Global Governance

Wie die Entwicklungsfinanzierung reformiert werden kann

Da sich die makroökonomischen Bedingungen verändert haben, muss die Finanzierung von Entwicklungsvorhaben dringend reformiert werden. Mehrere Initiativen aus Politik und internationalen Finanzinstitutionen streben nach Lösungen. Dazu gehören unter anderem Schuldenumstrukturierung und -erlass sowie die Reform der multilateralen Entwicklungsbanken und eine stärkere Mobilisierung von inländischen Ressourcen.
Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, sprach auf der COP27 in Scharm el-Scheich über ihre Bridgetown-Initiative zur Reform der Entwicklungsfinanzierung. picture-alliance/ASSOCIATED PRESS/Peter Dejong Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, sprach auf der COP27 in Scharm el-Scheich über ihre Bridgetown-Initiative zur Reform der Entwicklungsfinanzierung.

Die internationale Gemeinschaft wird ihre Agenda 2030 nicht erreichen. Sie ist weit vom Ziel entfernt, die Armut bis 2030 zu beenden und die Sustainable Development Goals (SDGs) umzusetzen. Die Covid-19-Pandemie, geopolitische Spannungen und gewaltsame Konflikte sowie die Klima- und die Verschuldungskrisen haben die Fortschritte bei der Verwirklichung der SDGs verlangsamt und manchmal sogar rückgängig gemacht und die bereits großen Finanzierungslücken erheblich vergrößert. Diese Krisen heizten die Inflation an, weshalb die Zentralbanken die Leitzinsen erheblich erhöhten. Dies erschwert Entwicklungsländern den Zugang zu den internationalen Finanzmärkten und treibt ihre Verschuldung weiter in die Höhe (Berensmann et al. 2023).

Laut Schätzungen der Weltbank werden die Gesamtausgaben für Entwicklungsländer zur Bewältigung von Klimawandel, Pandemien und Konflikten im Zeitraum von 2023 bis 2030 bei rund 2,4 Billionen US-Dollar jährlich liegen (WB/IWF 2023). Um diese Summe stemmen zu können, muss das System der Entwicklungsfinanzierung reformiert und an das veränderte makroökonomische Umfeld angepasst werden (Berensmann et al. 2023).

Vor diesem Hintergrund gab es im vergangenen Jahr eine Reihe von Konferenzen und Initiativen, die nach innovativen Lösungen suchten. Dazu gehören die Bridgetown-Initiative der Premierministerin von Barbados Mia Mottley, der vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron initiierte Summit for a New Global Financial Pact, die Tagungen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) im Frühjahr und Herbst, das Financing for Development Forum, die G7-/G20-Treffen, der afrikanische Klimagipfel und die UN-­Klimakonferenz in Dubai. Diese Foren haben einige wichtige Themen identifiziert, die sie angehen möchten.

Schuldenumstrukturierung und-erlass

Alle Initiativen sehen die Notwendigkeit für eine Umstrukturierung der Schulden und gegebenenfalls einen Erlass für hochverschuldete Länder. Laut Schätzungen von Weltbank und IWF sind derzeit mehr als die Hälfte der Niedrigeinkommensländer hoch verschuldet. Um die Schuldenkrise anzugehen, haben die G20 den gemeinsamen Rahmen für die Behandlung von Schulden (Common Framework for Debt Treatment – CF) bereits Ende 2020 ins Leben gerufen. Es ist der einzige multilaterale Mechanismus für Schuldenerlass und -umstrukturierung. Bisher haben aber nur vier Länder dieses Instrument in Anspruch genommen – Äthiopien, Sambia, Ghana und Tschad. Der Common Framework sollte reformiert werden, damit er schneller umgesetzt werden kann. Dazu müssen alle öffentlichen und privaten Gläubiger einbezogen und die Schuldenverträge transparent gemacht werden.

