, oft nicht aus, um eine Versicherung zu finanzieren. Außerdem entstehen Kosten durch die Verwaltung der Mitgliedschaften.

Ohne substanzielle Quersubventionierung können Krankenversicherungen in vielen Ländern nur eine überdurchschnittlich gut verdienende Minderheit der Bevölkerung vor Gesundheitsrisiken schützen. Da viele Empfänger kaum zur Finanzierung beitragen können, muss fast überall massiv subventioniert werden. Beispielsweise finanziert Thailand die soziale Krankenversicherung ganz überwiegend aus Steuermitteln – schaffte es aber, sie auf große Teile des informellen Sektors auszuweiten. In Vietnam wird die Krankenversicherung für informell Beschäftigte aus jener für den formellen Sektor quersubventioniert. Auch in der Mongolei oder in Indien sind die Subventionen hoch. Nur in Ländern, in denen Krankenversicherte im Schnitt deutlich mehr einzahlen können, klappte bislang die Ausweitung mit nur mäßiger Quersubventionierung. Ein Beispiel dafür ist Tunesien.

Wenn Länder vorhaben, Krankenversicherungssysteme auf Beschäftigte im informellen Sektor auszuweiten, benötigen sie starken Reformwillen. Die Widerstände sind oft groß. Werden neue, einkommensschwächere Gruppen in die Systeme aufgenommen, haben viele langjährige Mitglieder Angst, dabei zu verlieren. Zudem sorgen sich Finanzpolitiker und externe Geberinstitutionen um die Kosten für den Staat.


Markus Loewe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn.
markus.loewe@die-gdi.de

 

 

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