Entwicklungsfinanzierung
Eine Reform der globalen Finanzstrukturen ist für Afrika unverzichtbar

Die derzeit in Sevilla stattfindende FfD4-Konferenz bietet den UN-Mitgliedstaaten die Gelegenheit, gemeinsame Maßnahmen gegen zentrale Hindernisse nachhaltiger Entwicklung zu beschließen. Für Afrika ist das von besonderer Bedeutung: Der Kontinent steht vor einer gewaltigen Finanzierungslücke. Um die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 zu erreichen, beziffert die Afrikanische Union diese Lücke auf jährlich rund 200 Milliarden Dollar.
Afrika hat über Jahrzehnte hinweg die Führungsstruktur der Bretton-Woods-Finanzinstitutionen hinnehmen müssen. Bis heute wird im Rahmen des informellen „Gentlemen’s Agreement“ die Weltbank stets von einem US-Amerikaner und der Internationale Währungsfonds (IWF) von eine*r Europäer*in geleitet. Noch deutlicher wird das Machtgefälle innerhalb der globalen Finanzarchitektur am Quotensystem des IWF: Die 55 afrikanischen Staaten mit über 1,4 Milliarden Menschen verfügen zusammen über lediglich 6,47 Prozent der Stimmrechte – im Vergleich zu den 16,5 % der USA, die weniger als ein Viertel dieser Bevölkerungszahl stellen. Diese Ungleichheit schränkt den Einfluss Afrikas auf wichtige globale Wirtschaftsentscheidungen ein, etwa darauf, wie die Tragfähigkeit von Schulden bewertet wird, welche Arten von Finanzierungen Ländern in Schuldennot angeboten werden und welche Kriterien für eine „solide“ Wirtschaftspolitik gelten.
Auch das Verhalten privater Ratingagenturen gegenüber afrikanischen Staaten ist Teil des Problems. Der globale Markt wird von drei Agenturen dominiert – Moody’s, S&P Global und Fitch Ratings –, die allesamt in den USA und Großbritannien ansässig sind. Ihre Bewertungen führen regelmäßig zu erhöhten Kreditkosten, Kapitalflucht, Druck auf lokale Währungen und vorsorglichen Sparmaßnahmen, um Herabstufungen zu vermeiden. Im Jahr 2024 kam nur ein afrikanisches Land, Botswana, auf ein Rating von BBB+, das höchste des Kontinents.
Deutschland wurde die Hälfte der Schulden erlassen
Derzeit sind mehr als 25 afrikanische Staaten entweder stark von einer Überschuldung bedroht oder bereits überschuldet. Dabei sind die absoluten Zahlen verhältnismäßig gering. Die Gesamtverschuldung Afrikas lag im Jahr 2023 bei rund 1,8 Billionen Dollar – deutlich weniger als die 2,9 Billionen Dollar Schulden Deutschlands.
Nach dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurden Deutschland 50 % seiner Schulden erlassen, und die verbleibenden Schulden wurden auf drei Prozent der Exporteinnahmen begrenzt und nur im Falle eines Handelsüberschusses Deutschlands fällig. Heute zahlen die meisten afrikanischen Länder mehr für den Schuldendienst, als Deutschland gemäß dem Londoner Schuldenabkommen zahlen musste. Auch wenn das Londoner Abkommen nie für Afrika galt, zeigt das Beispiel, wie unterschiedlich international mit verschuldeten Ländern umgegangen wird.
Als eine der wichtigsten Konferenzen zur Entwicklungsfinanzierung der vergangenen zehn Jahre muss die FfD4 diese strukturellen Ungerechtigkeiten nun angehen. Das erfordert eine Reform der IWF-Quotenverteilung, um wirtschaftliche Instabilität besser zu berücksichtigen. Außerdem erfordert es, private Ratingagenturen zu regulieren und die Einrichtung lokaler Alternativen wie der African Credit Rating Agency (AfCRA) zu unterstützen. Die AfCRA könnte Afrika die Möglichkeit bieten, ein Kreditrating-System einzuführen, das die sozioökonomischen Gegebenheiten des Kontinents widerspiegelt und eine genauere Darstellung seiner Kreditwürdigkeit ermöglicht.
Die Bewältigung systemischer Herausforderungen bedeutet auch, öffentliche Mittel zu mobilisieren, um die Klimakrise zu bekämpfen; eine UN-Konvention zu Staatsschulden zu schaffen, um den Widerstand gegen eine Reform der Schuldenarchitektur zu beenden; die UN-Rahmenkonvention über internationale Steuerkooperation zu unterstützen, um ein faires globales Steuersystem zu fördern; und sich dringend für einen Schuldenerlass einzusetzen.
Link
https://actionaid.org/sites/default/files/publications/Debt-Swaps-Wont-Save-Us-Briefing-2024.pdf
Africa Kiiza ist Berater für wirtschaftliche Gerechtigkeit bei Christian Aid.
akiiza@christian-aid.org