Außerdem sind wir der Meinung, dass der Common Framework nicht nur für Länder mit niedrigen Einkommen, sondern auch für Länder mit mittleren Einkommen zur Verfügung stehen sollte. Darüber hinaus sollten Schulden- und Klimarisiken nicht getrennt betrachtet, sondern gleichzeitig angegangen werden. IWF und Weltbank sollten dafür Klimarisiken besser in ihre Schuldentragfähigkeitsanalysen integrieren und Investitionen in die Anpassung an den Klimawandel berücksichtigen. Mittelfristig sollte ein Ansatz gefunden werden, der Schuldenumstrukturierung und -erlass mit der Bewerkstelligung der Klimakrise verknüpft (Berensmann 2023).

Erhöhung der öffentlichen Entwicklungs- und Klimafinanzierung

Gleichermaßen waren sich die meisten Initiativen einig, dass die öffentliche Entwicklungs- und Klimafinanzierung erhöht werden sollte. Aus unserer Sicht ist dabei zentral, dass die Geber das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe bereitzustellen, bis 2030 vollständig erreichen und als Zwischenziel die Lücke zu den 0,7 Prozent bis 2026 zumindest halbieren. Zudem sollte mehr öffentliche Entwicklungshilfe (Official Development Assistance – ODA) in die ärmsten Länder fließen. Geber sollten ihre ODA zusätzlich zur Klimafinanzierung – und nicht als Ersatz dafür – bereitstellen. Dafür sollten die Geber Klima- und Entwicklungsfinanzierung nach Möglichkeit getrennt ausweisen.

Reform der multilateralen Entwicklungsbanken

Im Dezember 2022 hatten sich die Anteilseigner der Weltbank auf einen Reformprozess geeinigt, der zu mehr Investitionen in den Klimaschutz und weitere globale Entwicklungsziele führen soll. Wichtige Akteure wie die USA und Deutschland unterstützten dies nachdrücklich. Auf den Gipfeltreffen 2023 in Marrakesch hat diese Reform bemerkenswerte Meilensteine erreicht.

Zum einen hat die Bank ihr Mandat über die Armutsbekämpfung und den gemeinsamen Wohlstand hinaus erweitert, indem sie die Sicherung eines „lebenswerten Planeten“ als erforderliches Ziel einbezog (WB/IWF 2023). Zum anderen verkündete Weltbankpräsident Ajay Banga in Marrakesch die Sicherung einer zusätzlichen Darlehenskapazität von bis zu 157 Milliarden über ein Jahrzehnt. Dies wurde durch verschiedene Maßnahmen erreicht, darunter die Optimierung der Bilanz sowie die Zuführung von Hybridkapital und Portfolio­garantien.

Während die Diskussionen weitergehen, müssen auf den kommenden Gipfeltreffen jedoch mehrere offene Fragen geklärt werden:

