Financing for Development Conference
Ideen für eine Reform der Schuldenpolitik

Die Verschuldungssituation der Entwicklungsländer hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschärft, nicht zuletzt durch multiple Krisen wie die Coronapandemie, den Krieg in der Ukraine und die Klimakrise. Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank schätzen, dass mehr als die Hälfte der Länder mit niedrigen Einkommen hoch verschuldet sind. Vor zehn Jahren waren es nur 30 Prozent.
Diese Krisen haben einen dringenden Bedarf an umfangreichen öffentlichen Ausgaben geschaffen. Zugleich haben sie aber auch das makroökonomische Umfeld verändert und zu höheren Zinssätzen geführt. Entwicklungsländer müssen für Auslandskredite durchschnittlich dreimal so hohe Zinskosten schultern wie Industrieländer (Spiegel und Schwank 2022). Dies schränkt ihren Zugang zu den internationalen Finanzmärkten ein und erhöht die Schuldendienstzahlungen.
Das Geld, mit dem Entwicklungsländer ihre Schulden bezahlen, fehlt ihnen an anderer Stelle – insbesondere für Investitionen in nachhaltige Entwicklung. Im Jahr 2023 gaben laut den Vereinten Nationen 54 Entwicklungsländer mehr als zehn Prozent ihrer Staatseinnahmen für Nettozinszahlungen aus, darunter 25 afrikanische Länder (UNCTAD 2024). Im Jahr 2024 gaben 92 Länder Schätzungen zufolge mehr für den externen Schuldendienst aus als für Investitionen in die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) (OECD 2025).
Die Vierte Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4) im Juni in Sevilla bietet die Chance, die globale Schuldenpolitik zu reformieren. Da ein breites Spektrum an Interessengruppen beteiligt ist, besteht die Gelegenheit, Lösungsansätze zu diskutieren und ein gemeinsames Verständnis über Reformen herzustellen. Besonders wichtig wäre es, erstens, bestehende Instrumente zu verbessern und, zweitens, einheitliche Prinzipien für den globalen Umgang mit Schulden zu etablieren.
Bestehende Maßnahmen verbessern
Das G20 Common Framework for Debt Treatments ist derzeit das einzige Instrument für eine umfassende Umschuldung von Staatsschulden. Die G20 hat diesen gemeinsamen Rahmen im Jahr 2020 verabschiedet. Er legt die Regeln für Umschuldungen und Schuldenerlasse für hochverschuldete Niedrigeinkommensländer fest.
Ein wichtiges Ziel war es, alle G20-Länder einzubeziehen. Vorher wurden Schuldenumstrukturierungen meist im Pariser Club vereinbart, dem nur westliche Industrieländer angehören. Andere G20-Länder wie Indien, China und Saudi-Arabien blieben außen vor. Diese Länder wurden aber in den vergangenen 15 Jahren zu wichtigen Gläubigern der Entwicklungsländer.
Trotz der Einführung des G20-Rahmens haben bisher nur vier Schuldnerländer daran teilgenommen: Tschad, Äthiopien, Ghana und Sambia. Die Hauptgründe für die geringe Beteiligung sind die typischen Herausforderungen von Umschuldungsmechanismen. Dazu zählen Koordinationsprobleme zwischen den Gläubigern, mangelnde Transparenz über die Schuldensituation und die ungleiche Beteiligung verschiedener Gläubigergruppen. Laut einer Weltbank-Studie aus dem Jahr 2021 hatten damals fast 40 Prozent der Entwicklungsländer mit niedrigen Einkommen entweder noch nie Daten zur Verschuldung auf ihren Websites veröffentlicht oder ihre Daten in den beiden vorhergehenden Jahren nicht aktualisiert.
Mehr Transparenz
Zu den nötigen Reformen des G20 Common Frameworks gehört vor allem, die Transparenz von Schuldenvereinbarungen zu erhöhen: Es braucht eine bessere Koordinierung der Informationen über Schuldenvereinbarungen zwischen Gläubigern und Schuldnern (Berensmann 2024). Im Zero-Draft-Dokument der FfD4 wird etwa die Einrichtung eines zentralen internationalen Schuldenregisters gefordert (UN 2025). Es könnte bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich angesiedelt werden (Berensmann 2024).
Des Weiteren sollten für private Gläubiger Anreize geschaffen werden, sich an Umstrukturierungen zu beteiligen. Dazu gehört beispielsweise die Umsetzung von Anti-Geier-Gesetzen. Diese begrenzen die Möglichkeiten von Gläubigern, Verhandlungsprozesse und -ergebnisse zu stören. Da einige Länder mit mittleren Einkommen ebenfalls hoch verschuldet sind, sollten auch die Länder mit niedrigen mittleren Einkommen Zugang zum G20 Common Framework erhalten (Berensmann 2024).
Um der Verschuldungs- und der Klimakrise gleichzeitig zu begegnen, gilt es zudem, Umschuldung besser mit Entwicklungs- und Klimazielen zu verknüpfen:
- Schuldnerländer sollten dazu verpflichtet werden, Schuldenerleichterungen zu nutzen, um fiskalischen Spielraum für die Erreichung der SDGs (oder speziell der Klimaziele) zu schaffen.
