Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Editorial

Taugenichtse verdienen eine Chance

Seit der Arabische Frühling Anfang 2011 die Diktatoren Zine el-Abidine Ben Ali und Hosni Mubarak zu Fall brachte, machen sich viele Regierungen mehr Sorgen darüber, was passiert, wenn Heranwachsende keine Perspektiven finden. Tatsächlich können Massen frustrierter Jugendlicher die politische Stabilität unterminieren.
Protestierende Jugendliche in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. picture-alliance/dpa Protestierende Jugendliche in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch.

Revolutionen bleiben aber seltene Ex­tremfälle. Die sozialen Kosten der Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit von Jugendlichen sind jedoch immer hoch. Wegen des Einkommensausfalls liegen die jungen Leute Verwandten auf der Tasche, während sie eigentlich beginnen sollten, selbst zum Unterhalt der Großfamilie beizutragen. Wer diese Erwartung nicht erfüllt, entwickelt kein gesundes Selbstbewusstsein.

Manche Jugendliche driften in Kriminalität und Prostitution ab. Soziale Bindungen erodieren. Alkohol und andere Rauschmittel bieten Fluchtmöglichkeiten. In den Ballungszentren – nicht nur der Entwicklungsländer – beherrschen gewalttätige Mafiabanden Elendsviertel, und sie rekrutieren Nachwuchs für gefähr­liche und brutale Aufgaben unter marginalisierten Jugendlichen. Der Terror, den organisiertes Verbrechen auf Menschen ausübt, darf nicht unterschätzt werden. Im Gegensatz zu politisierter Gewalt stellt er zwar nicht die Regierung in Frage, Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit und einigermaßen solider Amtsführung können aber nicht gedeihen, wo alle wissen, wie sich Slumlords durchsetzen und wie sie mit Politikern verbandelt sind.  

Wenn soziale Integration in jungen Jahren misslingt, ist der Schaden oft irreparabel. Wer sich anfangs nicht in einem Job bewährt, gilt nicht nur potenziellen Arbeitgebern schnell als unbrauchbar. Es heißt meist, die Betreffenden wollten nicht arbeiten und seien jedenfalls nicht sonderlich diszipliniert und vertrauenswürdig. In vielen Gesellschaften herrscht die Meinung vor, dass nur Taugenichtse keine Arbeit haben. Die Einsicht, dass, wer keinen Job findet, auch keine Chance bekommt, potenzielle Tauglichkeiten zu beweisen, ist weniger verbreitet.

Jugendarbeitslosigkeit ist auch in Industrieländern ein Problem. In Entwicklungs- und Schwellenländern kommt aber hinzu, dass der Sozialstaat wenig entwickelt ist und Traditionen den Alltag stärker prägen.

Jugendliche sollen sich einordnen und Älteren nicht widersprechen. Derweil ist klar, dass die überlieferten Weisheiten überholt sind. Die Bevölkerung wächst, und in den Dörfern reicht das Land nicht mehr, um alle als traditionelle Bauern durchzubringen. Filme, Popmusik und Internet vermitteln neue Ideen. Moderne Technik prägt den Alltag  – und jungen Menschen erschließt sich die digitale Datenwelt leichter als alten. Abermillionen junger Menschen stecken in dem Dilemma, dass sie Traditionen folgen sollen, obwohl ihnen das weder einleuchtet noch möglich ist. Viele werden empfänglich für radi­kale Ideologien, fanatische Identitätspolitik und fundamentalistische Reli­gionsauslegung.  

Bildung hilft, wenn sie praxisrelevante Fähigkeiten vermittelt – oder wenn sie Jugendlichen hilft, ihre eigene Situation verstehen. Stur einen vordefinierten Bildungskanon zu pauken bringt aber wenig. Hochschulabsolventen, die am Arbeitsmarkt vorbei qualifiziert wurden, sind oft besonders frustriert.

Wenn die Wirtschaft nicht die nötigen Arbeitsplätze schafft, sind viele Jugendprobleme nicht zu lösen. Das Mindeste ist aber, dass die betroffenen Menschen wahrgenommen und ihre Sichtweisen ernst genommen werden.