  • Erstens werden andere multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs) aufgefordert, ihre eigenen Reformprozesse einzuleiten oder zu beschleunigen und ihre Mandate zu erweitern, um globale öffentliche Güter zu fördern. Sie sollten jedoch sicherstellen, dass die knappen zinsvergünstigten (konzessionären) Mittel nicht von den zentralen Entwicklungszielen abgezogen werden. Um die Ziele der Armutsbekämpfung nicht zu gefährden, ist es von entscheidender Bedeutung, die Ausweitung der Mandate mit der Stärkung der Finanzkapazität in Einklang zu bringen (Walle und Brandi, 2023).
  • Zweitens ist es dringend erforderlich, dass die MDBs, einschließlich der Weltbank, ihre Finanzierungskapazitäten erheblich ausbauen. Sie können ihre Risikotragfähigkeit erhöhen und ihre Kreditvergabe ausweiten, indem sie zum Beispiel abrufbares Kapital (callable capital) einsetzen. Hierfür sollten sie die Bedingungen für abrufbares Kapital ausweiten und mit Kreditagenturen und Anteilseignern klare Verfahren und Mechanismen für dessen Abruf festlegen.
  • Drittens stellt die Idee, die Sonderziehungsrechte (SZR) des IWF über die Entwicklungsbanken zu leiten, eine anspruchsvolle, aber vielversprechende Möglichkeit dar, die Finanzierungskapazität der MDBs auszuweiten. Dieser Vorschlag der Afrikanischen Entwicklungsbankgruppe (AfDB) und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) verdient bei den kommenden Gipfeltreffen zentrale Aufmerksamkeit. Die SZR stellen Reserveguthaben dar, die der IWF 1969 erstmals eingerichtet hat. Die Mitgliedstaaten können diese Buchkredite in andere Währungen umtauschen oder als Währungsreserven nutzen. SZR sind für die Mitgliedsländer günstiger als die Aufnahme von Krediten an den Märkten. Zudem sind sie nicht an die Erfüllung von Bedingungen geknüpft. Dieser innovative Mechanismus der beiden MDBs, der als hybrides Kapitalinstrument strukturiert ist, kann in den Bilanzen der MDBs wie Eigenkapital behandelt werden. Die Weiterleitung von SZR an die Entwicklungsbanken bietet einen erheblichen Vorteil, da diese mindestens das Vierfache ihres ursprünglichen Werts erreichen können.

Inländische öffentliche Ressourcen

Die Mobilisierung inländischer Ressourcen stand nicht bei allen Initiativen im Vordergrund. Da Steuereinnahmen aber die wichtigste Quelle der Entwicklungsfinanzierung darstellen und ein fiskalischer Puffer die Länder widerstandsfähiger macht, sind Reformen auf nationaler und internationaler Ebene wichtig:

  • Erstens sollten bilaterale und multilaterale Durchführungsorganisationen die Länder beim Aufbau von effizienten Steuerverwaltungen und -systemen unterstützen.
  • Zweitens sollten die Organisationen der technischen Zusammenarbeit die Digitalisierung der Steuerverwaltungen und die Sammlung von vergleichbaren Steuerverwaltungsdaten vorantreiben. Daten und Transparenz sind erforderlich, um bestehende Steuerstrukturen effektiver zu beurteilen und zukünftige Steuersysteme zu gestalten. Zwei erfolgreiche Initiativen in diesem Bereich sind zum einen „Tax Inspectors Without Borders“, die Steuerexpert*innen zur Schulung von Mitarbeiter*innen in Partner-Steuerverwaltungen sendet; und zum anderen der automatische Informationsaustausch in Steuersachen, der für mehr Transparenz sorgt und grenzüberschreitende Steuerhinterziehung und -umgehung bekämpft.
  • Drittens sollte die internationale Steuerkooperation verbessert werden. Vielversprechend ist hierfür eine UN-Resolution von November 2023, welche der UN mehr Handlungsspielraum in der internationalen Steuerkooperation zuspricht. In den vergangenen Jahren wurde die internationale Steuerkooperation vor allem durch die Umsetzung des OECD/G20-Projekts zu Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) reformiert (Laudage 2023). Viele Länder niedrigen und mittleren Einkommens im Inclusive Framework on BEPS benötigen weiterhin Unterstützung bei der Implementierung der BEPS-Reformen, welche darauf abzielen, Steuervermeidung zu bekämpfen, die Kohärenz internationaler Steuervorschriften zu verbessern und die digitale Wirtschaft stärker zu besteuern. Die Afrikanische Union schätzt, dass Afrika jährlich 50 bis 80 Milliarden Dollar durch illegale Finanzströme verliert (AU 2019).

Klimaziele können mit in diese Reformen eingebunden werden, indem kurzfristig unnötige Steuerausgaben wie Subventionen für fossile Brennstoffe abgeschafft werden und langfristig mehr grüne Steuerreformen (zum Beispiel Kohlenstoffpreise und Umweltsteuern) umgesetzt werden (Berensmann et al. 2023).