- Die Schuldentragfähigkeitsanalyse von Weltbank und IWF sollte Klimarisiken besser einbeziehen – und auch die Höhe der Investitionen eines Landes in Anpassung an Klimafolgen.
- Climate-resilient Debt Clauses sollten in Staatsanleiheverträge aufgenommen werden. Das bedeutet: Länder können Schuldenzahlungen aufschieben, falls ein vorher definierter Klimaschock oder eine Naturkatastrophe eintritt (Berensmann 2024). Auch das Zero-Draft-Dokument der FfD4 erwähnt Klauseln, die es in Krisenzeiten erlauben, den Schuldendienst auszusetzen.
Einheitliche Prinzipien für den Umgang mit Schulden
Die FfD-Verhandlungen sind ein inklusiver Prozess, an dem viele öffentliche und private Akteure beteiligt sind. Deshalb bietet die FfD4-Konferenz in Sevilla eine gute Gelegenheit, universelle Prinzipien für die Kreditvergabe und -aufnahme durch Staaten zu entwickeln und Vorschläge für ihre Umsetzung zu machen. Im Zero-Draft-Dokument der FfD4 wird vorgeschlagen, hierfür eine Arbeitsgruppe einzurichten.
Diese Prinzipien sollten beispielsweise darlegen, wie Verhandlungen über Schuldenumstrukturierungen geführt, Informationen ausgetauscht und eine faire Behandlung der Gläubiger sichergestellt werden kann. Sie würden für alle Marktteilnehmer vor und während einer Schuldenkrise gelten und sollten auch in andere Instrumente eingebunden werden, zum Beispiel in Staatsanleihen. Die Prinzipien könnten helfen, Schuldenkrisen zu lösen, indem sie die Zusammenarbeit zwischen Gläubigern und Schuldnern verbessern und zeigen, wie Umstrukturierungen funktionieren. Auch das G20 Common Framework sollte mit solchen universellen Prinzipien verknüpft werden.
Bei der Umsetzung gibt es zwei wesentliche Probleme: Erstens existiert derzeit eine ganze Reihe unterschiedlicher Prinzipien nebeneinander, von denen einige erst vorgeschlagen wurden und andere bereits umgesetzt sind. Dazu gehören Grundsätze der Vereinten Nationen, der G20, der OECD und des Institute of International Finance, ein weltweiter Zusammenschluss internationaler Finanzinstitute. Die Anwendung unterschiedlicher Prinzipien für das Verhalten vor und während einer Schuldenkrise verunsichert allerdings sowohl Gläubiger als auch Schuldner. Daher ist eine Vereinheitlichung auf Basis der bestehenden Vorschläge nötig.
Zweitens existieren momentan keine angemessenen Anreize für Gläubiger und Schuldner, sich an derartige Prinzipien zu halten. Dem ließe sich begegnen mit
- einer öffentlichen Liste jener Länder, die sich an diese Prinzipien halten,
- einer Ermutigung der Ratingagenturen, die Einhaltung dieser Prinzipien in ihren makroökonomischen Analysen zu berücksichtigen,
- der Aufnahme dieser Prinzipien in die Verträge für Staatsanleihen sowie
- der Aufnahme dieser Prinzipien in die Kreditvergabepolitik der Internationalen Finanzinstitutionen, wie dem IWF (Berensmann 2024).
Die Vierte Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (FfD4) bietet als breit angelegter und inklusiver Prozess eine hervorragende Gelegenheit, Reformen der globalen Schuldenarchitektur zu diskutieren und auf den Weg zu bringen. Vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Spannungen sollte diese Chance nicht vertan werden.
Links
Spiegel, S., und Schwank, O., 2022: Bridging the ‘great finance divide’ in developing countries. Brookings Institution.
brookings.edu/articles/bridging-the-great-finance-divide-in-developing-countries/
UNCTAD, 2024: A world of debt report 2024.
unctad.org/publication/world-of-debt
Berensmann, K., 2024: Reforming the Global Debt Governance System: Exploring Effective and Feasible Policy Solutions. IDOS. FfD4 input elements paper_Debt and Debt Sustainability_IDOS__Kathirn Berensmann_15-10-2024
Berensmann, K., 2022: How could a new universal code of conduct prevent and resolve sovereign debt crises? Proposals for design and implementation. Journal of Economic Surveys, Wiley. onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/joes.12509
UN, 2025: FfD4 Outcome Document – Zero Draft.
financing.desa.un.org/document/ffd4-outcome-document-zero-draft
OECD, 2025: Global Outlook on Financing for Sustainable Development 2025.
oecd.org/en/publications/global-outlook-on-financing-for-sustainable-development-2025_753d5368-en.html
Kathrin Berensmann ist Senior Researcher und Projektleiterin beim German Institute of Development and Sustainability (IDOS).
kathrin.berensmann@idos-research.de