Bessere Einbindung des privaten Sektors

Bei den meisten Initiativen lag ein besonderer Fokus auf Privatkapitalmobilisierung. Ansätze wie Blended Finance versuchen die Beiträge von Privatkapital, vor allem von internationalem privatem Kapital, zu stärken und auszubauen. Allerdings sind private internationale Kapitalflüsse wie ausländische Direktinvestitionen oder Portfolioinvestitionen in Niedrig- und Mitteleinkommensländern (exklusive China) 2020 während der Corona-Pandemie stark zurückgegangen.

Nach einer kurzfristigen Erholung 2021 zogen Investor*innen mit steigender Inflation und höheren Zinsraten 2022 sogar Kapital aus diesen Ländern ab. Aufgrund des schwierigen makroökonomischen Umfelds sollte deshalb ein größeres Augenmerk auf die Mobilisierung von inländischen privaten Ersparnissen für Investitionen gelegt werden. Zum einen finanzieren inländische Ersparnisse bereits den Großteil von privaten Investitionen, und zum anderen reduzieren sie die Abhängigkeit und Vulnerabilität gegenüber Schocks im internationalen Finanzmarkt.

Die Kanalisierung von Ersparnissen für Investitionen kann durch staatliche Entwicklungsbanken gefördert werden. Diese Banken können aufgrund ihrer Nähe zu und ihrer umfassenden Kenntnisse über lokale Märkte „sichere“ inländische Anlage- und Investitionsmöglichkeiten schaffen, was dem Abfluss von inländischen Ressourcen hin zu Anlagen in harten Währungen entgegenwirkt. Zudem hat die voranschreitende Digitalisierung im Finanzsektor das Potenzial, mehr Menschen Zugang zu formellen (digitalen) Sparmöglichkeiten zu verschaffen, so dass mehr inländische Ersparnisse mobilisiert und zur Finanzierung nutzbar gemacht werden können (Berensmann et al. 2023).

Die derzeitige ökonomische Weltlage macht die Entwicklungsfinanzierung noch bedeutungsvoller und rückt sie zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. Die Gipfeltreffen können dazu beitragen, nicht nur mehr, sondern auch adäquate Entwicklungsfinanzierung einzufordern. Dafür müssen die zukünftigen Gipfel gut koordiniert und die Vereinbarungen weiterverfolgt werden.

Referenzen

African Union Commission, 2019: Domestic resource mobilization: Fighting against corruption and illicit financial flows. Addis Ababa, AUC Publishing.

Berensmann, K., Laudage Teles, S., Sommer, C., & Walle, Y. M., 2023: Development finance at a turning point: Effects and policy recommendations. Discussion Paper, Bonn, IDOS.

Berensmann, K., 2023: Die Internationale Gemeinschaft muss endlich eine Schuldenerleichterung gewähren. Die aktuelle Kolumne vom 6. November 2023, Bonn, IDOS.

Laudage Teles, S., 2023: The BEPS Project: achievements and remaining challenges. Briefing Paper 22/2023, Bonn, IDOS.

Walle, Y. M. & Brandi, C., 2023: Weichenstellung für globale Herausforderungen in Marrakech? Die aktuelle Kolumne vom 2. Oktober 2023, Bonn, IDOS.

Weltbank / Internationaler Währungsfonds, 2023: Ending poverty on a livable planet: Report to governors on World Bank evolution. Development Committee, Washington DC.

Kathrin Berensmann ist Senior Researcher und Projektleiterin beim German Institute of Development and Sustainability (IDOS).
kathrin.berensmann@idos-research.de

Yabibal M. Walle ist Senior Researcher beim IDOS.
yabibal.walle@idos-research.de

Christoph Sommer ist Researcher beim IDOS.
christoph.sommer@idos-research.de

Sabine Laudage Teles ist assoziierte Wissenschaftlerin am IDOS.